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Moderne Maßstäbe

18.03.2005
Eben erst wurde Anne-Sophie Mutter mit einem Grammy für ihre Version des Violinkonzerts von André Previn bedacht, schon präsentiert sie sich mit neuen Aufnahmen, die sie als Meisterin der zeitgenössischen Moderne präsentieren. Henri Dutilleuxs “Sur le même accord” ist ein Widmungswerk des großen französischen Komponisten für die weltbekannte Geigerin und wurde im Jahr 2003 für die Nachwelt festgehalten. Die beiden anderen Violinkonzerte sind bereits Teil der Stilgeschichte und wurden von Mutter in früheren Phasen ihrer Karriere eingespielt. Auf einer CD ergeben sie daher einen Querschnitt durch die Klanglandschaften der vergangenen Jahrzehnte und durch die Ausdruckskompetenz einer Musikerin, die Maßstäbe setzt.
Das Urteil ist klar: “Für mich ist Henri Dutilleux der größte lebende Komponist”, meint Anne-Sophie Mutter und verweist auf dessen Cello-Konzert “Tout le Monde Lointain”, dessen außergewöhnliche Klangfarbengestaltung und Balance zwischen lyrischen und perkussiven Elementen einen großen Eindruck bei ihr hinterlassen hat. Und natürlich hat sie außerdem “Sur le même accord” im Sinn, die mal zart schillernde, mal leidenschaftlich flackernde Geigenfantasie, die er ihr selbst zugedacht hat. Die Geschichte des Stücks begleitet sie bereits seit vielen Jahren. Denn als der Dirigent Paul Sacher es für sie in Auftrag gab, hatte sie gerade ihren 16. Geburtstag gefeiert. Fertig wurde das Stück erst 14 Jahre später. Mutter führte es am 28. April 2002 in London auf, an der Seite von Kurt Masur. Er war es auch, der im November 2003 im Pariser Théatre des Champs Elysées den Taktstock führte, als die vorliegende Aufnahme entstand. Beeindruckend ist dabei die Spannung, die Mutter aus dem einfachen Sechs-Noten-Motiv des Anfangs entwickeln kann und die sie konsequent über die rund acht Minuten der Komposition hinweg beibehält. Es ist eine Konversation mit dem Komponisten, die übrigens ihre Entsprechung in der Entstehungsphase des Werkes hatte: “Dutilleux ist auch ein Komponist, der mit seinen eigenen Werken kämpft und es ist erst ein Resultat minutiöser Bearbeitungen, wenn etwas schließlich glückt. Er war nicht zufrieden mit dem Schluss und schickte mir eine andere Version, die ich dann eher halbherzig einübte. Ich war mir sicher, dass noch mehr können würde und tatsächlich: zwei weitere Varianten schickte er mir noch”.

Mindestens ebenso eng wie die Zusammenarbeit Dutilleux-Mutter waren die Kontakte, die die Komponisten der beiden anderen Werke zu ihren Solisten hatten. Bela Bartóks “Concerto For Violin Ans Orchestra Nr.2, Sz 112” etwa entstand in den späten Dreißigern für den damals berühmten Virtuosen Zoltán Székely. Es wurden mehrere Änderungen vorgenommen, bis der ungarische Geiger zufrieden war, doch als er es endlich am 23. März 1939 gemeinsam mit Willem Mengelberg am Pult in Amsterdam uraufführte, konnte der in Nazideutschland verfemte Komponist nicht anwesend sein. Igor Stravinsky wiederum hatte Samuel Dushkin im Sinn, als er sich zu Beginn der dreißiger Jahre an die Erarbeitung seines “Concerto In Ré” machte. Sein Verleger hatte ihm geraten, nach einem Klavierkonzert und einer Symphonie sich an etwas anderes zu wagen und so entstand das Werk unter dem Eindruck des befreundeten Virtuosen. Seine Uraufführung erlebte es in Berlin am 23. Oktober 1931. Anne-Sophie Mutter nahm es 57 Jahre später wieder auf, in der London Walthamstower Assembly Hall mit Paul Sacher als Leiter des Philharmonia Orchestra. Die Bartók-Einspielung wiederum entstand 1991, diesmal in Boston mit dem dortigen Symphonie Orchester unter der Ägide von Seiji Ozawa. Zusammen ergeben die drei Werke ein vielschichtiges Bild zeitgenössischen Musizierens, dessen Kraft und Nachdruck aus ungewöhnlichen Werken Dokumente der kreativen Schaffenskraft macht.

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