Bob Geldof | News | BOB GELDOF +++ "How To Compose Popular Songs That Will Sell"

BOB GELDOF +++ “How To Compose Popular Songs That Will Sell”

Pressefoto 2011 3
31.01.2011
BOB GELDOF +++ “How To Compose Popular Songs That Will Sell”
Interview/Artikel zum neuen Album
Quelle: The Word (UK; 2010)

Ein glücklicher Bob Geldof – wie würde das wohl aussehen? In den 36 Jahren, die er nun schon im Rampenlicht steht, lernte man ihn zunächst als ur-irischen Krawallbruder und Bürgerschreck kennen, als aufgebrachten Frontmann von The Boomtown Rats, jener Punk-Combo, die sich ein Tabuthema nach dem anderen vorknöpfte, eine heilige Kuh nach der anderen abschlachtete und Irland mal eben zur Bananenrepublik erklärte. Zehn Jahre später war er das Gesicht von Live Aid, sein Name stand nun für die berechtigte Wut der Leute. Seine Ausstrahlung genügte, um die Musikindustrie davon zu überzeugen, geschlossen etwas gegen die Hungerkatastrophe in Äthiopien zu unternehmen. Zusammen mit Midge Ure organisierte er das größte Konzert aller Zeiten, zwang die Politiker gewissermaßen zum Mitspielen und überzeugte Abertausende von Menschen in aller Welt davon, dass es das einzig Richtige war, ihm „doch endlich das beschissene Geld zu geben“. Noch ein paar Jahre später gab Geldof mit seiner TV-Firma Planet 24 schließlich den Startschuss für Reality-TV und realisierte berüchtigte Show-Formate wie “The Big Breakfast” und “The Word”.
In jüngerer Vergangenheit konnte man ihn dann als Vorkämpfer für die Rechte von Vätern erleben, eine Rolle, in die er aus Versehen reingerutscht war, nachdem ihn Paula Yates im Jahr 1995 nach 19 gemeinsam verlebten Jahren für einen anderen Mann (Michael Hutchence von INXS) verlassen hatte. Bis zum Jahr 2000 sollten sowohl Yates als auch Hutchence das Zeitliche segnen, und Geldof sah sich daher gezwungen, für das Sorgerecht seiner Kinder zu kämpfen; obendrein musste er mit dem Verlust und dem vorangegangenen Vertrauensbruch zurechtkommen. Wir haben ihn in diesen Jahren als lauten und aufgebrachten und wütenden und lustigen und verzweifelnden und beseelten Bob Geldof kennen gelernt; als Menschen, der sehr, sehr, sehr gerne Schimpfwörter in den Mund nimmt. Aber glücklich und zufrieden?
“I feel good, I feel better than fine/I feel better than I have in a long, long time…” – so lautet eine der ersten Zeilen des neuen Soloalbums von Geldof, mit dem er sich nach neun Jahren Funkstille zurückmeldet und das den schelmischen Titel “How To Compose Popular Songs That Will Sell” trägt. Ganz anders als der Vorgänger aus dem Jahr 2001, “Sex, Age and Death”, auf dem sich Geldof mit dem Auseinanderfallen seiner Beziehung zu Paula Yates auseinandersetzte, klingt diese neue Platte nach Lebensfreude, Zuversicht und Dankbarkeit dafür, einfach auf der Welt zu sein. Die Songs, die er dieses Mal präsentiert, stehen ganz klar unter dem Zeichen seiner Helden Bob Dylan und Ray Davies, und sie handeln durchweg von “Erwachsenenthemen”: nicht zu jammern und das Blatt zu spielen, das einem ausgeteilt wurde – oder sich den Staub abzuklopfen und nach vorne zu schauen, wenn man mal wieder durch die Mangel gedreht und zu Boden gedrückt wurde. Eine Sache jedoch bringen all diese Songs, geschrieben von einem Mann, der in diesem Jahr 59 wird, zum Ausdruck: Man ist nie zu alt für die heilenden Wunderkräfte der Liebe.
Genau genommen begegnet man auf diesem Album einem Bob Geldof, der bester Laune ist. Im Fall von “Dazzled By You” lässt er ein buntes Blues-Menü vom Stapel, um damit einen Lobgesang auf eine namenlose Dame einzuleiten, die einen unbefristeten Alptraumjob  als Pflegerin angenommen hat. Sie ist nicht bloß Heldin für einen Tag – sondern vielmehr bis ans Ende ihrer Tage. Man muss gar nicht sonderlich tief graben, um zu erkennen, dass Geldof damit wohl seine Partnerin Jeanne Marine meint, jene französische Schauspielerin, die sich nicht nur seiner Person sondern auch seiner nicht ganz unproblematischen Familienbande angenommen hat. Was keine Kleinfamilie ist: da wären die Kinder, die Geldof mit Paula Yates hatte, und obendrein noch Paulas Tochter mit dem verstorbenen Hutchence, Tiger Lily. Ähnlich unwahrscheinlich ist es, dass der Song “To Live In Love” nur deshalb durch vom Akkordeon umspülte französische Leichtigkeit und an Jacques Brel erinnernde Zeilen – “life without love: absurdity/life without love: futility” – besticht, weil Bobs Vater Zenon Geldof ein Belgier war. Oh nein: auch hier klingt der Name Jeanne Marine ganz deutlich im Hintergrund mit.
In den 1980ern und 90ern war Geldof das exakte Gegenteil von einem gewöhnlichen Rockstar – und daran hat sich im Grunde genommen bis heute nichts verändert. Er ist zudem sehr viel selbstkritischer, als man das erwarten würde, und ermahnt sich jedes Mal selbst, wenn er meint, irgendwie großtuerisch oder abgehoben wirken zu können. Dazu kommt, dass er ziemlich smart ist, einem im Gespräch seine verschachtelten Sätze um die Ohren haut und dabei kein Blatt vor den Mund nimmt.
Anders gesagt: Bob Geldof ist tatsächlich eines dieser seltenen Exemplare: Ein Mensch, dem es mal wirklich egal ist, ob man ihn leiden kann oder nicht.

