Anne Sofie von Otter | News | Früchte der Neugier

Früchte der Neugier

16.04.2008
Anne Sofie von Otter ist ein Star. In ihrer schwedischen Heimat wird sie von Kritik und ausverkauften Häusern gefeiert als eine der vielseitigsten Gesangskünstlerinnen der Gegenwart. Und auch der Rest der Welt hat sie längst als führende Mezzosopranistin ihrer Generation anerkannt. Kein Wunder, denn von Otter kann fast alles, was sie sich erträumt, mit ihrer Stimme umsetzen und ist zugleich Autorität genug, um sowohl Abba als auch John Dowland in ihrem Repertoire zu haben. In diesem Frühjahr zeigt sie einmal mehr, dass ihr der Ruf als Verwandlungskünstlerin mit Recht zufliegt. Auf der einen Seite bietet die Kompilation “In My Element” im Rahmen der Reihe Portrait Of The Artist eine erstaunliche Rundreise durch die stilistischen Zeitalter. Darüber hinaus präsentiert sich Anne Sofie von Otter mit Aufnahmen zeitgenössischer Komponisten aus Schweden im Rahmen der Serie 20/21 direkt am Puls der Zeit.
In ihrem Element zu sein bedeutet für Anne Sofie von Otter zunächst einmal, Musik zu machen. Allerdings heißt das bei ihr etwas anderes als bei manchen Kolleginnen. Denn die agile Schwedin wird von beständiger Neugier angetrieben und kann zugleich auf ein Talent zurückgreifen, alles, was sie macht, sowohl gut als auch seriös klingen zu lassen. “Es ist einfach so, dass es nicht sehr viele Rollen für meinen Typ von lyrischem Sopran gibt, und ich möchte nicht länger die Hosenrollen singen, die ein so wichtiger Bestandteil meiner Karriere waren. Doch meine Stimme hat sich im Laufe der Zeit leicht gewandelt, und der Abwechslung wegen suche ich ständig nach neuen Herausforderungen”. Die können darin liegen, neuerdings Wagner zu singen, aber auch in der Ausweitung des Repertoires auf die Bereiche bestehen, die die Grenzen zum Pop oder zum modernen Songwriting tangieren.
 
So kam es während der mehr als 25jährigen Laufbahn der Anne Sofie von Otter dazu, dass sie sich sowohl Händel wie Bizet, Mozart wie John Dowland, Abba wie Elvis Costello, Purcell wie Pavel Haas angenommen hat. Wichtig bei dieser Vielfalt ist einerseits die eigene Authentizität, zum anderen ein Partner wie der Pianist Bengt Forsberg, der der Künstlerin als kritisches Korrektiv zur Seite steht: “Bengt hatte von Anfang an so etwas Freches, Verrücktes, das mich zum Lachen brachte. Als Musiker war er lebhaft und brillant, mit ungeheurer Repertoirekenntnis und dem brennenden Verlangen, noch mehr kennen zu lernen. Wir sind ein gutes Team. Wir brauchen beide viel Raum, wir haben hitzige Diskussionen, aber uns verbindet eine tiefe Zuneigung, auch wenn wir uns gegenseitig verrückt machen”. Da wundert es wenig, dass Bengt Forsberg zu Anne Sofie von Otters bevorzugten Partner auf der Doppel-CD “In My Element” gehört, neben Ensembles wie der Staatskapelle Dresden unter Giuseppe Sinopoli, den Berliner Philharmonikern unter Claudio Abbado oder auch den Musiciens du Louvre unter Marc Minkowski.
 
Für die Aufnahmen in der Reihe 20/21 wiederum standen der Sängerin das Gothenburg Symphony Orchestra unter der Leitung von Kent Nagano zur Verfügung. Wieder war es die Neugier, die sie antrieb, zeitgenössische Musik ihrer schwedischen Heimat zu interpretieren und Komponisten wie Anders Hillborg anzusprechen, ob er etwas für sie schreiben wolle. So entstand beispielsweise anno 2003 das Orchesterwerk “… lontana in sono …” nach Gedichten des italienischen Renaissance-Dichters Francesco Petrarca. Der siebenteilige Orchesterliedzyklus “Lydias sånger” hingegen ist bereits ein knappes Jahrzehnt älter und war 1995/6 vom Königlich Philharmonischen Orchester Stockholm für die Uraufführung mit Anne Sofie von Otter in Auftrag gegeben worden. Den Link in die Vergangenheit schließlich bilden die bereits 1952 entstandenen “Vier Epitaphe” von Laci Boldemann, einem vom Schicksal schwer gebeutelten Komponisten der Nachkriegsjahre, der sich in dem Werk intensiv und nach Vorlage von Gedichten Edgar Lee Masters' mit Liebe, Tod und Leidenschaft auseinandersetzte. Die Aufnahmen entstanden im Dezember 2003 im Göteborger Konserthuset und unterstreichen mit bewegender Ausdruckskraft die Fähigkeit der Sängerin, sich in vielfarbige, komplexe Vorlagen einzufühlen und die Musik der anderen zu ihrer eigenen zu machen.

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