The Rasmus | Biografie

The Rasmus Bio 2008

Wasserstoffblond und feixend kippelt Lauri Ylönen auf seinem Stuhl: „Ich verrate mal, wie unsere Freunde reagierten, sie meinten: ‘Himmel, das könnt ihr doch nicht machen!’ Ein tolles Kompliment, finde ich.“

Gemeint ist das siebte Studioalbum der erfolgsverwöhnten Finnen The Rasmus, das am 26. September unter dem Titel „Black Roses“ auf die mit Spannung wartenden Fans losgelassen wird. Drei Jahre sind seit der letzten Platte vergangen, in denen die vier Jugendfreunde fast 40 Länder betourten, 250 Konzerte spielten und dabei ein wenig außer Atem gerieten, wie Sänger und Songwriter Lauri sich erinnert: „Es war eine tolle Zeit. Wir jagten Pinguine in Kapstadt und spielten ein Radio-Akustikset vor 98.000 Menschen in Mexiko City. Ich habe tolle Geschichten und Eindrücke gesammelt, die ich nicht missen möchte, aber wir bezahlten das mit einem schleichenden Burn Out.“

Der auf der Band lastende Erfolgsdruck im Vorfeld des neuen Werkes war enorm: alleine 8 Emmas, das Pendant zum finnischen Grammy, den Echo 2004 als bester Newcomer, den World Music Award 2004 als bestverkaufende, skandinavische Band, sowie zweifacher Gewinner 2003 und 2005 der MTV European Music Awards als bester nordischer und finnischer Act sind nur einige der zahlreichen Trophäen, die The Rasmus in ihrer 14jährigen Karriere einheimsten.

Fast 2,5 Millionen Alben verkaufte die 1994 in der Schul-Aula debütierende Teenie-Rockband bisher weltweit. In der Heimat schossen sie bereits mit ihrer erste Platte „Peep“ (1996) in die Charts, damals noch ohne „The“ schlicht als Rasmus. Der gerade mal 17jährige Lauri beendet seine Schullaufbahn vorzeitig, denn der rasante Erfolg lässt schon jetzt keine Zeit mehr fürs Büffeln. Schlag auf Schlag geht es mit den Veröffentlichungen der nationalen Jungstars in den folgenden Jahren: 1997 erscheint „Playboys“, 1998 „Hell Of A Tester“ und 2001 „Into“, mittlerweile unter dem Bandnamen „The Rasmus“, um Verwechslungen mit dem schwedischen DJ Rasmus vorzubeugen. Man begibt sich unter die Fittiche von Manager Seppo Vesterinen, der sich schon mit den Landsmannen HIM bewährte, und ersetzt Drummer Janne Heiskanen, den es zur Selbstfindung nach Thailand zieht, durch Band-Merchandiser Aki Hakala. Nebenbei gründet man noch zielstrebig die finnische Bandkommune „Dynasty“ gemeinsam mit den Bands Kwan und Killer. Die Garage, in der stilecht alles begann, dient mittlerweile allenfalls als Hort für die Berge von Gold und Platinauszeichnungen, die es seit dem 2003er Hit-Album „Dead Letters“ und der internationalen Top Single „In The Shadows“ auch aus anderen Ländern regnet. 1,5 Millionen Mal verkauft sich allein dieses Album, war in zehn Ländern, u. a. in England, in den Top Ten, und führt auch in Deutschland, der Schweiz und Österreich die Charts an.

Lauri: „Plötzlich ordnete man uns einer bestimmten Szene zu und wir hatten das Gefühl, dass etwas Bestimmtes, Kategorisiertes von uns erwartet wurde, damit konnten wir nur schwer umgehen. Sich dieser Situation bewusst zu werden erforderte dringend eine Pause, die wir uns erst jetzt, nach dem 2005er Album „Hide From The Sun“ gegönnt haben. Es war toll noch mal ganz von vorne anzufangen, einfach alles vergangene vom Tisch zu wischen, neu in alle Richtungen zu stochern und die zurückgewonnene, kreative Freiheit auszuloten.“ Freiheit, die dem jungenhaften Mann so wichtig ist, dass er sie gerne mit ein paar Krähenfedern im Haar symbolisch wie stylisch markierte, was ihm den Spitznamen „Lintu“, finnisch für Vogel, einbrachte. Das Ergebnis des geplanten Befreiungs-Rückzugs präsentiert sich nun in elf wohldurchdachten und detailverliebten Songs auf „Black Roses“: Mutig, professionell, gespickt mit potentiellen Hit-Anwärtern und ganz schön poppig startet das Quartett in ihre „neue Ära“. „Wir bezeichnen den Sound als `Death Pop´. Über die neue Linie überlegten wir nicht lange, die Richtungskorrektur ergab sich ganz natürlich und entsprach unser aller Vorstellung.“

