Bibi Bourelly | Biografie

Biografie 2016

Sie wurde von The FADER als “bad gal” bezeichnet und bei Noisey als “one of the hottest songwriters around right now” gefeiert: Nachdem Bibi Bourelly schon vor einigen Monaten als Songwriterin von Rihannas “Bitch Better Have My Money” für Furore gesorgt hatte, legte die 21-jährige Berlinerin zuletzt mit ihren programmatischen Singles “Ego” und “Riot” gleich zwei massive Statements vor und wurde zwischenzeitlich auch noch mit Größen wie Pharrell, Kanye, Nas und Usher gesichtet. In ihrem Sound treffen Attitude und Furchtlosigkeit auf eine überraschend reife Weltsicht und absolute Verletzlichkeit – eine unwahrscheinliche, ungefilterte, ungeschminkte und ungeschönte Mischung, die The FADER bereits absolut treffend als “brilliantly raw” feierte. Kein Wunder, dass inzwischen auch Vogue und das Interview Magazine, die Intro und Glamour hellhörig geworden sind.
Dabei sorgte Bourelly genau genommen schon im Frühjahr 2015 für Aufsehen: Etliche Medien (u.a. Süddeutsche, BILD, Der Spiegel, B.Z., ZEITmagazin, Forbes) wunderten sich, wie es dazu gekommen war, dass eine so junge, noch gänzlich unbekannte Schulabbrecherin aus der deutschen Hauptstadt einer internationalen Pop-Diva wie Rihanna einen iTunes-Top−5-Hit wie “Bitch Better Have My Money” auf den Leib hatte schreiben können. Die oftmals verkürzt wiedergegebene Antwort darauf lautete: Mit 16 in den USA gelandet, weil einfach mal “grottenschlecht in der Schule” (ZEITmagazin), ließ Bourelly nach dem US-High-School-Abschluss irgendwann im Studio einfach ihrer schlechten Laune freien Lauf – und das Resultat, aufgenommen in nur drei Stunden, war nun mal genau dieser Song. Ihr erster großer Hit. Für RiRi.  
Schaut man jedoch etwas genauer hin, wird deutlich, dass das Fundament für die Energie ihrer Songs (und den Klang ihrer Stimme) schon während der Kindheit und Jugend gelegt wurde: Aufgewachsen zwischen Kreuzberg, Charlottenburg und Washington D.C., war Bourelly als Kind permanent von den Künstlerfreunden ihrer Mutter und den Musikerfreunden ihres Vaters umgeben. Besonders die Musik spielte eine zentrale Rolle: “So wie bei Babys, die nach und nach ganz automatisch die Sprache lernen, die sie umgibt, so war das bei mir mit der Musik: Ich habe sie wie eine andere Sprache gelernt, weil sie einfach immer da war.” In einer solchen Sprache versiert zu sein, sie technisch zu beherrschen, macht jedoch noch keine gute Künstlerin, und laut Bourelly war es der tragische Tod ihrer Mutter – sie starb an Krebs, als Bourelly gerade mal sechs Jahre alt war –, der sie in die Lage versetzte, Jahre später ihren ganz eigenen Sound zu finden: Die daraus resultierende Unabhängigkeit ist das Fundament ihrer Musik, ihres ganzen Ansatzes als Mensch und als Songwriterin. Denn Bourelly sollte nicht nur ganz früh lernen, wie unvorstellbar schmerzhaft ein derartiger Verlust sein kann. Auch zeigte ihr das Ableben der eigenen Mutter, dass sie keine Zeit verlieren und ihr Leben so frei und intensiv wie möglich gestalten musste.
