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Der vergessene Haydn

15.10.2008
Auch Opern unterliegen Modeströmungen. Mancher Komponist war lange Jahrzehnte vergessen, bis man ihn z.T. durch Zufälle, in der Regel aber durch das Engagement einzelner Künstler wieder entdeckte. Man kennt Haydn natürlich vor allem als großen Meister der Symphonien und Streichquartette. Aber Opern und Gesangswerke? Da ist nach dem Oratorium “Die Schöpfung” und den Messen schnell Schluss. Das musste auch Thomas Quasthoff feststellen, als er sich an die Recherche für ein Album mit Haydn-Arien machte. In den Archiven der Deutschen Grammophon und deren Schwesterfirmen fand er heraus, dass es nur einen deutschen Bariton, nämlich Dietrich Fischer-Dieskau gab, der sich immerhin 1969 dieser Partien angenommen hatte. Grund genug, um sich kurz vor Beginn des Haydn-Jahres 2009 mit diesem großen Komponisten zu beschäftigen.
Joseph Haydn verdiente gutes Geld und führte ein überwiegend sorgloses Leben. Seit den 1760er Jahren war er der Fürstenfamilie Esterházy verpflichtet und er blieb es auch, als er eigentlich nicht mehr in der österreichischen Abgeschiedenheit (und wahlweise in Wien) hätte leben müssen. Mitte der 1790er Jahre war der Komponist zum Star des Londoner Musiklebens aufgestiegen, führte regelmäßig neue Symdphonien auf und wurde ausgiebig gefeiert. Trotzdem zog es ihn zurück in die alte Heimat, an seine Stelle bei den Esterházys. Es hatte durchaus auch Vorteile, nicht in der Hektik der englischen Hauptstadt leben zu müssen.

Denn der jüngste Fürst Esterházy, der im Unterschied zu seinen Vorgängern mehr an den bildenden Künsten als an Musik interessiert war, beauftragte Haydn in der Regel lediglich mit einer Messe pro Jahr, die am Namenstag seiner Frau Maria Hermenegild aufgeführt wurde. Der Komponist nützte diese weitgehende künstlerische Freiheit, um an geistlichen Werken und seinen beiden Oratorien “Die Schöpfung” und “Die Jahreszeiten” zu arbeiten. Um 1800 ließ die Schaffenskraft langsam nach. Haydn blieb in Wien,  kümmerte sich um einige wenige Werke, sein Privatleben (nach dem Tod seiner Frau heiratete er seine langjährige Geliebte) und starb schließlich am 31.Mai 1809 als der wohl bekannteste österreichische Komponist seiner Generation.

Opern komponierte Joseph Haydn dabei vor allem von 1775 an bis etwa 1790. Wieder war es ein Esterházy, der dazu den Ausschlag gab, denn der damalige Prinz Nikolaus war ein großer Liebhaber des Musiktheaters und beauftragte den Hofkomponisten mit neuen Werken, die dann neben zahlreichen anderen im Palast in Esterháza am Neusiedlersee zur Aufführung kamen. Haydn schrieb insgesamt sieben vollständige Opern zwischen 1775 und 1783 und verschiedene weitere Arien für Kollegen. Eine Musical Comedy für die Wiedereröffnung des King’s Theatre in London 1791 allerdings wurde erst 1951 uraufgeführt. Was nicht heißt, dass Haydn der Opernwelt nicht viel zu geben hätte. Im Gegenteil: “Als Sänger fragt man sich immer, wie man sich mit seiner Stimme am besten ausdrücken kann und wo man Gelegenheiten findet, die verschiedenen Farben darzustellen”, erklärt der Bariton Thomas Quasthoff seine Entscheidung für die Arbeit an Haydn Arien. In Arien wie Creontes ‘Il pensier sta negli oggetti’ oder ‘Chi spira e non spera’ hat Haydn in einer Weise geschrieben, die meiner Stimme und meinem Gesangsstil sehr schmeichelt, weil er ein paar außergewöhnlich schöne Kantilenen anbietet, die es meiner Stimme erlauben, frei zu fließen". Für das Album “Haydn: Italian Arias” hat er Melodien aus insgesamt sieben Opern des Meisters zusammengetragen und zu einem dramaturgisch ausgewogenen Programm kombiniert. Das Spektrum reicht vom tölpelhaften Bauern Villotto aus La Vera constanza bis zum anmutigen Non aver di me sospetto aus “ Il mondo della luna” und Thomas Quasthoff gelingt es, gemeinsam mit dem ungemein lebhaft agierenden Freiburger Barockorchester unter der Leitung von Gottfried von der Goltz, mit Charme und Charisma einen verschütteten Kosmos musikalischer Juwelen wieder in Erinnerung zu rufen, die nun womöglich wieder leichter auch den Weg auf die Bühnen der Opernwelt finden.

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