Jonas Myrin | Biografie

Jonas Myrin Biografie

Bis aus einem Rohdiamanten, der für Laien oft kaum von gewöhnlichem Gestein zu unterscheiden ist, ein einmaliges Schmuckstück geworden ist, durchläuft das Material einen mühevollen Prozess der Veredelung. Wir wollen hier nicht zu fachspezifisch werden, aber ein Rohkristall muss gespalten und gesägt, gerieben, geschliffen und poliert werden. Nur solchermaßen gewonnene Edelsteine sind von zeitlosem Wert und einmaligem Glanz. 
Was Jonas Myrin mit Diamanten zu tun hat? Nun, auch der schwedische Sänger, Songschreiber und Multiinstrumentalist durchlief einen ähnlichen Prozess. Denn in den vergangenen zwölf Jahren ging es für den Musiker vor allem darum, zu definieren, was er alles NICHT wollte. Nur Songs für andere Leute zu schreiben zum Beispiel – um dann selbst trotzdem Fremdmaterial zu singen. 
Man muss die Vorgeschichte dieses Mannes kennen, um „Dreams, Plans And Everything“, sein Solodebüt, ganzheitlich erfassen zu können. Das Album ist nicht weniger als das in Töne gegossene Freiheitsbekenntnis des Jonas Myrin, sein musikalisches Manifest. Am deutlichsten gilt diese Feststellung für den ersten Song „Prisoner“: „I‘m not your prisoner anymore“, singt Myrin dort immer wieder mit triumphierendem Aplomb, es ist ein einziges Aufbegehren, ein Erleichterungsschrei. 
Denn Jonas hat seine Fesseln gesprengt und sich aus der Gefangenschaft all dessen gelöst, was ihn in den Jahren zuvor gelähmt hatte. Wie jeder gute Popsong hat „Prisoner“ universelle Gültigkeit: Letztlich ist es egal, ob Sie gerade eine traumatische Beziehung oder einen einengenden Job hinter sich gelassen haben. „Prisoner“ ist eine kollektive Befreiungshymne, sie wird Sie durch den nahenden Frühling tragen. Und weil im Leben oft Gutes passiert, wo und wenn man am wenigsten damit rechnet, hat Jonas Myrin seine Freiheit ausgerechnet wenige Kilometer von jenem Ort wiedererrungen, an dem alles begann. 
Geboren wurde der Musiker im schwedischen Örebro, einem 100.000-Einwohner-Kaff 200 Kilometer von Stockholm. Seine Eltern liebten Musik, der Vater, ein Journalist, besaß eine umfangreiche Plattensammlung: Jazz, Folk, Latin, Psychedelic, Pop, Rock – stets wurde im Hause Myrin Musik gespielt, eine perfekte Schule. Man muss sich die Familie wohl als glückliche Hippies vorstellen. 
Bereits in jungen Jahren gingen die Myrins häufig auf Reisen. Neben ihrer eigentlichen Arbeit leisteten die Eltern mehrere Monate im Jahr Missionsarbeit in den ärmeren Regionen der Welt. Eine Tätigkeit, die sie und die Kinder in entlegene Gegenden führte – und die Jonas entscheidend prägte: In Afrika verweigerte der Junge bisweilen das Essen, weil er es nicht ertragen konnte, dass der Kühlschrank der Myrins voll war, während seine Freunde auf der Straße nichtmal einen Kühlschrank hatten. Und als sie in Russland einmal eingeladen waren, präsentierte der Gastgeber stolz eine einzige Apfelsine, die zwischen allen Gästen aufgeteilt als Nachtisch diente. Auch aufgrund solcher Erfahrungen weiß Jonas Myrin, worauf es im Leben eigentlich ankommt.
Obwohl keiner seiner Verwandten professionell musizierte, stand immer ein Klavier im Hause Myrin. Selbiges wurde – neben seiner Familie – zur einzigen Konstante im Leben des jungen Jonas: „Egal, ob wir gerade in Südafrika oder in Russland waren, das Klavier war immer dabei“, sagt er. Bereits früh begann Myrin, auf dem Instrument rumzuklimpern und dazu zu singen. Eine Weile nahm er Unterricht, aber das Meiste hat er sich selbst beigebracht. Mit elf begann er dann bereits, Songs zu schreiben, kurz darauf gründete er die erste Band – A Jam. Die Musiker orientierten sich an den Beatles, spielten auf lokalen Bühnen – doch irgendwann merkte Myrin, dass die schwedische Provinz zu klein war für seine Träume und Visionen.
Als er 17 war, ging Jonas Myrin schließlich nach London. Mit seinen Eltern traf er die Vereinbarung, sich für ein Jahr an einer Musik- und Performance-Schule zu versuchen und bei Nichtgelingen zurückzukehren. Vorher hatte seine Lehrerin ihn noch überzeugt, dass er einen Abschluss brauche und extra für Myrin eine Art Turbo-Lehrgang installiert, der es ihm ermöglichte binnen weniger Monate alle Prüfungen eines Jahres erfolgreich zu absolvieren – die nach seiner Aussage arbeitsintensivste Phase seines Lebens. Zur Sicherheit begleitete ihn zudem seine ältere Schwester nach London, um sicherzustellen, dass der Junge in der großen Stadt nicht unter die Räder kommt. 
