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Eine bemerkenswerte poetische Begabung

31.01.2003
Gerade eben 20 Jahre alt, hat Yundi Li bereits einen beachtlichen Karriere-Start hingelegt. Nach seinem Sieg beim Warschauer Chopin-Wettbewerb 2000 (die Juroren haben zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder einen 1. Preis verliehen) nahm die Deutsche Grammophon den zierlichen Chinesen aus Tschongking als Exklusivkünstler unter Vertrag.
Mit seiner Debüt-CD präsentierte er Musik von Frédéric Chopin: dessen dritte Klaviersonate h-moll, “Andante spianato” und “Grande Polonaise brillante”, Etüden, Nocturnes und das “Fantaisie-Impromptus cis-moll”. Die Kritik war nicht nur in Yundi Lis Heimat begeistert: “Sein Ton ist wunderschön, im fortissimo wie im piano, die gesamte Aufnahme ist makellos”, schwärmte das BBC Music Magazine. “Was aber vor allem zählt”, schrieb die Times, “ist seine bemerkenswerte poetische Begabung, kombiniert mit einem entschlossenen Zugriff auf die großen, tragenden Strukturen eines Stücks.” Für den Chopin hat es in Hongkong bereits “Platin” gegeben.
 
Jetzt hat Yundi Li seine zweite CD aufgenommen und widmet sich einem weiteren großen Romantiker der Klavierliteratur: Franz Liszts. Die monumentale h-moll-Sonate stellt er neben Glanzstücke wie die “Tarantella”, die “Rigoletto-Paraphrase” und Albumblätter wie den “Liebestraum Nr.3”. “Die h-moll-Sonate ist wie das ganze Leben eines Menschen”, sagt Yundi Li über das “Opus summum” von Franz Liszt und ergänzt: “am Anfang die Geburt, am Ende der Tod. Sie passt einfach perfekt zu mir, sie ist wie für mich gemacht. Ich kann alle Ideen, alle Gedanken, die ich über mein eigenes Leben habe, in die Musik hinein geben. Das ist schwer zu erklären, aber ich weiß es, ich spüre: Es geht aus meinem Herzen direkt in die Finger.” Kennen gelernt hat er die h-moll-Sonate 1999 als Pflichtstück des Internationalen Liszt-Jugend-Wettbewerb in Utrecht. Stand am Anfang der Beschäftigung noch die Auseinandersetzung mit Literatur über das Werk und herausragenden Aufnahmen, so entwickelte sich Yundi Lis Arbeit mehr und mehr zu einer persönlichen Herausforderung: “Am Ende muss alles ganz natürlich kommen, da darf nichts gemacht klingen. Man muss solange geübt haben, bis das Stück aus dem eigenen Herzen kommt. Man muss es immer und immer wieder üben und spielen und kommt jedes Mal tiefer in das Stück hinein, man verbindet sich mit der Musik.” Mit präziser Fingertechnik und subtilem Gespür für Klang-Nuancen gestaltet Yundi Li die Liszt-Sonate als aufwühlenden, eine halbe Stunde umspannenden Bogen. Und dem Zuhörer bleibt nur die Erkenntnis, dass Reife im Ausdruck nicht zwangsläufig an der Summe der Lebensjahre abzulesen ist.
 
Trotz aller früher Erfolge bleibt Yundi Li Realist. Die Zahl seiner Konzertauftritte hält er bewusst überschaubar. Er ist nach wie vor Student an der Musikhochschule Hannover, möchte das Miteinander unter Gleichgesinnten (und Gleichaltrigen) nicht missen und hat in Arie Vardi einen Lehrer und Vertrauten, der ihm schon bei den Vorbereitungen für den Chopin-Wettbewerbs souverän beigestanden hat. Ebenso bewusst pflegt er seinen Alltag, um nicht abzuheben, und genießt es, “Tischtennis zu spielen, zu schwimmen, mit Freunden essen zu gehen oder einfach zu reden, so wie es jedermann gern tut.” Manchmal lässt er sogar sein Instrument eine Weile unbeachtet. “Aber das ist kein Problem: Wenn ich zurückkomme und das Klavier wieder anfasse, dann ist etwas Neues hinzugekommen. Man muss sich immer wieder von sich selbst überraschen lassen. Nach einer Woche Ferien mit Freunden ändern sich auch die Gefühle, dann wird etwas aus dem anderen, dem Nicht-Musik-Leben übernommen.”
 
Die letzten beiden Jahre hat Yundi Li vor allem Solo-Recitals gegeben. Nun aber, nach der Liszt-Aufnahme, werden es vermehrt Auftritte mit Orchester sein. Und als nächste Einspielung ist das Klavierkonzert von Edvard Grieg anvisiert.

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