Daniil Trifonov | Biografie

Biografie

»Packend, erschütternd, gewaltig … Bates komponierte das Konzert während der Pandemie und er hatte Trifonov dabei im Hinterkopf. Selten war die Chemie zwischen Komponist und Interpret so stimmig. Trifonov und das Orchester spielten sich Einfälle über ein imaginäres musikalisches Tennisnetz zu und verflochten die Themen mit geschmeidiger Anmut, wie Schlangen an einem Hermesstab.«
Bachtrack, Januar 2022 in der Rezension der Uraufführung von Mason Bates’ Klavierkonzert in Philadelphia
Wenn Daniil Trifonov spielt, scheint die Zeit innezuhalten. Aus der Stille heraus kommt ein Spiel, wie man es nur selten hört: überragend und von tiefer Einsicht, nie vorhersehbar, aber immer die Intention des Komponisten im Blick habend und verwurzelt im Wesen der Musik. »Was er mit seinen Händen macht, ist technisch unglaublich«, bemerkte ein Kommentator kurz nach Trifonovs Triumph im Finale des Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerbs in Moskau 2011. »Hinzu kommt sein Anschlag – er hat Zartheit und auch das dämonische Element. Ich habe so etwas noch nie gehört.« Diese Äußerung stammt nicht von einem professionellen Kritiker, sondern von einer der größten Pianistinnen der Welt, Martha Argerich.
Trifonovs Erfindungskraft und Originalität zeigen sich auch in seinem wachsenden Ansehen als Komponist, das im April 2014 einen neuen Höhepunkt erreichte, als er bei der Uraufführung seines Ersten Klavierkonzerts am Cleveland Institute of Music den unerhört schwierigen Solopart spielte. Er hat das Werk seither häufig aufgeführt, unter anderem bei der Erstaufführung in der Carnegie Hall im November 2017 mit dem Mariinski-Orchester und Valery Gergiev. Trifonov brachte sein Klavierquintett (Quintetto Concertante) beim Verbier Festival im Juli 2018 zur Uraufführung und hat es seither unter anderem in Berlin, New York und Tel Aviv aufgeführt.
Im Februar 2013 gab Deutsche Grammophon den Abschluss eines Exklusivvertrags mit Daniil Trifonov bekannt. Sein erstes Recital war eine Live-Aufnahme aus der Carnegie Hall: Liszts Sonate in h-Moll, Skrjabins Sonate-Fantaisie und Chopins 24 Préludes op. 28. Sein nächstes Album für DG mit Werken von Rachmaninow erschien im August 2015: Neben Trifonovs Interpretation der Variationen über ein Thema von Paganini, begleitet vom Philadelphia Orchestra unter Yannick Nézet-Séguin, sind die Variationen über ein Thema von Chopin und die Variationen über ein Thema von Corelli sowie Trifonovs eigene Rachmaniana, ein Bravourstück für Soloklavier, zu hören.
2016 veröffentlichte DG sein Album Transcendental mit sämtlichen Konzertetüden von Liszt. Es war die erste Gesamtaufnahme dieser Werkgruppe von einem Pianisten für das gelbe Label. Im Jahr darauf erschienen Preghiera, eingespielt mit dem Geiger Gidon Kremer und der Cellistin Giedrė Dirvanauskaitė; Chopin Evocations, das Trifonov mit Mikhail Pletnev und dem Mahler Chamber Orchestra aufnahm und das die beiden Klavierkonzerte von Chopin und einige der frühesten und spätesten Stücke des Komponisten sowie durch Chopin inspirierte Werke von Schumann, Grieg, Tschaikowsky, Mompou und Barber enthält; und ein Schubert-Album mit dem »Forellenquintett« und anderen kammermusikalischen Werken des Komponisten, aufgenommen mit Anne-Sophie Mutter und drei Stipendiaten der Anne-Sophie Mutter Stiftung.  
Trifonov nahm dann sämtliche Klavierkonzerte Rachmaninows mit dem Philadelphia Orchestra und Nézet-Séguin auf. Destination Rachmaninov – Departure mit den Konzerten Nr. 2 und Nr. 4 erschien im Oktober 2018, Destination Rachmaninov – Arrival folgte ein Jahr später mit den Konzerten Nr. 1 und Nr. 3. Seine Liveaufnahme des Klavierkonzerts Nr. 2 als Teil des historischen DG120-Galakonzerts in Pekings Verbotener Stadt kam im Januar 2019 heraus.