Was hat dich dazu bewegt, ein neues Album aufzunehmen? Schließlich hast du eine glückliche Familie, alle Hände voll zu tun mit geschäftlichen Dingen… so gesehen besteht da ja keine Notwendigkeit, oder doch?
Ich hab da keine Wahl: Es ist etwas in mir, das mich dazu antreibt. Irgendwann sitzt man so da und kritzelt ein paar Ideen hin, und dann wächst daraus mit der Zeit etwas Größeres. Es ist wie beim Pinkeln: Irgendwann muss es einfach raus. Und: Mit zunehmendem Alter dauert es halt länger, bis sich genügend Druck aufgebaut hat. Trotzdem ist es nicht bloß irgendein Zeitvertreib. Die Musik ist etwas, das meiner Seele gut tut. So gesehen habe ich da wirklich keine andere Wahl. Phil Davidson, ein Autor aus Irland und ein guter Freund von mir, hat das mal sehr gut auf den Punkt gebracht: “Ich schreibe Bücher, um meine Erfahrungen klar fassen und sie somit für andere verständlich machen zu können.” Aus genau dem Grund schreibe ich Songs. Ich habe das sehr, sehr starke Bedürfnis, sie zu kreieren, und nach diesem Prozess überkommt mich ein ausgesprochen intensives Gefühl der Befriedigung.
Um das mal auf eine ganz abgedroschene Formel zu bringen: Das politische Engagement ist für meinen Geist, die Geschäfte verfolge ich für meinen Bauch, die Musik ist für die Seele, und meine Familie hat einen Platz in meinem Herzen. Allerdings ist die Musik für mich zugleich derjenige Weg, den ich wähle, um bei der Politik oder beim Business zu landen. Ich sehe die Welt nun mal automatisch durch dieses Prisma. Ganz gleich, in welcher Situation ich mich befinde oder woran ich gerade denke – mir wird immer eine Zeile aus einem Song dazu einfallen. Das ist eigentlich echt zum Heulen. Bono hat mal gesagt, dass ich an seelischem Tourette-Syndrom leide.

    Der Albumtitel “How To Compose Popular Songs That Will Sell” klingt ganz schön ironisch für ein Album, auf dem dermaßen persönliche Songs versammelt sind. Schließlich sind es keine aufwieglerischen Radio-Hits, sondern besinnliche Popnummern, Songs für Erwachsene…
Das Album handelt von einem erlösenden Gefühl. Die anderen Themen habe ich ja schon hinter mir – die Auseinandersetzung mit diesem unfassbar traurigen Abschnitt meines Lebens; das hab ich vor knapp zehn Jahren mit “Sex, Age and Death” ad acta gelegt. Ich bin wahnsinnig stolz auf das Album, und mir ist es vollkommen egal, ob ich der einzige Mensch bin, dem diese Platte etwas bedeutet. Auf dem neuen Album sage ich jedoch, dass ein Leben ohne die Liebe vollkommen sinnlos ist. Ich musste erst eine existentielle Erfahrung machen, um das zu kapieren. Die neue Platte handelt daher von einem Neustart – und Jeanne ist der Startknopf.

