Dusty Springfield | Biografie

Dusty Springfield

Ohne sie gäbe es heute vielleicht keine Joss Stone und keine Amy Winehouse. Dusty Springfield war die “White Queen of Soul”. Auch männliche englische Sänger – von Elton John bis Jamie Cullum – zeigen sich tief von Springfield inspiriert. Im Alleingang erfand sie das Genre des so genannten Blue Eyed Souls. Selbst in den USA gilt Springfield als Wegbereiterin. Die US-amerikanische Rootsrocksängerin Shelby Lynne nahm 2008 mit Phil Ramone ihr Springfield-Tributealbum “Just A Little Lovin´” auf. 

Dusty Springfield triumphierte als einzige weibliche Künstlerin im Zuge der “britischen Invasion”: der Eroberung der US-amerikanischen Charts durch die Beatles, Stones und Kinks in den 1960er Jahren. Zwischen 1963 und 1970 hatte sie 18 Hitsingles in den USA (26 in den USA und in England). Damit gehört sie zu den britischen Bestsellern der ´60er. Ihre offene Umarmung des Motown-Sounds führte dabei eigentlich erst zu dessen Popularität in England. Und die Briten blieben diesem Sound mit verschiedenen Comebacks treu: dem Northern Soul der 70er, dem Mod-Revival der 80er, dem heutigen Girl-Soul. Springfields Look: ihre Bienenkorbfrisur, ihre Roben und Strickjacken, ihr Make-Up dominiert die heutige Mode durch die von Amy Winehouse und Duffy inszenierte Motown-Renaissance. Springfield arbeitete mit den größten Songschreibern, Arrangeuren und Produzenten der Popgeschichte. Mit Burt Bacharach, er komponierte “Wishin´And Hopin´” oder den famosen James Bond-Song “The Look Of Love”). Jerry Wexler, der Mann hinter Aretha Franklin und Atlantic Records, produzierte ihren Überhit “Son Of A Preacher Man”. Danach ging Springfield mit Gamble und Huff ins Studio, den Paten des samtigen Philly-Souls. Anders als ihr Idol Aretha Franklin unternahm Springfield nichts, um die für sie geschriebenen Songs zu “prägen”. Sie sang “mehr um das Material herum”. Ihre unverwechselbare Stimme jonglierte dabei mit einer Palette von Nuancen: kühl, schwül, untergründig, sexy, fordernd, offen leidenschaftlich – all das brachte sie mühelos hervor. Ihr Understatement ließ diese Songs zu heute immer noch gültigen Lifestyle-Statements wachsen – zwischen James Bond, ewiger Modkultur und dem neuen britischen Soul von Winehouse, Duffy und Co. 

