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Wayne Shorter wird 70

22.08.2003
Unter den großen Genies des Jazz war Wayne Shorter immer eines der unauffälligsten. Statt der Presse schlagzeilenträchtige Skandale zu liefern, beschränkte sich der Saxophonist lieber darauf, sein Publikum mit oftmals schlichtweg atemberaubenden Alben zu beschenken.
Dabei beugte er sich auch nie dem Druck der Plattenfirmen, die von ihren Stars am liebsten alljährlich ein neues Album herausbringen möchten, sondern nahm seine Platten stets nach seinem ureigenen Rhythmus auf. Vieljährige Pausen (einmal gar neun Jahre!) zwischen zwei Alben waren keine Seltenheit. Daran wird Wayne Shorter wohl auch in Zukunft nichts ändern. Am 25. August feiert das nach wie vor etwas rätselhafte Genie nun seinen 70. Geburtstag. Ein Alter, das man dem Saxophonisten und Komponisten weder ansieht noch anhört.
Der am 25. August 1933 in Newark/New Jersey geborene Wayne Shorter war eigentlich ein musikalischer Spätstarter. Erst mit 16 Jahren begann er Klarinette zu lernen, machte dann aber so schnell Fortschritte, daß er mit 23 Jahren bereits sein Diplom als Musikerzieher in der Tasche hatte. Noch während seiner Studienzeit an der New York University spielte Shorter, der mittlerweile zum Tenorsaxophon gewechselt hatte, mit Sonny Stitt, Horace Silver und John Coltrane, von dem er auch einige private Unterrichtsstunden erhielt. Als er nach dem Armeedienst in New York seine Musikkarriere begann, präsentierte sich Wayne Shorter anfangs als sehr stark von John Coltrane beeinflußter Tenorsaxophonist.
Sein erstes wichtiges Engagement erhielt er damals in der Band des Trompeters Maynard Ferguson, in der auch ein gewisser Joe Zawinul tätig war. 1959 wurde Shorter Mitglied von Art Blakeys Jazz Messengers, wo er – als Hauptsolist und -komponist sowie musikalischer Leiter – schon bald zum eigentlichen Leader der Band avancierte. Erst 1964 und nach mehreren vergeblichen Abwerbungsversuchen gelang es Miles Davis den Saxophonisten aus Blakeys Diensten loszueisen und ihn in sein eigenes Quintett zu holen. Gemeinsam mit Miles, Herbie Hancock, Ron Carter und Tony Williams schrieb Shorter dann eines der fabelhaftesten Kapitel der gesamten Jazzgeschichte. Sechs Jahre blieb Shorter, der schon seit 1959 auch Aufnahmen unter eigenem Namen veröffentlichte, an der Seite von Miles Davis und vollzog mit diesem den Wechsel vom modalen Jazz zum Jazz-Rock. Wie schon bei Blakey tat sich Shorter auch bei Miles nicht nur als (längst von Coltrane emanzipierter) Solist auf Tenor- und Sopransax hervor, sondern auch als Komponist. Im November 1970 schlug dann die Geburtsstunde eines weiteren Ensembles, das in die Jazzgeschichte eingehen sollte: Mit Keyboarder Joe Zawinul und Bassist Miroslav Vitous gründete Shorter die Jazz-Rock-Band Weather Report, die mit ständig wechselnden Besetzungen bis Mitte der 80er Jahre bestand. Während all dieser Weather Report-Jahre brachte Shorter nur ein einziges Soloalbum heraus: den Klassiker “Native Dancer" von 1974.
Zwischen 1985 und 1988 durchlebte der Saxophonist nach Meinung vieler Kritiker seinen kreativen Tiefpunkt. Die drei in diesem Zeitraum entstandenen Alben "Atlantis", "Phantom Navigator" und "Joy Ryder" gelten als die enttäuschendsten Einspielungen in Shorters ganzer Karriere. Erst 1994 meldete sich der Saxophonist danach mit einem neuen Soloalbum zurück. Das für Verve aufgenommene Album "High Life" erhielt glänzende Kritiken und "rehabilierte" Shorter in der Jazzwelt. 1997 spielte er mit Herbie Hancock dann das mit einem Grammy ausgezeichnete Duo-Album "1+1" ein. Auf das zweite Verve-Soloalbum ließ der eigenwillige Künstler seine Fans jedoch bis 2002 warten.
Für seine Kompositionen, Alben und Soli erhielt Wayne Shorter bislang fünf Grammys, zu denen man noch einen weiterer Grammy addieren darf, den der Saxophonist 1979 als Mitglied von Weather Report überreicht bekommen hatte. In der Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe von FonoForum bescheinigt Autor Tom Fuchs Wayne Shorter, daß er "das Potential eines Duke Ellington, Charlie Parker oder John Coltrane" habe. In dem Gespräch mit Fuchs gestand Shorter: "… wir Amerikaner sind ein hektisches Volk, auch in der Kunst. Ich jedoch werde nicht in den Fehler sogenannter ‘Filmschaffender’ verfallen und mittelmäßige Produkte abliefern. Diese Streifen sind doch schnell vergessen und ebenso ergeht es vergleichbarer Musik."
Daß die Musik Wayne Shorters nicht nur "nicht schnell vergessen" ist, sondern immer wieder aufregend neu und frisch klingen kann, obwohl sie zum Teil schon vor mehreren Jahrzehnten komponiert wurde, machten seine beiden letzten Soloalben für Verve deutlich. Sowohl auf dem letztes Jahr erschienenen Live-Album "Footprints Live!" als auch auf dem dieses Jahr veröffentlichten Studiowerk "Alegría” begeisterte Shorter u.a. mit Revisionen älterer Kompositionen. Und daß diese Revisionen früherer Werke bei dem Genie Wayne Shorter nicht auf einen Mangel an Phantasie zurückzuführen sind, machten die beiden brillanten Alben mehr als deutlich. Da sieht man mit Spannung auch noch dem achtzigsten, neunzigsten, hundertsten Geburtstag des komponierenden Saxophonisten entgegen.

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