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Interview mit The Pierces zum alktuellen Album

The Pierces 2011_3
11.08.2011
The Pierces – “You And I” – Interview
Was würdet ihr als den Startpunkt für dieses Album bezeichnen?
Catherine Pierce [CP]: Wir hattten eine Sammlung von Songs. Das letzte Album war eingespielt und wir waren damit fertig, daran zu arbeiten. Wir wussten nicht, wohin wir als nächstes gehen sollten, weil wir auf einem Label waren, von dem wir nicht weg konnten und auf dem wir nicht sein wollten. Wir haben also tatsächlich beschlossen, uns als Band aufzulösen. Am nächsten Tag hat der Bassist von Coldplay, Guy Berryman, angerufen. Er hat uns gefragt, ob wir mit ihm zusammen arbeiten und mit Coldplay in Südamerika touren wollen. Wir haben dann gedacht, dass es ein Zeichen war, dass wir wieder zusammen kommen sollten. Wir haben dann doch nicht die Tour gespielt, aber letztenendes das Album mit Guy Berryman zusammen gemacht. Das war wohl wirklich der Startpunkt, dieser Anruf von ihm und der Prozess danach.
Waren die Songs zu dem Zeitpunkt schon alle fertig geschrieben?
[CP]: Die Songs waren alle schon geschrieben.
Allison Pierce [AP]: Ein paar der Stücke sind wahrscheinlich ein paar Jahre alt. So funktioniert das nun mal. Wir haben nicht wirklich für dieses Album geschrieben. Wir schreiben einfach immer Songs, wenn sie uns einfallen. Das waren also vielleicht insgesamt vier Jahre des Schreibens, von dem ersten Song bis hin zur Veröffentlichung des Albums.
Wolltet ihr die Songs auch schon früher veröffentlichen?
[AP]: Ein paar der Stücke sollten eigentlich auf unserem zweiten Album landen, was zwei Alben her ist. Das überschneidet sich alles also immer. Man weiß nie wirklich wo ein Song am Ende landen wird.
[CP]: Viele Songs [auf dem neuen Album] stammen aus einer bestimmten Zeitperiode. Wie haben beide sehr viel emotionales Zeug durchlaufen. Das ist da auf jeden Fall drin. Es gibt aber auch ein paar andere Songs, die älter sind und aus einer anderen Zeit stammen.
Ihr schreibt beide Songs. Wie ist da die Verteilung und könnt ihr den Schreibstil der jeweils anderen charakterisieren?
[CP]: Das ist ungefähr Hälfte Hälfte. Wir schreiben beide von einander getrennt. Wir sind wohl beide dabei sehr privat. Es gibt ein paar Songs, die wir zusammen geschrieben haben, aber das ist normalerweise dann, wenn eine von uns nicht mehr weiter kommt und man mit dem Refrain oder der Strophe Hilfe braucht. Aber es ensteht normalerweile dann, wenn wir uns über etwas in unserem persönlichen Leben Gedanken machen. Das ist fast so wie, als würde man in ein Tagebuch schreiben. Man lässt seine Gefühle heraus und daraus werden Songs und Alben. Dann hört es jeder [lacht].
Gibt es einen musikalischen Unterschied?
[CP]: Ihre Songs sind wohl ein bisschen folkiger als meine. Das ist irgendwie der Unterschied. So kann ich sie unterscheiden. Ich habe viele unterschiedliche Stimmungen, in denen ich schreibe [lacht].
[AP]: Catherine hat einen sehr vielschichtigen Schreibstil. Sie hat nicht ein spezielles Genre, in dem sie schreibt. Sie experimentiert viel herum. Ich bin auf jeden Fall spezifischer. Ich habe ein Faible für amerikanischen Folk. Catherine würde es wahrscheinlich lieben, ein Dance oder Rock Album oder Liebeslieder zu machen. Sie hat viele Stile.
Du musst sie also manchmal ein wenig kontrollieren und das Tempo drosseln?
[AP]: Für unser letztes Album „Thirteen Tales Of Love And Revenge“ haben wir es einfach laufen lassen und herumexperimentiert. Da hat ihr niemand etwas gesagt. Am Ende war das also ein sehr eklektisches Album. Bei diesem Album haben wir alle beschlossen, dass wir ihr das nicht sagen müssen, weil wir alle zu dem Entschluss gekommen sind, ein Album zu machen, das in sich geschlossener ist.
