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Amerikanische Geschichten made by Scholl

23.10.2001
Andreas Scholl wechselt das Genre und bleibt sich trotzdem treu. Auf “Wayfaring Stranger” singt der Countertenor mit dem Orpheus Chamber Orchestra amerikanische Folksongs.

Manchmal scheint das Naheliegende besonders fern. Wer hätte gedacht, dass der bedeutendste Countertenor unserer Zeit, ein Mann, der seine volle Altstimme für gewöhnlich Messen und Kantaten von Vivaldi oder Bach leiht, eines Tages durch einen Jazzer inspirierte Folksongs singen würde? Und obendrein produziert von einem legendären Rock- Produzenten? Nein, das wäre wirklich zu abwegig.
 
Und doch kam es genau so. “Ich saß in einem Hotelzimmer, hörte Alfred Deller auf meinem Discman und mir standen Tränen in den Augen”, erinnert sich Scholl. “Dieser Mann schafft es, die wunderbarsten Geschichten mit diesen einfachen Songs zu erzählen.” Als Tribut an den britischen Autodidakten, dem man die Wiederbelebung des Countertenor-Gesangs und der Folksongs in der Mitte des 20. Jahrhunderts zuschreibt, aber auch als stilistische Auflockerung gab Scholl fortan Folksongs als Zugabe. “Man merkt, wie sich das Publikum bei diesen Songs entspannt zurücklehnt und sich in die Kindheit zurückversetzt fühlt”, meint Scholl. “Alle Menschen lieben diese Geschichten.” In Craig Leon, einem Rock-Veteranen, der schon Blondie und die Ramones produzierte, fand Scholl einen Seelenverwandten. Der Amerikaner liebt und verehrt die Tradition der Folksongs und hat sich ihren Erhalt zur Aufgabe gemacht.
 
Spätestens als sich Scholl und Leon ihre gegenseitige Bewunderung für eine Aufnahme von “Wayfaring Stranger” gestanden, die der Jazzbassist Charlie Haden gesungen hatte, kam ihr gemeinsames Projekt ins Rollen. “Mir wurde klar, dass jeder, der diese Musik hört, seinen persönlichen Weg finden muss, sie sich zu eigen zu machen und zum Leben zu erwecken.” Gemeinsam mit seinem Lautenisten Edin Karamazov, der ihn schon bei seinem letzten Album “Musicall Banquett” begleitete, dem 44-köpfigen Orpheus Chamber Orchestra und Produzent Leon machte Andreas Scholl genau das. Im Mai 2001 ging er in ein perfekt ausgestattetes Studio an der State University in New York und nahm einige der schönsten englischen, irischen und amerikanischen Folksongs auf und zwei deutsche Volkslieder ebenfalls. Von “Barbara Allen” bis zu “Wayfaring Stranger”. Sehr eigen und unglaublich schön. So kommt Tradition zu neuem Leben.

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