Eine unbegründete Sorge: Nachdem er die erste Zeit in London gemeinsam mit der Schwester in einem Mini-Appartment in einem Problembezirk gewohnt hatte, freundete sich Myrin schnell mit anderen jungen Musikern an und schuf die Grundlagen eines beeindruckenden Netzwerks, von dem er bis heute profitiert. Und sein Lehrer in der Musikschule nahm ihn härter ran als die anderen – weil er Myrin für ein besonderes Talent hielt, dem er schon damals den Durchbruch prognostizierte. 
Nachdem er die Schule erfolgreich absolviert hatte, nahm Myrin die üblichen Nebenjobs an:
Neben zahlreichen anderen Tätigkeiten, übernahm er Statistenrollen in Musikvideos von Sophie Ellis-Bextor und anderen. Zu dieser Zeit freundete er sich auch mit der damals noch völlig unbekannten Natasha Bedingfield an, bis heute eine sehr gute Freundin.
Durch deren späteren Durchbruch machte Myrin erste Erfahrungen mit der Schattenseite der Musikindustrie. Er begleitete Bedingfield zu „Top-Of-The-Pops“-Auftritten und anderen Gelegenheiten, und merkte schnell, was er NICHT befolgen wollte: die vermeintlichen Gesetze einer nur auf schnelle Chart-Erfolge fixierten Pop-Industrie. 
Und doch hat er sie selbst erlebt: Die Meetings mit prominenten Musik-Managern, die ihn „groß rausbringen“ wollten – allerdings ohne sein eigenes Material zu verwenden. Die Myrins Talent erkannten, ihn aber als fremdbestimmtes Pop-Produkt vermarkten wollten. Es spricht für den Charakter des Schweden, dass er sich derlei Übernahmeversuchen stets erfolgreich widersetzt hat. Durchaus nicht ohne Zweifel: So manchen Abend fragte sich Myrin, ob er noch ganz richtig im Kopf sei, dass er all die hochdotierten Angebote ausschlug. 
„Es war nicht leicht“, sagt er, „ich hätte den einfachen Weg zum Erfolg wählen können, habe mich aber dagegen entschieden. Weil Erfolg für mich etwas anderes bedeutet als für die meisten Leute, die sich nach nichts so sehr sehnen, wie nach einem Nummer-eins-Album. Für mich bedeutet Erfolg jedoch, meine künstlerische Vision umzusetzen und mit allem im Einklang zu stehen, was ich mache. Kein Arschloch zu werden, auch das ist wichtig.“
Ein Beispiel: Als Myrin seine Songs noch bei MySpace einstellte und niemand sie kannte, erhielt er einmal eine Nachricht von einem jungen Mädchen, das sich umbringen wollte und nun schrieb, die Songs auf seiner MySpace-Page hätten sie davon abgehalten. Das ist für Jonas Myrin Erfolg.
Aber auch im konventionellen Sinne nahm seine Karriere an Fahrt auf: Der Musiker begann zunehmend, seine Songs zu verkaufen, was deutlich besser war als die zahllosen Nebenjobs. Wir wollen hier nicht alle Stationen aufzählen, aber über die Jahre hat Jonas in London und Los Angeles unter anderem mit Mitgliedern von Supergrass, Snow Patrol, Athlete, Peter Bjorn And John und zahlreichen anderen geschrieben. 2010 wurde eine seiner Arbeiten gar für den Grammy nominiert.
Irgendwann jedoch begann er, seine besten Aufnahmen bewusst für eigene Pläne zurückzuhalten. 
Dass Jonas Myrin ein Talent zum Storytelling hat, Songs schreiben kann, merkt man bereits, wenn man sich nur eine halbe Stunde mit ihm unterhält. Der Mann hat Unfassbares erlebt, wovon er mit glühenden Augen zu berichten weiß. Stellvertretend sei jene Geschichte erwähnt, die wir hier die ,Grace‘-Smartphone-Begebenheit nennen wollen: Myrin wurde während eines Aufenthalts in Ruanda sein Smartphone gestohlen, auf dem sich etwa 150 Songideen befanden. Und nein, der Musiker hatte kein Backup erstellt. Myrin war verzweifelt, niedergeschlagen, am Ende: Wenige Tage später musste er in den USA zu einer Songwriting-Session, deren Basis die Ideen in seinem Smartphone waren. In Ermangelung einer Alternative setzte er sich an den Flügel und spielte ohne Netz und doppelten Boden oder irgendeine Art von Grundlage drauf los. Myrin wagte viel und gewann alles, denn ausgerechnet an diesem Tag schrieb er in einem Rutsch den besagten Song – „Grace“.
Einige Wochen später bekam er eine Mail von einem Mann aus Ruanda: „Mr. Jonas, this is reality .... I bought your phone on a black market“, hieß es dort in gebrochenem Englisch. „I listen to your music
Mehr von Jonas Myrin