Eine Einsicht, die sie als Jugendliche vor allem nach draußen führte, unter freien Himmel – und in die Straßen der Metropole: Mal hoch oben auf den Dächern, mal unter der Erde in den U-Bahnen, zog Bourelly durch diese Straßenzüge, ließ sich treiben, ging immer wieder so weit, bis sie und ihre Freunde in Schwierigkeiten gerieten. Es sind Erfahrungen, die extrem wichtig waren für ihre Entwicklung. Anstatt zur Schule zu gehen, entwickelte sie ihre ganz eigene Sicht auf die Dinge, basierend auf dem, was sie in den Straßen erlebte. “Und plötzlich, als es mir schließlich vollkommen scheißegal war, was andere Leute über mich dachten, war die Welt so riesig, so offen. Ich saß oben auf den Dächern, wir tranken etwas, und ich hatte das Gefühl, alles erreichen zu können. Ich konnte alles sein – diejenige sein, die ich wirklich sein wollte.”
Als ihre Noten dann dermaßen schlecht waren, dass sie die Schule in Berlin verlassen musste, packte sie ihre Sachen und brach auf in die Staaten. “Ich hatte die Welt aus der Perspektive einer Ratte kennengelernt”, meint sie heute zurückblickend über die Tage, in denen andere sie als “Problemfall” einstuften. Was sie mitnahm über den Atlantik, war ein Gefühl der Freiheit, “wie wenn man mit seinen Freunden durch die Straßen zieht und Mist baut und Angst hat, dafür eingesperrt zu werden.” Es ist diese Freiheit, diese Attitude, die ihre Songs ausmachen.  
Schon auf ihrer Single “Ego”, die im Herbst 2015 bei Vice Prämiere feierte, nahm Bourelly kein Blatt vor den Mund und sagte ganz klar, was Sache ist: “I don’t give a fuck/you won’t bring me down”, so ihre Worte an jegliche Hater und diejenigen, die in ihr allzu gerne ein “picture perfect girl” sehen würden. Sie interessiert diese Perfektion kein bisschen: “But I curse when I talk/And I lean when I walk/And I been thru some shit/and I’ve gained and I’ve lost”, singt sie über einem ultragedrosselten Beat aus der Feder von Paperboy Fabe, dessen verschleppte, peitschende Bassline ihr viel Raum lässt, um endlich alles loszuwerden.
Nachdem sich die Berlinerin mit haitischen und marokkanischen Wurzeln bei Instagram in den vergangenen Monaten auch mit Kanye West, der sie überhaupt erst mit Rihanna zusammengebracht hatte, und Pharrell gezeigt hatte, war Bourelly zuletzt z.B. auch als Gast auf Lil Waynes aktuellem “FWA”-Album zu hören (“Without You”) und trat im US-Fernsehen auf, als sie bei Jimmy Kimmel zusammen mit HipHop-Legende Nas und Usher dessen “Chains”-Single präsentierte. Und dann schrieb sie mit “Higher” gleich noch einen Song für das kommende Rihanna-Album. 
Es ist diese schwer greifbare Mischung aus Freiheitsdrang, Selbstbewusstsein, Restschmerz und Verletzbarkeit, der ihre Musik so einzigartig macht. Und dann wäre da natürlich noch ihre Stimme selbst: kraftvoll, dazu etwas rau, als wäre die letzte Nacht einen Tick zu lang gewesen. “Brilliantly raw” eben.
Auf “Riot”, der Nachfolger-Single, klingt Bourelly etwas weniger tough, aber auch hier ist die Message unmissverständlich: “If I go, I’m gon’ start a riot, I’m fighting for my life here, I’m gonna give y’all everything tonight”, so ihre Worte. Es ist ihr Kampf. Ihr Sound. “Und ich sag ja gar nicht, dass ich nie Angst habe”, sagt die Sängerin abschließend. “Nur sage ich eben auch, dass es mir scheißegal ist, wenn die Angst dann kommt.” Sie sei bloß ein weiteres Gefühl, dem Bourelly zwangsläufig im Verlauf ihrer Reise begegnen und sich ihm stellen muss. Und diese Reise hat gerade erst begonnen. 
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