Edwin Rosen | Biografie

Biografie 2021

Edwin Rosen

„mitleerenhänden“

EP, VÖ: 24. September 2021

 
Nach den ersten geheimnisvollen, ohne viele Informationen gestreuten Songs „leichter//kälter“, „Die Sonne in deinem Zimmer“ und der ersten „richtigen“ Single „Verschwende deine Zeit“ dürfte man Edin Rosen inzwischen auf dem Schirm haben. Und erleichtert sein. Denn, ja, es gibt ihn wirklich. Er konnte inzwischen sogar – zum Beispiel auf dem Maifeld Derby – erste, sehr gelungene Konzerte spielen. Er gab erste Interviews. Und er veröffentlicht nun endlich eine 5-Track-EP, die zwar „mitleerenhänden“ heißt, aber das auch nur, weil sein neuer, titelgebender Song so heißt. Denn eigentlich steht Edwin Rosen eher vollbeladen in der deutschen Musiklandschaft herum: mit Talent, Erwartungshaltungen, Referenzen und zahlreichen Fans, die seinen Songs im Internet seit jeher die Liebe geben, die er in seinen so herrlich dramatisch gesungenen Lyrics oft nicht zu finden vermag. In „mitleerenhänden“ singt Edwin Rosen zum Beispiel: „Mit leeren Händen steh ich da / und frag dich, ob du mit mir tanzen magst / ganz enttäuscht steh ich da / tanz alleine durch den leeren Saal / und du stehst nur da / mit verkreuzten Armen.“ Die Musik dazu ist kalt und warm zugleich: Synths, die aus Berliner Vorwende-Kellern herauszuwehen scheinen. Ein stoischer Drum-Machine-Beat. Aber dann: Gitarrenmelodien, die das Herz wärmen. Und Edwins einzigartige Grabesstimme, die von Trauer singt, aber in ihrem Timbre von Hoffnung kündet.
 
Die größte Überraschung für viele dürfte sein, dass Edwin Rosen im Gespräch dann ein sehr freundlicher, entspannter, gut gelaunter junger Mann ist. Anfang 20, Skater seit frühester Jugend, hat er diese natürliche Coolness, die nur die Menschen haben, die sich niemals selbst so sehen würden. Ebenso überraschend dürfte sein: Der Weg zu seinem Sound, den er nur halb im Ernst, aber sehr treffend „neueneuedeutschewelle“ taufte, führte über Blink−182 – und landete erst später, zum Beispiel bei DAF, EA 80, dem „Twin Peaks“-Soundtrack und Grauzone. „Das hört man vielleicht jetzt nicht mehr so, aber Blink−182 waren eine sehr wichtige Band für mich. Die haben bei mir den Wunsch geweckt, selbst Musik zu machen. Durch ‚All Of This‘, bei dem Robert Smith singt, habe ich dann zum Beispiel The Cure entdeckt. Außerdem bin ich Skater und habe viele Skater-Videos geschaut, in denen Cure-Songs oder New Order und so genutzt werden.“ Von da an hat sich Edwin mit viel Neugier und mit Hilfe der Platten seines Vaters schon als Teenager in Punk, Post-Punk, New Wave und „diverse Subgenres des Punk“ hineingegraben. Große Liebe entwickelte er dabei für das erste und einzige Album der Schweizer von Grauzone. Er hat sogar ein Skateboard, auf dem eine Zeile aus seinem Lieblingslied steht: „Marmelade und Himbeereis.“ Eine gute Wahl. Die wiederum zu seiner außergewöhnlichen Instrumentierung führte. Edwin erklärt: „Als ich begann Musik zu machen, wollte ich all diese Einflüsse aufgreifen aber unbedingt alles alleine aufnehmen können – das hat die Instrumentierung natürlich sehr beeinflusst.“ Für den finalen Mix half ihm dann sein Freund und Produzent Philip J. Brooks, der ihm von Anfang zur Seite stand. Die präzisen, fast kargen Texte seien dann eher den besagten „diversen Subgenres des Punk“ geschuldet, die ihn sehr inspiriert haben. Noch immer ist es eine große Freude, Edwin auf seinem sehr poetischen Instagram-Account @bettausrosen zu folgen, und in seinen Stories manchmal sehr rare Band- oder Fanzine-Merch-Shirts zu entdecken.
 
Die neue EP „mitleerenhänden“ versammelt nun den neuen Track mit vier seiner stärksten Kompositionen: „leichter//kälter“, „1119“, „Verschwende deine Zeit“ und „Die Sonne in deinem Zimmer“. Viel mehr hat er ja auch nicht – aber die sind halt alle stark. Fünf Lieder, die zwar historische Referenzen aus der spannendsten Ära deutschsprachiger Popmusik anklingen lassen, aber irgendwie doch wie aus der Zeit gefallen klingen. Was einerseits an der besagten Instrumentierung liegt, andererseits aber auch an der sparsamen und zugleich poetischen Art und Weise, wie Edwin Rosen seine Texte schreibt. Er selbst sagt, dass für ihn das Instrumentale immer am Anfang stehe. „Dann fühle ich mich ein und versuche herauszufinden, was mir dabei im Kopf herumschwirrt.“ Dass diese Texte dann so karg, präzise und lyrisch sind, könnte – so vermutet er – „wieder daran liegen, dass ich viel Punk und Post-Punk höre und es immer beeindruckend fand, wenn eine Band mit ganz wenigen Worten ein riesiges Feld aufmacht.“ Aber auch bestimmte Filmwelten hätten einen großen Einfluss auf ihn und seine Musikvideos – David Lynchs Klassiker zum Beispiel, oder auch Richard Kellys „Donnie Darko.“ Aber – und das sollte die Schlusspointe dieses Textes sein – bei all der Freude am Referenz-Karussell, in dem wir so gerne unsere Runden drehen: Edwin Rosen mag da besonders geschmackssicher zugegriffen haben, aber die Art und Weise wie er seine außergewöhnliche Musiksozialisation in eine eigene Sprache und Klangwelt überführt, hat man in der heimischen Indie-Landschaft lange nicht mehr gesehen.