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Loriot in Ost-Berlin

Loriot und Evelyn Hamann - Zu gast in Berlin - NL DGLit 11/09
04.11.2009
Im November wird Loriot 86 Jahre alt. Man glaubt es kaum, denn der Humorist und Spezialist für den feinen Unterscheid der Beobachtung wirkt auf verblüffender Art und Weise alterslos. Das mag auch daran liegen, dass seine Sketche und pointierten Witze zwar einer Generation des Aufbruchs und der Konsolidierung entspringen, im Kern aber vor allem Allzumenschliches aufs Korn nehmen. Damit wurde Loriot zu einem Star des deutschen Kabaretts und Fernsehens, dessen Humor grenzüberschreitend war, lange bevor die Mauer fiel. Das beweist auch die Aufnahme des Auftritts „Zu Gast in Berlin …“, wo er gemeinsam mit Evelyn Hamann auf Ost-Berliner Bühne gefeiert wurde, obwohl doch eigentlich niemand West-Fernsehen hätte kennen dürfen.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Besonders dann, wenn man sich eigentlich ertappt fühlt, wie bei Loriots urkomischen Sketchen und Texten. Er ist der Altmeister des hintergründigen Witzes mit den Feinheiten der Überzeichnung, denn seine Figuren behalten genug Realität, um noch als plausibel hingenommen zu werden, sind aber zugleich so absurd, dass man nur noch darüber lachen kann. Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow, genannt Loriot nach dem Wappentier Pirol (frz. ‘loriot’) seiner preußischen Offiziersfamilie, ist dabei ein Tausendsassa. Er schreibt, spricht, spielt, zeichnet, inszeniert, dirigiert, filmt, produziert. Er gehört zum kulturellen Inventar der deutschen Nachkriegsgeschichte, ein klar beobachtender Zeitgenosse mit dem Gespür für die irritierenden Nuancen im Alltag, die er in verschiedenen medialen Formen aufnimmt und behutsam persifliert und karikiert. Sein Humor ist vordergründig sanft, im Detail aber bissig, stellenweise gar sarkastisch, was in den frühen Jahren seiner Karriere durchaus dazu führte, das bundesdeutsche Illustrierte seine Cartoons auch einmal nicht drucken wollten. Sein erster eigener Band mit den Zeichnungen „Auf den Hund gekommen“ erschien 1954 und begründete die junge und mittlere Karriere als Zeichner und Texter. Im Jahr 1967 bekam er mit „Cartoon“ eine eigene TV-Sendung, die 1976 unter dem Signum „Loriot“ fortgesetzt wurde. Mal landete er in den Hitparaden (Goldene Schallplatte für „Ich wünsch mir einen kleine Miezekatze“, 1973), mal wurden seine Kreationen wie Wum und Wendelin zu Fernsehstars im Auftrag der guten Sache.
Loriot, der schmunzelnde Herr auf dem TV-Sofa, wurde damit zu einem der Superstars der vergangenen Humorjahrzehnte. Und er schuf zahlreiche Standards des hintersinnigen Kabaretts, die bis heute faszinieren: die wunderbare Szene etwa mit Herrn Müller-Lüdenscheid und Herrn Dr. Klöbner im Bad beispielsweise oder die dezent eskalierenden und brüllkomischen Sketche des gespielten Ehelebens mit Evelyn Hamann, die ein Frühstücksei oder einen Fersehabend, einen Aufbruch in die Oper oder eine Kleidungsberatung in die bürgerliche Katastrophe münden lassen. Das sind Höhepunkte des fein agierenden Witzes und sie gehörten bereits in den Achtzigern zum grenzübergreifenden Kulturgut Deutschlands. Das wurde spätestens dann klar, als Loriot und Evelyn Hamann bei ihrem Gastspiel im Ost-Berliner Palast der Republik bereits von tosendem und wissendem Applaus begleitet wurden, wenn sie nur die ersten Worte einer ihrer Szenen auf der Bühne sprachen. Da saß anno 1987 im sozialistischen Deutschland ein Publikum der Connaisseure, das genau wusste, was ihm da präsentiert wurde. Und das Humoristenpaar fühlte sich dadurch angespornt, ihre Sketche noch ein bisschen pointierter als gewohnt darzustellen. Ein Klassiker der Vor-Wiedervereinigung.
Text: Ralf Dombrowski

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