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Requiem für zwei Freunde: Valery Gergiev

19.03.2001
Verdi war Opernkomponist. Jawohl. Doch als er trauerte, schrieb er ein Requiem, das jede Opernbühne sprengt. Valery Gergiev bändigte Verdis romantische Urgewalt mit einem hochkarätigen Sängerquartett: Renée Fleming, Olga Borodina, Andrea Bocelli und Ildebrando D’Archangelo.
Ein Jahr lang hörten wir Musik von Johann Sebastian Bach und ließen uns bis in die letzte Faser unserer atheistischen Herzen durchdringen vom ruhigen Fluss lutherisch-barocker Sakralmusik. Und jetzt Verdi. Giuseppe Verdi, der Libretti rauf und runter vertonte, der Opern zwar wie am Fließband produzierte aber sie nie nach Routine, gar Serienproduktion klingen ließ. Giuseppe Verdi, der zur katholischen Kirche seiner Heimat am liebsten gar kein Verhältnis hatte, schrieb in seinen späteren Jahren dennoch Kirchenmusik. Oder eben Musik zu liturgischen Quellen. Wenige Texte thematisieren so direkt Leben und Sterben der Menschen, fragen so unmittelbar nach dem Sinn unseres Daseins wie die Zeilen der Totenmesse. Ein starkes Libretto, ohne Zweifel. Auch für Verdi, denn er komponierte seine “Messa di Requiem”, als hätte er in seiner ganzen Opernlaufbahn kein bewegenderes Libretto zur Vorlage gehabt.
 
Dieser Eindruck kommt nicht von ungefähr. Denn die Entstehungsgeschichte des Verdi-Requiems begann mit einem kleinen Schritt in die falsche Richtung. Am 22. Mai 1873 besuchte Alessandro Manzoni, vielverehrter Literat und glühender Vertreter der italienischen Freiheitsbewegung eine Kirche. Als er wieder in die Sonne trat, stolperte der 88-Jährige auf der Treppe, stürzte und starb. Verdi verehrte Manzoni, litt unter dessen Tod und sagte alle Einladungen zum Begräbnis ab. “Wenn ich wieder bei Kräften bin, werde ich auf meine Art sein Gedenken ehren”, schrieb er an seinen Verleger Ricordi und schlug innerhalb weniger Tage ein Requiem vor, das zum ersten Todestag Manzonis aufgeführt werden sollte. Das bereits 1868 für die “Messa per Rossini” komponierte “Libera me” wurde – allerdings leicht verändert – zum Grund- und Schlussstein seines Requiems, das wie geplant am 22. Mai 1874 in Mailand zur Uraufführung kam. Tief überzeugt von der emotionalen Kraft der Musik komponierte er eine Totenmesse, strotzend von strahlender Lebendigkeit.
 
Zumal wenn Valery Gergiev dirigiert und eine Glanzbesetzung zur Verfügung hat: Chor und Orchester der Kirov Oper, Andrea Bocelli, der gerade erst mit Verdi-Arien Furore machte, Renée Fleming und Olga Borodina, die in zahlreichen Verdi-Opern weltweit auf der Bühne stehen, und Ildebrando D’Arcangelo, einer der herausragenden Verdi-Bässe. Verdis Requiem ist romantisch und hochtheatralisch. Lyrisch-ruhige Harmonien – das schönste Tenorsolo außerhalb des Opernrepertoires! – durchschnitten von den schrillen Fanfaren des “Dies Irae”, peinigender Schrecken des Jüngsten Gerichts. Das ist dieselbe Musik, wie sie Verdi Jahr für Jahr auf die Opernbühnen Europas zauberte – Reminiszenzen an seine “Die Macht des Schicksals”, an das Finale aus “Don Carlos” und den großen Tempel-Chor aus “Aida” inklusive – gewandelt zu einer Trauermusik von Schönheit und Andacht.

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