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Elektrisierendes Klavierspiel – Yundi interpretiert Beethoven und Schumann

Yundi
© Chen Man / Mercury Classics
14.03.2014
Romantische Klaviermusik geht direkt zu Herzen. Sie bringt etwas zum Ausdruck, das unmittelbar an menschliche Regungen anschließt. Kaum eine andere Musik ist so sehr mit der modernen Lebensform verknüpft wie die romantische. Kaum eine andere Musik zielt so sehr auf das ab, was moderne Menschen in ihrem Leben anstreben: Selbstverwirklichung, den Ausdruck der eigenen Persönlichkeit.

Unangefochtener Beethoven

Die Kristallisationsfigur des Übergangs in die romantische Musik ist im 19. Jahrhundert Ludwig van Beethoven. Mit seinen Klaviersonaten, seinen Sinfonien und Klavierkonzerten schuf er expressive Werke von überzeitlicher Gültigkeit. In diese Werke fließen seine Gefühlsregungen genauso ein wie die Wallungen des Zeitalters, in das er sich hineingeboren sah. Dabei spielt das Klavier eine besondere Rolle. Beethoven hob die Klaviermusik auf eine Stufe mit der Kammermusik und der Sinfonie. Dadurch bekommt der Pianist eine herausragende Stellung. Er ist nicht nur ein Ausführender, sondern steht im Mittelpunkt des romantischen Abenteuers. Er ist Mitschöpfer dieser Musik, und er muss selbst etwas von dem romantischen Furor in sich tragen, um die Glut einer solchen Musik am Leben zu erhalten.

Yundis Leidenschaft

Yundi ist ein Mann, der hiervon etwas versteht. Der junge Chinese, der bereits mit 18 Jahren den hochangesehenen Chopin Wettbewerb in Warschau gewann und heute als einer der bedeutenden Pianisten weltweit gilt, glüht innerlich. Er will immerzu voran. Es gibt keinen Stillstand bei ihm. Er tourt und tourt. Zugleich ist er enorm konzentriert, gibt immer sein Bestes, was nie gut genug sein kann. Ein Mann, der ganz für die Musik lebt. Der sich alles abverlangt im Dienste der Musik. Der das Publikum mitreißen will, das es ihm begeistert dankt. Und was ihn dabei an die romantische Klaviermusik bindet, das ist der Ausdruck des menschlichen Gefühls. Das mache diese Musik, wie er in einem Interview bekennt, so unwiderstehlich. Yundi weiß natürlich, dass 200 Jahre vergangen sind seit dem Aufbruch der Romantik. Wir leben heute in einer digitalen Zeit, die mit der Welt Beethovens oder Chopins nicht mehr so viel gemein hat. Aber was bleibt, so Yundi, sind die Leidenschaften des Menschen, die genauso wenig vergehen wie ihr Ausdruck in der Musik.

Flink und klar

Das fünfte Klavierkonzert, das den Auftakt von Yundis neuem Album für Deutsche Grammophon bildet, ist Beethovens letztes und gilt als bahnbrechend. Der Komponist vollendet in ihm seine sinfonische Verwandlung des Genres. Komponiert in Es-Dur, erinnert das Werk stellenweise stark an die Eroica, Beethovens dritte Symphonie, die ebenfalls in Es-Dur komponiert ist und auf die heldischen Möglichkeiten des Menschen verweist. Als Beethoven das fünfte Klavierkonzert schuf, standen gerade Napoleons Truppen vor Wien. Es war eine Zeit in Bewegung. Die Französische Revolution lag gerade ein paar Jahre zurück. Ständig veränderten sich Grenzen. Ständig wurde neu gewürfelt. Aber dadurch entstand auch das Gefühl, dass immer etwas möglich ist. Es geht voran.
Yundi kommt diese Gestimmtheit entgegen. Er kann nicht nur seine Spielfreude, die ungeheuer flinken Bewegungen seiner Finger, in dieses Werk hineinlegen, sondern auch seine Kraft. Bei jedem Anschlag hört man das Hervorpreschende dieses Pianisten, das so gut zu Beethovens Pathos passt. Bisweilen hat man das Gefühl, das Klavier entwickle einen Sog und ziehe das Orchester regelrecht hinter sich her. Die Dominanz des Klaviers ist enorm, aber das ist auch das Verdienst von Dirigent Daniel Harding. Die fein justierte Diskretion des Orchesters ermöglicht es Yundi, sich zu exponieren.

Schumanns Ringen

Die Fantasie C-Dur von Robert Schumann ist zarter als Beethovens Klavierkonzert, aber verglichen mit anderen Werken des hochsensiblen Komponisten charakterlich durchaus entschieden. Schumann komponierte das außerordentliche Werk, das heute zum Kanon der romantischen Klavierliteratur zählt, als er sich mit Clara Wieck verbinden wollte und der Vater der jungen Pianistin sich gegen die Beziehung stellte. „Der erste Satz“, schrieb Robert an Clara, „ist eine tiefe Klage um Dich“. Doch es bleibt nicht bei einer Klage. Man spürt in dem Werk auch das Ringen. Schumann hat seine Pläne noch nicht aufgegeben. Er kämpft.
Yundi spielt das Werk in kühnem Zugriff und kraftvoll. Er macht es sich wahrhaft zu Eigen. Die langen Läufe interpretiert er mit klarer Diktion. Nichts wird verwischt, und man hört, dass Schumann nicht nur ein genialer Ausdruckskünstler war, sondern auch ein brillanter Formgeber.

Auf dem Gipfel

Yundis entschiedenes und detailversessenes Spiel vermag mitzureißen. Wenn man die CD in einem Zug anhört, dann könnte man meinen, dass man unbemerkt mit auf eine Wanderung genommen worden ist und stünde jetzt auf dem Gipfel eines hohen Berges, so steigerungslustig, so zugkräftig und soghaft ist Yundis Kunst.

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