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Jan Fleischhauer

Verkehrte Welt

Jan Fleischauer - Unter Linken
04.08.2010
Der Untertitel trifft den Punkt: „Von einem, der aus Versehen konservativ wurde“. Jan Fleischhauers geistreiche Analyse der deutschen Politstimmung gibt es nun auch als Hörbuch.
Inzwischen wundert sich kaum jemand, wenn in der Diskussion Begriffe wie „linkskonservativ“ fallen. Politisches Denken, Fühlen und Handeln hat sich in den zwei Jahrzehnten nach der Wende ebenso schleichend wie nachhaltig verändert, so dass manch einer verwundert vor den eigenen Meinungen steht. Jan Fleischhauer ist so ein Fall. Seit 1989 Redakteur beim Nachrichtenmagazin Der Spiegel  hat er den intellektuellen Wandel am persönlichen Beispiel erlebt und als investigativ geschulter Journalist beschlossen, den Blick auf sich selbst und seine gesellschaftliche Sozialisation zu richten. Das Ergebnis ist ebenso frappierend wie erhellend. Denn so wie er als Spross der Nach−68er zum Teil mit absurden Situationen im Alltag fertig werden musste, ging es vielen, die in dieser Ära etwas auf ihren Scharfsinn und ihre Haltung hielten. Fleischhauer schrieb „Unter Linken“ als Bekenntnisbuch mit realsatirischem Unterton, schuf damit quasi nebenbei eine ungemein treffende Analyse der bundesdeutschen Leitkultur und außerdem einen Bestseller, der kurz nach der Veröffentlichung im Mai 2009 bereits die Sachbuchlisten hinauf wanderte.
Das Geheimnis des Erfolgs liegt dabei in der Mischung aus Lakonik und Präzision, aus biographischem Erleben und am eigenen Beispiel nachvollziehbarem Erkennen von Strukturen, die die scheinbar unabhängige persönliche Meinung sukzessiv und subversiv geprägt haben. Das fängt schon gut an: „Ich kann von mir sagen, ich kenne mich aus mit den Linken, ich habe mein halbes Leben unter ihnen verbracht. Meine Eltern waren links, meine Schulkameraden und die Mehrzahl meiner Lehrer, die Kommilitonen an der Universität und natürlich alle Professoren. Die meisten meiner Kollegen sind es noch heute. Es ist nicht so, dass ich darunter gelitten hätte. Ich bin sehr behütet aufgewachsen, links behütet eben. Meinen ersten Disney-Film habe ich zusammen mit meinen eigenen Kindern gesehen. Als McDonald’s eine Filiale in meinem Stadtteil aufmachte, hielt mir mein Vater einen ernsten Vortrag über den verderblichen Einfluss amerikanischer Fastfood-Kultur. Der Genuss meines ersten Burgers war ein Akt jugendlicher Auflehnung; bis heute habe ich bei einem der gelegentlichen Besuche einen Rest schlechten Gewissens“.
In diesem Ton geht es weiter, unterhaltsam und an der Oberfläche nüchtern, im Kern jedoch bewegt darüber, dass aus dem Hehren des Engagierten letztlich ein zutiefst bürgerliches System geworden ist, das in vielem genau nach den Regeln funktioniert, die eigentlich abgelehnt wurden. Jan Fleischhauer entlarvt die Linken als Verwalter eines Mythos', der mit der Kraft des Moralischen effektiv aufrecht erhalten wird und als gesellschaftliche, politische Instanz den Alltag übernommen hat. Die Essenz dieser Einsichten und Beobachtungen hat der Autor selbst nun auf drei CDs als Hörbuch zusammen gefasst und gelesen. Mit samtener Stimme und einem Duktus, der die Mischung aus Verwunderung und latenter Verärgerung über die Erosion einer Geisteshaltung noch unterstützt, vollzieht er nach, was es heißt, in Zeiten wie diesen eben aus Versehen konservativ zu werden. Mit einem offenen Ende: „Man braucht kein Kulturpessimist zu sein, um sich zu fragen, wie lange das gutgehen kann. Jeden Menschen, der seine fünf Sinne beisammenhat, beschleichen dieser Tage düstere Ahnungen. Nur, an wen soll man sich wenden mit seinen Fragen? An die weltlichen Mächte? Wohl kaum. Die geistlichen? Vielleicht. Aber das ist ein Thema für ein anderes Buch“.