Silver Age, das er mit dem Mariinski-Orchester und Valery Gergiev aufnahm, erschien im November 2020. Das Album enthält Skrjabins Klavierkonzert in fis-Moll, Prokofjews Klavierkonzert Nr. 2 in g-Moll und Strawinskys Trois Mouvements de Pétrouchka, hinzu kommen weitere Werke von drei der innovativsten Komponisten des russischen »silbernen Zeitalters«
Herzstück von Daniil Trifonovs im Oktober 2021 veröffentlichtem Doppelalbum Bach: The Art of Life ist J. S. Bachs Meisterwerk Die Kunst der Fuge. Daneben finden sich unter anderem Stücke von vier Söhnen Bachs. In dem Programm spiegelt sich Trifonovs Einsicht ins Familienleben und die musikalische Praxis eines der größten Komponisten aller Zeiten. Das Album fand viel Beifall bei der Kritik, das BBC Music Magazine schrieb beispielsweise: »diese Aufnahme ist eine Offenbarung … Trifonovs Spiel scheint mühelos, zugleich präzise und einfühlsam, und ist ein reiner Genuss von Anfang bis Ende«.
In seiner aktuellen Veröffentlichung ist Trifonov Partner des Baritons Matthias Goerne. Als dritter Part in dessen Lieder-Trilogie mit drei jungen Pianisten der Deutschen Grammophon bietet das Album Matthias Goerne · Daniil Trifonov – Lieder Werke von Schumann, Brahms, Wolf, Berg und Schostakowitsch. Es erscheint am 10. Juni 2022.
Zu den Höhepunkten von Trifonovs Saison 2021/22 zählten bislang Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 mit den New Yorker Philharmonikern und Jaap van Zweden im Lincoln Center; Mozarts Klavierkonzert Nr. 9 mit dem Orchestra dell’Accademia di Santa Cecilia und Sir Antonio Pappano in Rom; und die Uraufführung von Mason Bates’ Klavierkonzert in Philadelphia mit dem Philadelphia Orchestra und Yannick Nézet-Séguin.
Weiterhin geplant sind unter anderem im Mai Beethovens Klavierkonzert Nr. 4  mit dem Festival Orchester Budapest und Iván Fischer in Budapest und Klavierkonzert Nr. 5 mit dem Toronto Symphony Orchestra und Gustavo Gimeno in Toronto; die Westcoast-Erstaufführungen des Klavierkonzerts von Bates mit dem San Francisco Symphony (2. – 5. Juni); Recitals mit Matthias Goerne mit dem Repertoire ihres demnächst erscheinenden Albums im Amsterdamer Concertgebouw, beim Klavier-Festival Ruhr in Wuppertal, in der Laeiszhalle in Hamburg, der Pariser Philharmonie und im Wiener Musikverein (9., 11., 13., 15. und 18. Juni); sowie Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2 mit den Berliner Philharmonikern und Kirill Petrenko beim Freiluftkonzert in der Berliner Waldbühne (25. Juni).
Daniil Trifonov kam 1991 in Nischni Nowgorod zur Welt als Kind zweier Berufsmusiker. »Mit fünf Jahren hatte ich ersten Klavierunterricht, ich komponierte auch und gab ständig Konzerte«, berichtet er. Als Achtjähriger trat er erstmals mit Orchester auf, später studierte er an der Gnessin-Musikschule in Moskau. Dort lieh er bei seiner Lehrerin Tatiana Zelikman historische Aufnahmen großer Pianisten aus und zog seine Lehren aus den Einspielungen von Rachmaninow, Cortot, Horowitz, Friedman, Sofronizki und anderen Vertretern eines goldenen Zeitalters des Klaviers. »Zu den heutigen Pianisten, die mich inspirieren, zählen Martha Argerich, Grigory Sokolov und Radu Lupu«, fügt er hinzu.
2008 gewann Trifonov den fünften Preis beim Vierten Internationen Skrjabin-Wettbewerb in Moskau. Im Jahr darauf begann er ein Klavierstudium bei Sergei Babayan am Cleveland Institute of Music, wo er auch Kom­positionsunterricht erhielt. 2011 gewann er den 13. Internationalen Rubinstein-Klavierwettbewerb in Tel Aviv, dann sicherte er sich den ersten Preis und den Grand Prix beim 14. Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau. Er gewann dort zudem den Publikumspreis und den Preis für die beste Aufführung eines Mozart-Konzerts. Bei dieser Gelegenheit stellte Martha Argerich fest, Trifonov verfüge über »alles und noch mehr«, und diese Ansicht wurde seither bekräftigt durch begeisterte Rezensionen, Ovationen des Publikums, Residencies und internationale Preise: Er erhielt einen Grammy (Transcendental) und drei Grammy-Nominierungen, den ECHO Klassik-Preis 2014 als »Nachwuchskünstler des Jahres (Klavier)« sowie die Auszeichnung von Gramophone als »Künstler des Jahres 2016«. BBC Music Magazine wählte Destination Rachmaninov – Departure zur »Konzertaufnahme des Jahres 2019«, und für das Magazin Musical America war Trifonov »Künstler des Jahres 2019«.
5/2022
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