Gibt es eine vorherrschende Stimmung auf dem neuen Album?
[CP]: Dieses Album ist runder als das letzte Album, was die Stimmung angeht. Es baut ein wenig auf. Es fühlt sich aber auf jeden Fall nach einem kompletten Album an. Man kann es von Anfang bis Ende hören und es macht Sinn. Unser letztes Album hat irgendwie keinen Sinn gemacht. Das hat Spaß gemacht und manche Leute haben das daran gemocht. Wir wollten aber etwas machen, das sich wie ein Album anfühlte.
Warum hat das auf dem letzten Album nicht geklappt?
[CP]: Weil es einfach so ein Durcheinander war. Ein Song war ein langsames Liebeslied und das nächste Stück war dann seltsamer Jazz oder Country.
[AP]: Das war unser „White Album“. Ich will uns jetzt nicht mit dem „White Album“ vergleichen, aber dass sie so viele zufällige Stücke auf dem Album hatten, ist ähnlich. Das haben sie nicht bearbeitet, weshalb ich als Kind das Album geliebt habe. Es hat einfach so viel Spaß gemacht. Es ist in so viele unterschiedliche Richtungen gegangen.
[CP]: Sie konnten das aber machen, weil sie die Beatles waren und die Leute sie schon kannten. Deshalb hat man ihnen zugehört, was auch immer sie gemacht haben. Ich denke, unser letztes Album hat Leute verwirrt, weil sie uns nicht als etwas Bestimmtes kannten. Sie haben sich dann also gefragt: „Was sind sie denn? Jazz, Rock, Country oder Folk?“ Wir sind ein bisschen von all diesen Sachen, aber auf diesem Album sind die Sachen besser zusammengemischt. Beim letzten war es ein bisschen mehr zerstreut.
Wie haben sich die Pierces in den letzten Jahren entwickelt?
[CP]: Ich schaue manchmal auf unsere Karriere zurück und wünsche mir, wir hätten bestimmte Sachen anders gemacht. Oder wir hätten bestimmte Songs nicht auf Alben bringen sollen. Das ist aber wohl einfach nur unsere Reise und die Leute können uns dabei zuhören [lacht]. Keine Ahnung, ob das gut oder schlecht ist. Es war offensichtlich ein großer Wendepunkt für uns, als Guy dazu gekommen ist und uns geholfen hat. Wir mühten uns in der Vergangenheit ein wenig ab. Er hat das ganze stabilisiert und uns einen sehr guten Startschuss gegeben.
Welchen Einfluss hatte er auf den Sound?
[AP]: Rick Simpson, sein Co-Produzent, und er hatten einen klare Vision von dem, wo sie mit dem Album enden wollten. Gott sei Dank war es auch unsere Vision. Sie haben gesehen, was wir machen wollten und sie wussten, wie sie uns dorthin bringen konnten. Du weißt nie, wie es am Ende klingen wird. Man kann in ein Studio mit dem talentiertesten und berühmtesten Produzenten der Welt gehen, aber du weißt nicht, ob die Chemie oder ob die Kombination stimmt. Glücklicherweise war das hier so. Ich weiß nicht wirklich, wie ich es beschreiben soll, wie sie das gemacht haben. Es ist einfach passiert. Es funktionierte einfach: das Spielen und das Arbeiten.
Könnt ihr euch noch an einen besonderen Moment mit ihm erinnern?
[CP]: Wir haben an einem Song namens – war es „You´ll be mine“ oder „It will not be forgotten“? – gearbeitet.  Wir haben an einen dieser Songs gearbeitet. Ich glaube es war „It will not be forgotten“. Das war einer der ersten, den wir aufgenommen haben. Wir haben uns alle irgendwie angeschaut und gedacht: „Ja, so sollte das Album klingen!“ Das war so eine gute Basis für das Album. Es ist ein wirklich tolles Gefühl. Du bekommst einen Selbstbewusstseinsschub und weißt, dass es gut sein wird. Das haben wir auf jeden Fall früh im Aufnahmeprozess gefühlt. Das war aufregend.
Was kann man von so einer Person wie Guy lernen?