Burt Bacharach erklärte: “Du brauchtest nur drei Noten von ihr zu hören und wusstest: Es war Dusty”. Elton John, der sie 1996 posthum in die Rock´n´Roll Hall of Fame einführte sagte: “Ich glaube, sie ist die größte weiße Sängerin, die es je gab.” | Karriere:
Dusty Springfield wurde am 16. April 1939 als Mary Isabel Catherine Bernadette O´Brian in ein streng katholisches irisches Elternhaus in West Hampstead, London geboren. Ihren Spitznamen “Dusty” bekam sie als Kind durch ihr burschikoses Benehmen. Sie wuchs mit der damaligen Popmusik auf: dem Vokaljazz von Rogers und Hart, Cole Porter, Duke Ellington und Count Basie und sie wurde Fan der weißen Jazzsängerin Peggy Lee. Mit elf ging Mary O´Brian in einem Schallplattenladen in Ealing und ließ dort die erste Aufnahme von sich pressen: “When The Midnight Choo Choo Leaves For Alabama” von Irving Berlin, ein Hit von Judy Garland. Direkt nach der Schule meldete sie sich auf eine Zeitungsannonce und trat der Vokalgruppe The Lana Sisters bei. Mit Auftritten, auf US-Truppenstützpunkten in England bekam sie Routine und lernte das Handwerk. Mit ihrer ersten eigenen Band, dem Folk-Pop-Trio The Springfields, an der Seite ihres Bruders Dion, reiste sie Anfang der ´60er nach Nashville, um dort eine Platte aufzunehmen. Auf dem Zwischenstopp in New York hörte sie Doo-Wop, das stellte eine Weiche in ihrer Karriere. Als sie das Phillips-Label unter Vertrag nahm, steuerte Springfield direkt in Richtung des Motown-Sounds, ihre erste Single “I Only Want To Be With You” erfüllt alle stilistischen Kriterien von Hitsville U.S.A. Kurz darauf lernte Springfield den Komponisten Burt Bacharach kennen, der im Team mit dem Texter Hal David diverse Hits für Perry Como, Johnny Mathis und Dionne Warwick geschrieben hatte. Mit zwei Songs von Barach-David erreichte Springfield 1964 die Top 10. – mit “Wishin´And Hopin” und “I Just Don´t Know What To Do With Myself”. Der New Musical Express (den es schon damals gab) wählte sie zur Sängerin des Jahres. Die Hitsträhne toppte Springfield mit “You Don´t Have To Say You Love Me” – ihrer englischen Version des italienischen Hits “Io che no vizo senta te”. Als Moderatorin eines Specials von “Ready Steady, Go!” (ausgestrahlt am 28. April 1965) machte Springfield den eigentlichen Motown-Sound in Großbritannien bekannt. Die Mitte der 60er stand somit ganz im Zeichen des Girlsouls von Springfield und ihren “Peers”: Lulu, Sandy Shaw oder Cilla Black. Die Hippie-Bewegung und Psychedelia-Soul fegten Bienenkörbe, Poloshirts und Cardigans – die ganze coole Mod-Nonchalance Springfields dann von der Bildfläche. Ironischerweise nahm sie in der Zeit, als der Zeitgeist sich von ihr abwandte, die besten Platten ihrer Karriere auf – gewürdigt wurde das erst später. | Auf Atlantic-Records, produziert von Jerry Wexler und Arif Mardin erschien 1968 ihr Meilenstein “Dusty In Memphis”. Bei Veröffentlichung floppte das Album, auch wenn die Single “Son Of A Preacher Man” in die Top 10 einzog. 1994 erreichte “Son Of A Preacher Man” im Soundtrack des Quentin Tarantino-Kultfilms “Pulp Fiction” ein neues Publikum. 2001 wählte man das ganze Album in die Grammy Hall Of Fame. Verschiedene Comeback-Versuche der 1970er und frühen ´80er verliefen im Sande oder gingen daneben, bis 1987 das britische Dance-Duo Pet Shop Boys die Britsoul-Ikone unter die Fittiche nahm. Die gemeinsame Single “What Have I Done To Deserve This” erreichte Platz 2 der britischen und der US-amerikanischen Charts. Die Folgesingle “Nothing Has Been Proved” – sie erschien im 1988 Soundtrack des Films “Scandal” – erreichte die Top 20 und ebenso das vorletzte Album “Reputation”. Während Springfield 1995 ihr letztes Album “A Very Fine Love” in Nashville aufnahm, stellte man Brustkrebs bei ihr fest. Nach Monaten der Therapie schien sie auf dem Wege der Besserung, machte sogar noch einen Fernsehauftritt, auf dem Alison Moyet und Sinead O´Connor Background sangen. 1996 erlag sie mit nur 59 der Krankheit. In ihrem Testament bedachte Springfield ihre zahlreichen Hauskatzen. Person:
Verschiedene Biografen Springfields beschreiben die Sängerin als gespaltene Persönlichkeit. Es gab die scheue, ruhige, schüchterne Mary O´Brian und ihr Alter Ego, die ausschweifende, exzessive Dusty Springfield, berüchtigt für ihre Essensschlachten. Persönliche Probleme und Drogenabhängigkeit warfen immer wieder ihre Schatten auf die Karriere der Sängerin. 

Springfields Liebhaber und Lebenspartner blieben stets anonym, das sorgte Zeit ihres Lebens für wilde Spekulationen in den Medien. 1970 erklärte sie in einem Interview mit dem “Evening Standard”, dass sie bisexuell sei. Kurz darauf floh die Londonerin vor den britischen Tabloids nach Kalifornien, wo sie in den 70ern zurückgezogen lebte. Zum Ende der 1970er wurde sie zum Idol der Gay-Szene. Als Prinzessin Margaret 1979 zu einem Comeback-Konzert in der Londoner Royal Albert Hall kam, sagte Springfield begeistert: “Ich freue mich, dass der Adel nicht so engstirnig ist.” Im Studio war Springfield eine anstrengende Perfektionistin. Die kompletten Gesangsspuren von “Dusty In Memphis” nahm sie immer wieder auf, zum Schluss in New York. | Manchmal machte sie Overdubs von einzelnen Textstellen oder gar Wörtern. Jerry Wexler kommentierte, sie wäre damals von einem “wahnsinnigen Minderwertigkeitskomplex” angetrieben worden. Springfield hatte ein außerordentliches musikalisches Gehör, konnte aber keine Noten lesen, was die Kommunikation mit den Studiomusikern erschwerte. Sie wusste oft besser als ihre Produzenten, was zu tun war, in den 1960ern brach sie damit Tabus.