Liegt dir die Arbeit an so einer Soloplatte, bei der du komplett das Sagen hast – inklusive “entweder so oder gar nicht” – also eher als der kreative Prozess mit einer Band?
Das würde ich nicht unbedingt sagen. Genau genommen bin ich, abgesehen von kleinen Veränderungen, seit 1986 sogar Mitglied von ein und derselben Band. Und ich bin umgekehrt sogar etwas bestürzt darüber, dass einer wie ich bei einer Band mitspielen darf, die dermaßen gut ist! Sie haben wirklich mit allen großen Namen zusammengespielt, und es muss wohl am Alter liegen, dass ich deswegen keine Schweißausbrüche mehr bekomme. Ich schaue mir dann ein Solo von Johnny Turnbull an und fühle mich daneben wie irgendein Hans oder Franz: Echte Ehrfurcht ist das. Ich könnte niemals so gut spielen, und sein Können haut mich einfach um. Mit einem Mal bin ich wieder ein 13-jähriger Junge, der da vor ihm steht.
Es ist eine fantastische Band, und die Aufnahmen gehen in der Regel auch ganz schnell von der Hand – schließlich ist ja auch noch Pete [Briquette] da, und wir machen schon seit 1975 zusammen Musik. Ich kann auf dem Kopf stehend oder rückwärts spielen, und er schaut dann nur zu mir rüber und sagt: “Okay, der Part ist in Fis−7”, dann gibt er die Info an die anderen weiter, und dieses geballte Können, die Raffinesse, die Tatsache, dass jeder den anderen so genau zuhört – ist schon unglaublich, dass diese Jungs meine Hirngespinste einfach so auf die Instrumente übertragen und in greifbare Resultate verwandeln kann. Das daraus resultierende Gefühl der Zufriedenheit, dieser Glücksrausch bei der Arbeit ist wahnsinnig intensiv.
Überhaupt ist es ein großes Glück, dass ich in meinem Alter noch immer Musik machen darf. Wer hätte im Sommer des Jahres 1975 schon gedacht, dass ich irgendwann mit diesen Musikern zusammenspielen und eine Plattenfirma auch noch daran interessiert sein würde, diese Aufnahmen zu veröffentlichen?! Ich mit Sicherheit nicht. Ich mache ja viele verschiedene Dinge, aber die Musik ist schon der Kern meines Schaffens. Man schließt vielleicht ein Geschäft ab und sichert damit Arbeitsplätze, oder vielleicht hat man gerade eine Fernsehsendung abgedreht, auf die man wirklich stolz ist, oder man hat in politischer Sicht etwas ins Rollen gebracht – das alles sind tolle Erfolge, keine Frage. Doch ich könnte darauf auch verzichten und würde trotzdem noch meine Karriere als Musiker verfolgen.

The Boomtown Rats wurden von den einschlägigen Punk-Kritikern nie so richtig akzeptiert, oder? Ihr habt irgendwie nicht so ganz ins Bild gepasst.
Nun, ich denke doch, dass wir akzeptiert wurden. Wir taten uns im Sommer 1975 zusammen, und zwar aus exakt denselben Gründen wie die britischen Punks – nur bestand der ganze Punkt nun mal darin, dass wir irisch waren. Die soziale Realität war eine vollkommen andere in Irland. Es war nicht bloß eine wirtschaftliche Flaute, sondern die Wirtschaft war bis auf den Nullpunkt heruntergefahren. Dazu herrschte faktisch ein Bürgerkrieg. Und es gab ein Abkommen zwischen Kirche und Staat, das sogar in der Verfassung festgeschrieben war. Nur war inzwischen eine Generation von Leuten herangewachsen, die dank der Medien und durch Popmusik langsam aber sicher kapierte, dass die Jobs, die man ihnen versprochen hatte, wenn sie denn nur hart genug arbeiten oder studieren würden, de facto gar nicht existierten.
Unsere Band gründeten wir daraufhin nur so zum Spaß, als Zeitvertreib. Ich machte einfach ein bisschen auf kontrovers, wollte den Leuten einfach nur ein wenig auf den Sack gehen. Erinnerst du dich noch an die Sprüche an den Wänden: “Clapton is God” stand da; also holte ich mir ein T-Shirt und sprühte “Geldof is God” drauf. Oder wir machten ein Poster mit Frauenbeinen in Latex, und die Feministinnen rannten sofort los und schrieben das Wort “Sexist” in Lila drauf – und erst dann ließen wir die Katze aus dem Sack und stellten klar, dass das meine Beine waren, die man da in Latexstrümpfen sehen konnte. Auch der Gewinner unseres “Do The Rat”-Tanzwettbewerbs konnte sich jedes Mal über ein tolles Geschenk von mir freuen: es gab kiloweise rohe Leber! Eigentlich ganz schön arm und kaputt, aber diese Aktionen haben damals einfach verdammt viel Spaß gemacht.

