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Till Brönner – That Summer

04.06.2004
Till Brönner ist eine Marke. Immer brillant, egal vor welchem Hintergrund. Daß er sowohl die Klaviatur des Jazz als auch die gegenwärtige musikalische Landschaft bis ins Detail verinnerlicht hat, weiß man nicht erst seit seinen zahlreichen Arbeiten und Projekten mit Künstlern der Marke Hildegard Knef, Pat Metheny, Bootsy Collins, Mousse T., Ray Brown, den 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker, Klaus Hoffmann, Natalie Cole oder gar jüngst den No Angels.
Doch nun scheint der multitalentierte Musikomane eine entscheidende Zäsur zu machen:"That Summer" ist das betörende Ergebnis eines mehrwöchigen Aufenthaltes in einer Blockhütte im kanadischen Ontario, den der Trompeter, Sänger, Arrangeur, Produzent, Radiomoderator und Komponist sich offenbar zum richtigen Zeitpunkt selbst verordnete. Zwölf musikalische Kurzgeschichten, wie sie wärmer und sommerlicher nicht klingen könnten, melancholisch und elegisch, fordernd und zurückhaltend zugleich, manchmal verletzt und voll emotionaler Erinnerungen und gelebter Gefühle.
Brönner singt, und das fast ein ganzes Album lang, denn es sind auch die Texte seines langjährigen musikalischen Partners Rob Hoare, die dazu beitragen, daß man bei “That Summer” das Gefühl hat, es handele sich hier um eine dringliche Mitteilung. Die Trompete, Brönners eigentliche Stimme ist ihm dabei so nah wie je zuvor, denn sie kommentiert besonnen jeden Ausschlag auf der emotionalen Richterskala und überläßt uns danach sanft unseren Eindrücken.
Der Anfang ist mit “Your Way To Say Goodbye” gleich auch ein Abschied. Die sanft schwebende Bossa Nova mit dem unwiderstehlichen Hook blickt ironisch auf eine ungleiche Affäre zurück. Sie muß nicht “Auf Wiedersehen” sagen, denn ihre Taten sprechen längst eine klare Sprache…
“Bein' Green”, einer der wenigen Coversongs dieses Albums, ist tatsächlich die traurige Kermit-Ballade aus der Sesamstraße, deren farbenblindem Sentiment schon Frank Sinatra nicht widerstehen konnte. Till Brönner, der bestimmt auch ein Lied davon singen kann, was es bedeutet, ein bißchen anders zu sein, singt dieses reflektierte, tiefernste Selbstzeugnis in einer ungezwungenen Version, die mitten ins Herz trifft, untermalt von erhebenden Streicherarrangements und bacharachschen Bläsern aus seiner Feder.
“High Falls”, eine Beziehungskiste im Irrstrom Richtung Wasserfall, fließt swingend brasilianisch, singend sanft, bis sie in einem wunderschönen Flügelhornsolo brönnerscher Manier gipfelt. Eine bittersüße Kombination, die sicher auch Hildegard Knef gefallen hätte..
Der Standard “When Your Lover Has Gone” kommt eher entspannt als enttäuscht um die Ecke und man glaubt inmitten dieser melancholischen Stimmung irgendwo noch das vergessene Halstuch von Claus Ogermann rumliegen zu sehen.
“Estrada branca” (das auch als “This Happy Madness” bekannt ist), eine Komposition des “Girl From Ipanema”-Dreamteams Antônio Carlos Jobim und Vinícius de Moraes, begeistert als instrumentales Tonpoem, welches am Strand gerne auch mal eine halbe Stunde in der Schleife laufen darf.
Der poppige, brasilianisch-klingende und Jobimgewidmete “Antonio’s Song” ist auch ein Tribut an dessen Autoren und ursprünglichen Interpreten, den amerikanischen Sänger und Songwriter Michael Franks, dessen Stimme laut vielen Kennern der von Till Brönner ziemlich gleicht – oder eben eher umgekehrt. Franks ist übrigens gern gehörter Gast in der “Till-Brönner-Show” beim Klassikradio, immer freitags und sonntags von 20 bis 22 Uhr.
“Ready Or Not”, der vielleicht hipste Song des Albums, geistert stilistisch durch einen wilden Freitagabend, dessen Ausgang noch keiner vorherzusehen vermag. Ist es Jazz, ist es Pop, gehe ich heute abend alleine nach Hause oder beginnt morgen eine neue Zeitrechnung? Ein Großstadt-Soundtrack.
“After Hours” serviert uns zu später Nacht den Blues. Ein regnerischer Heimweg, die Zeit steht still, die Sentimentalität bleibt und eine Trompete zaubert die Dämmerung an den Horizont.
“So Right, So Wrong” ist wieder so ein unvergeßlicher Popsong mit beseeltem Westcoast-Hook, wie ihn das Team Brönner/Hoare gern aus seinem Hut zaubert. Schnörkellosigkeit und Sehnsucht nach Vertrautem bestimmen eine Komposition, die sich unweigerlich in die Gehörgänge schraubt und einen auch lange nach Genuß dieses Albums noch nicht verlassen mag.
Auf der gegenüberliegenden Seite dieses kollaborativ-kompositorischen Spektrums liegt wohl “Wishing Well”. Eine traurige Ballade, anfangs nur mit Piano zum Gesang, später auch mit Gitarre und Streichern. Und natürlich einem seelensezierenden Trompetensolo.
Den offiziellen Abschluß, der in gewissem Sinne auch ein Neuanfang ist, bildet der “Rising Star”, ein bemerkenswert magischer Track, der jedem selbst überläßt, an was ihn dieses musikalische Bündel Wärme erinnert. Till Brönners Flügelhorn schwebt über allem, was dieser Track an Fundament für ihn zur Verfügung stellt und spricht einem direkt ins Herz. Dies ist der besagte, sprichwörtlich gewordene “Brönner-Sound”.
Spätestens an diesem Punkt, wenn man alles gehört hat und langsam zu verarbeiten beginnt, wird deutlich, was für eine Herzensangelegenheit der profilierte Preisträger und Produzent, Dozent und Live-Performer seinem Publikum hier schenkt. Vielleicht war alles bisher, die eigenen Alben, Kooperationen mit Gott und der Welt und nicht zuletzt die anhaltenden kontroversen Diskussionen um ihn, Till Brönner, erst das Vorspiel. Der nächste Sommer kommt und geht bestimmt. “That Summer” aber bleibt – im Ohr, im Kopf, im Herzen.

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