Nach knapp 25 Jahren, die er nun schon als Sänger der Band Elbow aktiv ist, steht eine der größten Stimmen Großbritanniens erstmals mit einem Solo-Album in den Startlöchern: Guy Garvey veröffentlicht sein Debüt-Album “Courting The Squall” am 30. Oktober 2015.
Begonnen in den Real World Studios in der Nähe von Bath und finalisiert in den Blueprint Studios in Salford, wird Guy auf “Courting The Squall” von seinen “Lieblingsmusikern außerhalb von Elbow” begleitet: Spontaneität und Experimentierfreude standen ganz klar im Mittelpunkt der Aufnahmen, wobei Guy selbst durchweg das Heft in der Hand hatte. Seine ausgesuchten Gastmusiker hätten “schnell gearbeitet und dabei nicht gerade wenig getrunken”, so sein Kommentar über das Album, das größtenteils aus Live-Mitschnitten aus dem Studio besteht, die quasi ohne Overdubs auskommen. Anders als bei Elbow, wo schon immer demokratisch abgestimmt wird, ist “Courting The Squall” ein Album, bei dem Guy Garvey letztlich alle Fäden in der Hand hatte, um ganz allein seine Vision und seine Gefühle zu vertonen.
An den Aufnahmen beteiligt waren Pete Jobson, ein alter Freund und sonst Bassist bei I Am Kloot, der hier Lead-Gitarre spielt, sowie Nathan Sudders (The Whip) am Bass, die den Songs einen gewissen Indie-Beigeschmack verpassen, der Guy bei einigen Stücken besonders am Herzen lag. Hinter den Keyboards stand sein einstiger V2-Labelkollege Ben Christophers, während Alex Reeves am Schlagzeug saß. Dazu treten auch die Bläser, mit denen Elbow sonst arbeiten, dann und wann in Aktion, während Rachael Gladwin, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Schwangerschaft einen nüchternen Kontrast zur ausgelassenen Herrenrunde darstellte, einzelne Harfen- und Kora-Parts beisteuerte.
Insgesamt basiert “Courting The Squall” auf jenen Einflüssen und Ideen, die “einfach nicht ins Elbow-Universum passen”, so Garvey. Einige der Tracks – z.B. “Angela’s Eyes”, “Harder Edges” und “Belly Of The Whale” – sind ganz klar um ein Groove-Gerüst gestrickt; sie vereinen gewissermaßen Manchesters Vergangenheit (in weiten Hosen) mit Guys Hang zu Tom Waits und Bowies Alben aus den Mittsiebzigern, besonders “Sound And Vision”. Dabei verlangte die klangliche Neuausrichtung auch nach einem anderen Ansatz als Sänger, so dass Garvey hier etwas abgehackter klingt, direkter, fast schon wie in seinen Anfangstagen, als seine Texte noch sehr stark vom HipHop beeinflusst waren, wo kurze, knappe Phrasen zugleich Inhalte transportieren und rhythmische Akzente setzen.
Die Inhalte selbst schlagen zum Teil in eine ähnliche Kerbe wie das, was man von älteren Aufnahmen kennt: Große Themen wie die Liebe, die Freundschaft, die Reize seiner Heimat, dem Norden Englands, klingen hier durchaus an, obwohl die Texte, genau wie die Songs an sich, mitunter durchaus spontan entstanden sind: In einem Fall war es ein Vogel, den Guy durch das Fenster des Studios beobachtet hatte, der schließlich die Musik inspirierte; gelegentlich war’s auch eine offene Jam-Session, in deren Verlauf sich die Komposition und die dazugehörigen Worte herauskristallisierten. Feste Regeln gab es da keine.
Nachdem er selbst in den letzten Jahren häufiger als Gast-Vokalist an den Alben anderer Künstler mitgewirkt hat, holt sich Guy Garvey auch auf “Courting The Squall” z.B. Jolie Holland an seine Seite, mit der er das schwelgerische “Electricity” aufgenommen hat – ein Stück, das an verbotene Jazzkneipen im Paris der Jahrhundertwende erinnert, an New York während der Prohibition, obwohl es doch in der ländlichen Abgeschiedenheit von Bath entstanden ist. Neben Jolie haben noch weitere, weniger bekannte Gäste an dem Album mitgewirkt, doch sollen diese Namen vorerst ein Geheimnis bleiben.
Wichtiger ist, dass sich Guy Garvey mit “Courting The Squall” nicht ausschließlich auf musikalisches Neuland bewegt: Der Titelsong zum Beispiel, eine Ballade mit Triphop-Beat, und “Juggernaut”, eine Kirchenhymne im lässigen Gewand, werden langjährige Anhänger seiner Musik nicht besonders überraschen, während die Wärme von “Broken Bottles And Chandeliers” wieder einmal perfekt unterstreicht, wie unglaublich talentiert dieser Mann darin ist, pure Lebensfreude ganz dezent in Songs zu verwandeln.
Letztlich ist “Courting The Squall”, wie alle Solo-Alben, ein Blick in die Seele ihres Autors: Durchzogen von einer Wärme, einer emotionalen Intelligenz, merkt man, wie wohl sich diese Songs in ihrer eigenen Haut fühlen – was Guys Debüt zu einem echten Ausnahmephänomen macht: Es ist ein Album, das ohne feste Vorbedingungen entstanden ist, das einfach nur deshalb existiert, weil die Beteiligten Spaß dabei hatten, es aufzunehmen.
Anlässlich der Veröffentlichung seines Solo-Debüts hat Guy für den November und den Dezember eine kurze Tournee durch Europa und UK angekündigt, in deren Rahmen er auch in Berlin Halt machen wird. Unterstützt wird er dabei von jenen Musikern, die auch auf dem Album zu hören sind: Pete Jobson von I Am Kloot an der Gitarre, Nathan Sudders von The Whip am Bass und Alex Reeves am Schlagzeug. Komplettiert wird das Line-up durch die Bläser von Elbow.