Trotz düster anmutendem Titel, wagen sich The Rasmus aus dem eigenen Schatten heraus und zeigen sich von ihrer bisher hellsten und freundlichsten Seite. Zur Inspiration logierte man unter südlicher Sonne auf der kleinen Kykladen-Insel Folegandros – ein Balkon über einer Klippe, die steil ins Meer abfällt und griechischer Wein sind der Stoff, aus dem „Black Roses“ entsteht. Lauri: „Gegen ein bisschen Druck ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber es ist ein negatives, destruktives Gefühl zu denken man müsse seinen eigenen Song schlagen. In Folegandros waren wir fern von allem, ganz entspannt und die Songs flossen uns nur so aus der Hand. Natürlich liebe ich es einen Hit zu haben, aber dazu gehört Glück und der richtige Moment, das ist nicht erzwingbar.“ Allerdings kann man Fortuna auf die Sprünge helfen oder das Glück hereinlassen, wenn es an die Tür klopft, zum Beispiel in der Person der Songwriter- und Produzentenlegende Desmond Child. „Desmond kontaktierte uns und meinte, er würde gerne bei The Rasmus mitmischen, da er unseren Sound sehr mag. Seiner Herkunft nach ist Desmond eine Mischung aus Ungar, Kubaner und Amerikaner und er ist ein großer Fan europäischer, sowie besonders auch skandinavischer Bands. Sein erklärtes Ziel war es, unseren unverkennbaren, finnischen Sound zu erhalten, vielleicht noch origineller zu gestalten und nicht etwa einen amerikanischen Hit-Verschnitt zu produzieren.“

Mister Child ließ es sich nicht nehmen Höchstselbst an der am 12. September erscheinenden ersten Single „Livin In A World Without You“ tatkräftig mitzuschreiben. Damit befinden sich The Rasmus in exzellenter Gesellschaft von Weltstars wie Kiss, die für ihren Überhit „I Was Made For Lovin’ You“ ebenfalls Child bemühten, Alice Cooper mit „Poison“ oder auch Ricky Martins’ „Livin’ La Vida Loca“, um nur ein paar Highlights der über 70 Top 40 Klassiker, an denen der Erfolgsproduzent mitwirkte und die auf über 300 Millionen Alben über die Ladentheken gingen, zu nennen. Lauri: „Desmond hatte sehr gute Ideen, die zu den Texten passten und war ein Meister, wenn es um die Feinabstimmungen geht. Aber auch Harry Sommerdahl unser Koproduzent leistete einen wertvollen Beitrag. Und trotz Desmonds’ Ruf als Hitmaschine, ist er ein sehr sensibler, tiefgründiger und künstlerisch veranlagter Mensch.“

Schließlich ist es dem Anleitungsbuch für Filmskript-Autoren, das Desmond Lauri in die Hand drückte, zu verdanken, dass „Black Roses“ ein ausgeklügeltes Konzept zugrunde liegt. Lauri: „In diesem Buch befanden sich Aufbau-Beispiele bekannter Filme wie `Star Wars´, `E.T.´ oder `Titanic´ und auf dieser Basis eines Film-Plots entwickelten wir die fiktionale Lebensgeschichte zweier Personen. Das Gerüst des großen Hollywood-Kinos folgt einem vierteiligen Grundkonzept: `Orphan´ (Waise), `Wanderer´, `Warrior´ (Krieger) und als letztes `Martyr´ (Märtyrer). Wir schrieben unsere Songs und ordneten sie den verschiedenen Bereichen unter. Oft diskutierten wir stundenlang über die Texte, bevor überhaupt eine Zeile festgehalten wurde, ganz anders als beim letzten Album. Aber natürlich kann man jeden Text auch in einer anderen Bedeutung lesen und auch die fiktionale Geschichte von `Black Roses´ wimmelt von echten Erinnerungsstücken.“
So tollt im Titelsong „Ten Black Roses“ das Protagonistenpaar gemeinsam über einen Friedhof, „eine Marotte von uns, das machten wir schon in vielen Städten. Es ist fast eine Art The Rasmus-Tradition“, grinst der Sänger und auch die schwarzen Rosen sind bedeutungsschwer: „Die ursprüngliche Idee hierzu stammt von unseren Fans. Sie haben sich angewöhnt schwarze Rosen bei unseren Gigs auf die Bühne zu werfen, hier gibt es also eine Verbindung ins wirkliche Leben. Im Song sind die schwarzen Rosen ein Geheimnis zwischen den beiden Liebenden: Sie liebt es die Blumen in ihr Haar zu flechten und er schickt ihr diese aus der Ferne. Der Refrain zu `Ten Black Roses´ entstand übrigens schon vor zehn Jahren – einige Ideen brauchen eben länger, bis sie richtig gar gekocht sind. Andere Stücke hingegen sind brandneu, wie die erste Single `Livin In A World Without You´ der erst in den letzten Monaten in Berlin entstand. Ein sehr elektronischer, mit Rap-Einlagen versetzter Song, sehr weit entfernt vom `In The Shadow´ Sound.“