[CP]: Guy ist ein unglaublich hart arbeitender Mensch. Er ist sehr fokussiert, talentiert und positiv. In der Vergangenheit haben Allison und ich uns eher mit den negativen Dingen, die in unseren Leben passiert sind, beschäftigt. Auch wenn alles nicht so funktionierte, wie wir das wollten – also ein paar Schlaglöcher in der Straße auf unserem Weg und ein paar Sachen, die wir nicht geplant haben – hat er sich einfach darauf konzentriert, was richtig gelaufen ist. Er hat weiter eine positive Denkweise an den Tag gelegt. Wir haben dann gesehen, dass dich das aus dem Problem herausholt. Wir waren davon inspiriert, auch mehr in unseren Leben so zu sein. Das hat uns wirklich sehr geholfen.
Welche Probleme waren das genau?
[CP]: Ja, wir hatten Momente, in denen wir gedacht haben, dass es jetzt nicht so sein soll, nichts passiert und das führt nirgendwo hin. Das war auf jeden Fall ein wenig deprimierend, weil wir so viel Arbeit und Zeit in all diese Musik gesteckt haben und die Leute nicht so reagierten, wie wir uns das erhofft hatten. Oder sie haben es gar nicht gehört, weil unser Label es nicht veröffentlicht hat. Das war alles frustrierend. Das hat sich aber alles verändert, als wir unsere Einstellung verändert haben. Es hilft dir wohl in deinem Leben sehr, wenn du dein Denken veränderst. Es gibt dieses Sprichwort: „Wenn du nicht die Situation verändern kannst, dann verändere deine Einstellung.“ Sobald du das machst, verändert sich die Situation irgendwie auf magische Art und Weise.
Ihr seid jetzt schon euer gesamtes Leben zusammen unterwegs. Man kennt sich in- und auswendig. Kann man sich da eigentlich noch überraschen?
[AP]: Weil wir uns so gut kennen…wir überaschen uns aber immer noch. Sie überrascht mich immer noch. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich das Ende von dem gesehen habe, was sie machen kann. Ich glaube auch nicht, dass sie das von mir weiß. Ich kenne auch meine Grenze nicht. Hoffentlich werden wir das nie herausfinden [lacht].
[CP: Du glaubst, dass du jemanden sehr gut kennst, aber ihre Musik überrascht mich immer noch. Sie schreibt einen Song und ich denke: „Oh, wo kam das her? Das ist cool und interessant.“ Und hoffentlich gilt dasselbe für mich bei dir [lacht].
Helft ihr euch gegenseitig und erzählt euch eure Probleme?
[CP]: Ja, auf jeden Fall. Wenn in meinem Leben etwas passiert, das mich unglücklich macht, dann gehe ich auf jeden Fall zu Allison. Sie kommt auch manchmal mit ihren Problemen zu mir [lacht].
[AP]: Manchmal ist es schwer, zu der anderen Person zu sprechen, weil sie alle meine Fehler kennt. Wenn ich zu ihr gehe und sage: „Mein Freund hat dies und das gemacht.“ Dann sagt sie: „Oh, ich weiß genau, was du gemacht hast, so dass er wütend geworden ist und das gemacht hat.“ Das kann schwierig sein. Wir arbeiten aber daran und versuchen nicht immer zu wertend zu sein.
Mögt ihr es eigentlich lieber mit Band oder akustisch zu spielen?
[CP]: Das hängt davon ab. Manchmal ist es großartig, mit einer ganzen Band zu spielen. Dann hast du diese Energie hinter dir. Das fühlt sich gewaltiger an. Das ist natürlich effektiver, wenn du in einem großen Club spielst und das Publikum da mehr drin aufgeht. Wenn du aber die Akustik-Shows spielst, erinnerst du dich manchmal mehr daran, worum es in den Songs eigentlich geht, weil du die Gesichter der Leute sehen kannst. Das ist intimer. Es ist ruhiger und du gehst mehr in dich hinein, anstatt es in das Publikum herauszusingen. Das ist eher für dich selber, also für uns beide, weil es so klein und ruhig ist. Beides ist aber auf unterschiedliche Art und Weise gut.
Euer Wohnsitz ist in New York, wo ihr sehr lange schon lebt. Derzeit lebt ihr aber in London. Wie entspannt ihr in solchen Städten?
[AP]: Naja, man bleibt zuhause [lacht] und legt die Füße hoch. New York kann ein sehr schwieriger Ort zum Leben sein, so wie London. Man gewöhnt sich aber daran. Du findest deine kleine Nachbarschaft und die Orte, zu denen du gehst. In dieser großen, blühenden Welt erschaffst du dir dann deine eigene kleine Welt.
