Christian Scott | Biografie

Biografie

Als “Architekt einer neuen, kommerziell realisierbaren Fusion” wurde der Trompeter Christian Scott im September 2008 in der JazzTimes bezeichnet.Und beim amerikanischen Radionetzwerk NPR hieß es gar schon, Christian Scott sei dabei, eine neue Jazzära einzuleiten. Fakt ist: Seit Roy Hargrove Anfang der 1990er seinen rasanten und allgemein umjubelten Aufstieg begann, ist kein Jazztrompeter mehr mit soviel Lorbeer überhäuft worden wie Christian Scott.

Christian und sein Zwillingsbruder Kiel kamen am 31. März 1983 in New Orleans zur Welt und zeigten schon in jungen Jahren vielseitige künstlerische Begabung. Während Kiel später Filmwesen studierte und eine Karriere als Regisseur einschlug, fand Christian unter dem Einfluss seines Onkels Donald Harrison zur Musik. Die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Musik begann Christian im Alter von zwölf Jahren, nachdem er eine Aufnahme seines Onkels gehört hatte. Zwar hätte er wie dieser gerne selber Saxophon gelernt, entschied sich dann aber für die Trompete, weil er sich mit dem Instrument mehr Chancen ausrechnete, eines Tages in der Band seines Onkels mitspielen zu können. Unter den Fittichen Donald Harrisons entwickelten sich Christian Scotts Talente so schnell, dass er schon drei Jahre später sein Ziel erreicht hatte und Mitglied von Harrisons Band wurde.

Als gebürtiger New Orleanser ist Christian Scott natürlich bestens mit der Trompetentradition der Crescent City vertraut, die einst durch die Legenden King Oliver und Louis Armstrong begründet wurde und für die heute u.a. die Namen von Wynton Marsalis, Terence Blanchard und Nicholas Payton stehen. Dennoch versuchte er schon bald aus dieser Tradition auszubrechen und orientierte sich mehr am Stil von Miles Davis.
“Jazzmusiker aus New Orleans können einem mit diesem ‘Ich bin aus New Orleans’-Zeugs auf die Nerven gehen”, erklärt er seine Distanzierung zur Szene seiner Heimat. “Okay, prima – ich wurde dort geboren, wuchs dort auf und mein Herz ist immer dort… aber ich empfinde nicht das Verlangen, dies den Leuten ständig unter die Nase zu reiben, weil sie das nämlich als eine Art arrogantes Gehabe auffassen könnten.” Auch sein Faible für Miles Davis kann der junge Trompeter gut begründen: “Miles begann als Bebopper, entschied sich eines Tages aber, eine andere musikalische Richtung einzuschlagen und sich bei seinem Spiel nicht so zu exponieren. Er beschloss, sein eigenes Spiel zu reduzieren, um nur die Essenz seiner Gedanken mitzuteilen. Das, was er nicht spielte, war genauso großartig wie das, was er spielte.”

Seine erste Plattenaufnahme machte Christian Scott 1999 als Mitglied der Band seines Onkels. Sein erstes Album unter eigenem Namen brachte er 2002 als 19jähriger in Eigenverlag heraus. Dann folgten erst einmal weitere Aufnahmen als Begleiter: mit Donald Harrison machte er 2002 das Album “Real Life Stories”, mit der Sängerin Karin Williams 2003 deren titelloses Debütalbum und mit Nnenna Freelon 2005 “Blueprint Of A Lady:
Sketches Of Billie Holiday”.

Mit 22 Jahren präsentiert der Trompeter beim Label Concord Jazz mit “Rewind That” dann sein zweites Soloalbum, das die ganze Szene – von Musikerkollegen über Journalisten bis hin zu den Jazzfans – aufhorchen ließ und ihm gleich zwei Grammy-Nominierungen einbrachte. Seinen exzellenten Ruf festigte er in den folgenden Jahren mit den Alben “Anthem” (2007), das er seiner vom Wirbelsturm Katrina verwüsteten Heimatstadt widmete, und der CD/DVD “Live At Newport”, die im Grunde eine Hommage an Miles Davis war. Aufmerksamkeit außerhalb des Jazzzirkels erregte er darüber hinaus durch Kollaborationen mit Prince (live und beim Album “Planet Earth”) und dem Rapper Mos Def.

Für sein 2009 aufgenommenes viertes Solalbum “Yesterday You Said Tomorrow” orientierte sich der Trompeter, der sich selbst nicht als Jazzmusiker sieht, an Musikrevolutionären der 1960er Jahre wie Miles Davis, John Coltrane, Charles Mingus, Bob Dylan und Jimi Hendrix. Ganz bewusst flirtet er auf dem Album auch mit rockigeren Klängen und modernen, vom HipHop abgeleiteten Grooves. Ein Highlight ist dabei seine gelungene Coverversion des elegischen Thom-Yorke-Songs “The Eraser”. Auf Überraschungen dieser Art darf man bei dem brillanten Trompeter auch in Zukunft gespannt sein.
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