Welche Zeit war denn nun die beste mit den Rats?
Ich fand den Moment am schönsten, als “Looking After Number One” in die Charts eingestiegen ist. Das war wohl einer der schönsten Tage meines Lebens, als ich erfuhr, dass die Nummer auf Platz #17 landen würde. Konnte – ich – einfach – nicht – glauben! Plötzlich war ich nicht mehr der Idiot von nebenan! Und alles, was deine Eltern und Lehrer gesagt hatten, war damit auch auf einen Schlag entkräftet. Ich hatte mein Leben nach den englischen Charts ausgerichtet, und nun tauchte unser Name genau dort auf, wo zuvor The Small Faces oder The Who stand. Damit waren wir Teil dieses historischen Moments, Teil dieser Umwälzungen in der britischen Musikwelt, als die alte Garde sich entweder anpassen oder sich verdammt noch mal verpissen musste! Zusammen hatten wir für all die Polices und U2s und Boy Georges und Durans den Weg geebnet. Das kreative Brachland war erschlossen – und das war cool.

Kommen wir mal zu Live Aid: Welcher Teil der Organisation war der schwierigste?
Ganz allgemein gesagt: Die Amis. Sie betrachteten die ganze Sache als eine englische Veranstaltung, und darum zogen sie zunächst auch nicht so richtig mit. Bill Graham verlieh der Sache Glaubwürdigkeit, er zog das genauso professionell durch wie Harvey [Goldsmith] das hier bei uns tat, aber Bill hatte zu der Zeit privat sehr viele Probleme. Er war dadurch zerstörerisch, und er brachte die Leute auf die Palme.
Eine Idee lautete zum Beispiel, dass die Show mit Dylan enden sollte, der “Bridge Over Troubled Waters” spielt, und dann sollte Paul Simon auf die Bühne kommen, und die beiden sollten noch “Blowing In The Wind” zusammen präsentieren. Das muss man sich mal vorstellen! Dylan war voll dafür, mit ihm lief alles super, und wir hatten so oder so Ehrfurcht vor ihm – wie alle damals. Doch dann ruft Paul Simon mitten in der Nacht an und sagt mir, dass er raus ist aus der Sache. Es täte ihm ja auch sehr leid, aber ohne jetzt wie ein Prahlhans klingen zu wollen sei er doch schon zu lange im Geschäft, um so mit sich umspringen zu lassen, wie Bill Graham das in den Verhandlungen getan hätte.
Also rufe ich gleich danach Bill an und gratuliere ihm dazu, dass er soeben Paul Simon vergrault hat. Bill antwortet nur: “Scheiß doch auf ihn. Wir organisieren einfach einen anderen Paul Simon. Wem bedeutet der schon was?!” Nun, “mir zum Beispiel, Bill”, sage ich, “du hast soeben unser Publikum um ein paar Millionen Menschen verkleinert. Es geht mir gar nicht so um die Musik, sondern um diese Leute!”
“Dann holen wir halt einen Ersatz!”
“Bloß wen?”
“Dieses junge Ding, wie heißt sie noch gleich? Madonna!”
Darauf antwortete ich nur, dass er doch wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. “Dieses Mädel, das ‘Like A Virgin’ gesungen hat, soll Paul Simon ersetzen?!”
Doch – und es tut schon ein bisschen weh, das zugeben zu müssen – natürlich lag er damit goldrichtig. Er war es auch, der auf Run DMC bestand, den ersten Rap-Act. So gesehen haben wir es Bill Graham zu verdanken, dass Live Aid auch aus heutiger Sicht so verdammt cool wirkt. Trotzdem war die Arbeit mit ihm der Horror, um ehrlich zu sein.