Ich habe gelesen, dass ihr es mögt, in New York spazieren zu gehen. Was mögt ihr daran?
[CP]: Weil die Wohnungen so klein sind, sind alle immer draußen auf den Straßen. Du siehst also die Leute, wie sie ihr Leben leben, wenn sie herumspazieren. Das ist sehr lustig. Man sieht die Leute, während sie auf den Straßen verrückte Streitereien am Telefon haben oder man sieht sie weinen, lachen oder wenn sie glückselig sind. Das ist alles so eine kleine Bühne. Man kann da hingehen und allen dabei zusehen, wie sie jeden Tag ihr Leben vortragen. Das ist lustig.
[AP]: Du siehst so verschiedene Menschen, weil Menschen aus der ganzen Welt nach New York kommen. Man muss sich nur 15 Minuten hinsetzen und sieht die seltsamsten Dinge, die man je gesehen hast. Oder man sieht die schönsten Sachen oder Menschen.
Ist Musik dann auch eine Flucht in so einer Stadt?
[CP]: Musikmachen an welchem Ort auch immer ist eine schöne Flucht. Das gilt besonders dann, wenn man im Studio ist, und in diese Welt gezogen wird. Dann können Stunden vergehen und du merkst das noch nicht einmal. Das ist ein Zeichen dafür, dass du etwas machst, das du wirklich liebst. Du bist wirklich in deiner Kunst drin, wenn die Stunden einfach nur so wie Minuten verfliegen.
Könnt ihr mir noch etwas aus eurer gemeinsamen Schulzeit erzählen? Ich habe gehört, ihr wart immer sehr wild.
[CP]: Allison hat als kleines Kind kleine Jungen gebissen und so Zahnabdrücke auf ihren Armen hinterlassen. Die Jungen sind dann immer zu den Lehrern gegangen und haben gesagt: „Jemand hat mich gebissen.“ Sie hatten dann diese kleinen Markierungen auf dem Armen und zeigten auf Allison: „Sie war es!“ Der Lehrer hat das dann nicht geglaubt, weil Allison wie ein kleiner Engel ausgesehen hat. Sie hatte diese kleinen Locken und die großen blauen Augen. Dann hat der Lehrer sie eines Tages erwischt, als sie das machte. Ich glaube nicht, dass sie dafür von der Schule geschmissen wurde, aber sie wurde verwarnt.
Ich habe auch gelesen, dass ihr zuhause Unterricht hattet…
[CP]: Wir haben zuhause Unterricht gehabt. Das lag aber nicht nur an Allisons Fetisch für das Beißen [lacht]. Wir waren Balletttänzerinnen. Viele Mädchen in der Ballettschule haben das gemacht, weil man so mehr üben konnte. Wir mochten die Schule einfach nicht, in der wir waren. Unsere Eltern wollten das, also haben wir es getan.
Habt ihr auch schon in der Schule gemeinsam Musik gemacht?
[CP]: Ja, wir singen zusammen, seit dem Kindesalter. Wir haben das bewusst professioneller angegangen, als wir mit dem Ballett aufgehört haben. Wir haben aber immer schon Musik gemacht.
Ihr seid ein Duo. Gibt es ein musikalisches Duo, das ihr besonders toll findet?
[CP]: Simon & Garfunkel sind wohl das Duo, das uns am meisten beeinflusst hat. Sie singen so gut zusammen. Ihre Stimmen ergänzen sich so gut. Sie sind beide großartige Sänger. Die Songs waren einfach unglaublich. Sie sind für uns als Vorbild das perfekte Duo. Ich bin von jedem beeindruckt, der einfach weiter macht und qualitative Musik herausbringt. Coldplay fallen mir da ein, weil wir mit ihnen zusammen gearbeitet haben. Sie machen das seit über zehn Jahren und bringen seitdem konstant sehr gute Musik heraus. Auch die Kings Of Leon machen das seit Jahren. Jetzt sind sie größer als sie es jemals waren. Ich mag die Geschichten, wenn es über die Jahre hinweg wächst, weil das auch bei uns so war [lacht].
Wie kam der Albumtitel zustande?
[CP]: „You And I“ fiel uns einfach ein. Es machte Sinn, weil „You And I“ für Allison und mich, für uns und dem Zuhörer und für die Geschichten oder die Beziehungen in den Songs steht.
 

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