Trotz der übermächtigen Präsenz des Erfolgsmannes Child, ließen sich The Rasmus nicht die musikalische Butter vom Brot nehmen, sondern tobten sich ganz nach eigenem Gusto aus. Neben einigem Glamrock der 80er sind es vor allem Keyboards, Samples und Synthesizertunes, die den Ausgangspunkt für die neuen Kompositionen liefern. Lauri: „Einiges veränderten wir ins Rockigere, ein paar Stücke blieben hingegen exakt wie in der ersten Demoversion erhalten. Ich empfinde sie als düster und stimmungsvoll, mit etwas Depeche Mode-Feeling. Wohingegen ein Song wie `Dangerous Kind´ eher an unsere funky Anfangstage anknüpft.“ Auch ein Heer von Streichern und orchestralem Bombast, bis hin zu augenzwinkernden Anleihen aus Carl Orffs „Carmina Burana“ in „Lost And Lonely“ gibt es zu entdecken und immer schwingt eine ordentliche Portion Ironie und Humor mit, die vor allem von den hervorragend lebendig und selbständig arrangierten Bass und Gitarrenläufen auszugehen scheint. „Ich bin sehr selbstbewusst mit dem neuen Album im Rücken“, freut sich der Bandchef und daher verzichtete man folgerichtig auf das Einflechten von Kooperationen, die nicht zum neuen Bandgefühl und Konzept passen. Der bereits fertig gestellte Track mit Nightwish-Sängerin Anette Olzon muss daher noch ein wenig warten auf seine Veröffentlichung warten.

Lange vor den anstehenden Touren, sah „Black Roses“ schon in der Entstehungsphase viele Orte. Aufgenommen wurde in Finnland, Schweden, Singapur und Berlin, die meiste Zeit allerdings tüftelte man in Nashville, Tennessee, dem Graceland aller Country-Jünger und Wohnsitz von Desmond Child. Lauri lacht ausgelassen, dabei spricht er Nashville mit breitestem Akzent aus, als wäre er den weiten Weg von Helsinki geritten: „Keine Grund zur Beunruhigung, wir haben uns nicht von Lagerfeuerromantik und Western-Style anstecken lassen. Wir waren so was wie die Outlaws in der Stadt, denn wir trugen ja nicht DEN Hut… So war permanent für jeden ersichtlich, dass wir nicht dazu gehörten. Es war schon eine irre Erfahrung in Bars 1000 Leute Country-Klassiker mitschmettern zu sehen. Jeden Tag aßen wir Riesenportionen Fleisch, ein nachhaltiges Mitbringsel, an dem wir gerade noch zehren“, grinst er und klatscht sich auf den Bauch. Und mit gewohnt heller, eher zurückhaltender Stimme fasst Lauri Ylönen die Stimmung im The Rasmus-Lager 2008 zusammen: „Wir sind neu erwacht und fühlen uns super, wahnsinnig energiegeladen und richtig aufgeregt wie `Black Roses´ bei euch ankommt.“ Die steinerne Rose des selbstentworfenen Covers gleicht einem Kompass mit fünf Richtungen, eine steht für das Ungewisse und genau dahin machen sich The Rasmus gut gelaunt und voller Tatendrang jetzt auf die Reise.
Yvonne Zymolka
Mehr von The Rasmus