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Mehr als Unterhaltung

26.10.2005
Es gibt Musik, die macht glücklich. Mozart zum Beispiel sorgt laut einschlägigen Forschungsergebnissen nicht nur dafür, dass Pflanzen besser wachsen, sondern auch dafür, dass für Euphorie zuständige Hormone im menschlichen Körper befreiter ausgeschüttet werden. Manch eine werdende Mutter soll sogar Kopfhörer auf den Bauch geschnallt haben, um mit Hilfe der Klänge des Salzburger Genies für mehr Wohlbefinden des Nachwuchses zu sorgen. Wie auch immer, ein Werk wie “Die kleine Nachtmusik” gehört zum Elegantesten und zugleich Eingängigsten, was die klassische Klangtradition überhaupt zu bieten hat.
Erstaunlich ist der Gegensatz zwischen der Beliebtheit der “Kleinen Nachtmusik” und dem wenigen, was die Forschung über deren Entstehung herausgebracht hat. Komponiert wurde sie im August 1787, in etwa zur selben Zeit wie der “Don Giovanni” und nur wenige Monate nach dem Tod von Mozarts Vater. Wie es dazu kam oder wer den Auftrag dazu gegeben hatte, ist unbekannt. Außerdem ist einer der fünf Sätze dieser Serenade bis heute verschollen. Schließlich war es auch unklar, warum Mozart das Stück für ein Streichensemble gesetzt hatte, wo doch einiges dafür sprach, dass er zunächst ein Quintett vor Augen hatte. Nichtsdestotrotz wurde die “Kleine Nachtmusik” zu seinem bekanntesten Werk, wahrscheinlich zu einem der bekanntesten der Musikwelt überhaupt, gleich neben dem Thema von Beethovens Fünfter. Das setzt natürlich auch die Interpreten unter Erwartungsdruck. Kaum ein Kammerorchester wird es noch nicht gespielt haben und Tausende von mehr oder minder gelungenen Varianten zirkulieren bereits in den Plattenläden dieser Welt. Um so mehr fasziniert eine Einspielung wie die der britischen Academy Of St. Martin In The Fields, die im November 1985 entstand. Denn dem Mozart-erfahrenen Kammerensemble unter der Leitung von Sir Neville Marriner gelingt es mit erfrischender Nonchalance, die passende Atmosphäre des Stücks zu treffen. Das ist nicht nur Unterhaltung, Ohrwurm, sondern auch Ausblick auf die ernsten Facetten des Komponisten, vor allem in den unerwarteten harmonischen Wendungen, mit denen er sich während der Romance von den üblichen Akkordfolgen seiner Zeitgenossen entfernt. Das ist Mozart, der Entertainment-Spezialist, aber auch Mozart, der Geheimnisvolle, dessen Musik immer etwas mehr als die scheinbar unversehrte Oberfläche zu bieten hat.

Die übrigen Werke der “Nachtmusik-Folge” der Mozart Collection allerdings sind in ihrer Entstehungsgeschichte weitgehend erforscht. Die “Posthorn-Serenade, K 320”, benannt nach einem markanten Hornsignal, mit dem die Postillione des 18.Jahrhunderts ihre Ankunft ankündigten und das Mozart als Motiv übernahm, entstand im August 1779 als “Finalmusik” zum Ende des Universitätsjahres. Die Aufführungen fanden im Freien im sommerlichen Salzburg statt, was die durchaus üppige Besetzung zum Beispiel mit zwei Hörnern und zwei Pauken erklärt, und gehörten zu den traditionsreichen Veranstaltungen, mit denen junge Komponisten ihr Können demonstrierten. Die "Serenata Notturna, K 239 wiederum entstand bereits im Januar 1776 für ein wesentlich kleineres Ensemble und war daher wohl nicht für eine Aufführung unter freiem Himmel bestimmt. Alle zusammen wurden sie Mitte der achtziger Jahre von der Academy Of St Martin In The Fields unter der Leitung von Sir Neville Marriner bzw. in einer reduzierten Kammerquartett-Besetzung mit wunderbar fließender Leichtigkeit eingespielt und sind nun als Schmankerl der Mozart Collection auf einer CD zusammengefasst erhältlich.

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