Einer der aufschlussreichsten Tracks des neuen Albums ist der an eine Ceilidh-Feier erinnernde Hidden-Track des Albums, “Young And Sober”, in dem du folgende Zeile singst: „…in the year of 95 I loved my faithless wife“, und etwas später heißt es dann „She left me for another who I took to be my brother“. Mich interessiert nun die Sache mit dem Bruder, denn es wirkt sehr selbstlos, etwas Derartiges über Michael Hutchence zu sagen. Entspricht diese Formulierung den tatsächlichen Gefühlen?
Hmmm. [Denkt nach.] Ich kannte ihn und mochte ihn. Ich hab ihn immer als Kollegen betrachtet, als einen, der auch Rock & Roll macht. Ich hab den Song ein paar Leuten in der Stadt vorgespielt, und die meinten, es sei eines der besten Stücke, das ich jemals geschrieben habe – was seltsam ist, wenn man bedenkt, dass der Track einfach nur auf diesem traditionellen Ding basiert. Überhaupt ist es seltsam, dass man mein Leben anscheinend ganz einfach in Zehnjahresabschnitte einteilen kann: 1975 waren es die Rats, 1985 dann Live Aid, 95 ging meine Beziehung zu Paula in die Brüche, und 2005 bin ich dann wieder im Sattel und führe ein glückliches Leben mit derjenigen fantastischen Frau, mit der ich nun schon seit 15 Jahren zusammen bin. Sieht so aus, als könnte man sein ganzes Leben wohl doch auf acht beschissene Zeilen runterkürzen – acht Zeilen und Schluss.

Spielt Rache eine Rolle bei deinen Projekten der vergangenen Jahre, also bei den Rats, bei Live Aid oder den TV-Projekten?
Heute nicht mehr. Dafür bin ich inzwischen zu alt. Aber als wir mit The Rats anfingen, ging es dabei schon um Rache in irgendeiner Form. So à la: “Na, hab ich’s euch nicht gesagt? Ich bin doch nicht bloß ein nutzloser Spinner!” Auch wenn es jetzt vielleicht etwas abgehoben klingt, sind viele Dinge, die ich im Laufe der Jahre gemacht habe, zwar von anderen abgefeiert worden, obwohl ich sie gar nicht sonderlich gut fand. Ich hab ein paar gute Sachen gemacht, aber man macht sie eben und bewegt sich dann weiter zum nächsten Ding.
Ein Beispiel, obwohl diese Anekdote wahrscheinlich noch schlimmer klingt, weil darin all diese beschissen-großen Namen auftauchen, aber egal: Ich bin also gerade in Covent Garden bei Dave Stewart zu Besuch; wir spielen zusammen Gitarre, als es plötzlich an der Tür klingelt und George-verdammt-noch-mal-Harrison auf der Matte steht. Im selben Moment meldet sich das Faxgerät in der Ecke und Leonard Cohen schickt einen neuen Songtext rüber – ein echt guter Text übrigens –, weil er von Dave wissen will, ob der nicht vielleicht die passende Melodie dazu hätte. Und verdammt noch mal: ich schwöre, das ist jetzt nicht bloß irgendein Märchen, das ich hier erzähle.
Dann spielt Dave „Here Comes The Sun“ und George fragt ihn: “Was für eine Akkordfolge ist das?” Also mische ich mich ein und sage: “Komm, George, verarsch uns jetzt nicht und spar dir die falsche Bescheidenheit.” Doch er antwortet nur: “Nein, ich mein das ganz ernst. Was für Akkorde spielst du da? Ich hab das Stück nur ein einziges Mal in meinem Leben gespielt.”
Für ihn war das einfach nur ein sechs Jahre dauernder Mega-Höhenflug, und das, als er noch verdammt jung war. Ich bin mir nicht sicher, ob nun er oder einer der anderen das gesagt hat, aber es gibt da diesen Ausspruch: “Ich hab die Beatles nie so wirklich verstanden: weil ich Mitglied der Beatles war.” Bei mir und Live Aid war das ganz ähnlich. Ich hab Monate lang am Telefon gehangen, Leute angebrüllt und überredet – und hinterher erkennst du, dass du gar nichts davon mitbekommen hast, weil du die ganze Zeit mittendrin warst.

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