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Juli, Insel, 2014

04.08.2014
Mit rund 1,5 Millionen verkauften Tonträgern ist Juli eine der erfolgreichsten deutschen Bands der letzten zehn Jahre. Ihre mit Gold- und Platin ausgezeichneten Alben und Hitsingles wie “Perfekte Welle”, “Geile Zeit”, “Dieses Leben” und “Elektrisches Gefühl” sprechen für sich. Doch mit Verkaufserfolgen haben sich Eva Briegel, Simon Triebel, Jonas Pfetzing, Andreas “Dedi” Herde und Marcel Römer noch nie zufrieden gegeben, geschweige denn, sich darüber definiert. Spätestens mit ihrem letzten Album “In Love” belegten Juli, dass sie auch in künstlerischer Hinsicht ein echtes Schwergewicht sind.
Zehn Jahre nach dem Debüt “Es ist Juli” und acht Jahre nach dem Zweitling “Ein neuer Tag” markierte es gewissermaßen einen Wendepunkt. Juli präsentierten sich Juli auf dem Album, das von seiner Vielfalt, Dynamik und Ambivalenz lebte, als gereifte Band mit starken Persönlichkeiten, die den Songs lyrisch und kompositorisch ihre Stempel aufdrückten.
Seit der Veröffentlichung von “In Love” sind einmal mehr vier Jahre vergangen. Vier Jahre, in denen es die Bandmitglieder eine ganze Zeit lang in alle vier Winde auseinandergeweht hat. Aber obwohl sie das “wo” und “wann” erst einmal offen ließen, stand nie außer Frage, dass man sich eher früher als später wieder zusammenfinden würde, um neue Songs zu schreiben. Am Ende trafen die Gießener sich dort, wo sie auseinander gegangen waren, in Berlin, stellten allerdings rasch fest, dass ihre eigentliche Heimat weder die Hauptstadt noch die Provinz, sondern die Band Juli selbst ist.
Eine Insel, der man hin und wieder den Rücken kehrt, wenn einen der Inselkoller packt, die man aber im Herzen stets bei sich trägt und auf die es einen immer wieder wie magisch zurückzieht. Diese Erkenntnis wurde zum Ausganspunkt und Rahmen der gemeinsamen Arbeit am neuen Album — und indirekt gab sie ihm sogar seinen Namen.
Insel” ist das Werk einer Band, die mehr denn je weiß, was sie an sich hat. Wo der Vorgänger den einzelnen kreativen Persönlichkeiten, die Juli ausmachen, eine Plattform bot, ihre künstlerische Entwicklung auszuleben, stellen sie diesmal ihr musikalisches, kompositorisches und lyrisches Können — Fähigkeiten, auf die in den letzten Jahren von Udo Lindenberg bis Madsen eine Vielzahl anderer Stars zurückgegriffen hat  — ganz in den Dienst einer gemeinsamen Vision: Das neue Album sollte vor allem eines sein — so sehr Juli, wie irgend möglich.
Und tatsächlich ist “Insel” — wieder einmal produziert von Olaf Opal, ihrem Haus- und Hofproduzenten, und der Band selbst — das bis dato dichteste, organischste und demokratischste Werk des Quintetts. Nicht nur aus Evas facettenreichem, glasklarem, leidenschaftlich intoniertem Gesang spricht jederzeit der unbedingte Wille, den originären, gewachsenen und charakteristischen Bandsound abzubilden, sondern auch aus jedem der sphärischen, schwebenden, die Songs gleichzeitig im melodiösen Fluss haltenden und sie mit spielerischer Leichtigkeit umgarnenden Gitarrenklänge, die auf berückend unaufdringliche Weise in den Vordergrund zurückgekehrt sind und die — noch immer vorhandenen — elektronischen Elemente in die zweite Reihe verweisen, wie auch aus dem hypnotischen, kraftvollen und perkussiven Spiel der Rhythmusgruppe, das in enervierendem Kontrast zum feinfühligen Auftritt von Stimme und Melodieinstrumenten steht.
Natürlich wäre Juli nicht Juli, wenn “Insel” nicht dennoch gespickt wäre mit potenziellen Hits, von denen jeder seinen ganz eigenen Charakter hat. Da sind auf der einen Seite die leichtfüßigen, tanzbaren Goodfeel-Nummern wie der herrlich poppige Titeltrack mit seinen elegant federnden Yachtrock-Anleihen, das von frenetischen Chören und treibendem Schlagzeug geprägte, tropisch schwüle “Wasserfall”, oder das mit der Mantra-artigen Mitmachdynamik eines Nursery-Rhymes spielende “Wenn das alles ist”, deren Ohrwurm-Qualitäten sich innerhalb weniger Takte entfalten. Auf der anderen Seite geizen auch die offensichtlichen Hits auf “Insel” nicht mit tiefsinnigeren Gedanken, wobei sie sich aber immer wieder mal ein erfrischendes Augenzwinkern rausnehmen, dass ihnen erlaubt, sich ohne Angst vor der Pathos-Falle an die ganz großen Themen und sogar, wie in “Eines Tages”, auf hierzulande eigentlich als in lyrischer Hinsicht vermint geltendes Gelände, nämlich die utopische Hymne wagen.
Was “Insel” allerdings mehr als alles andere zum bisher gelungensten Werk der Band macht, ist, dass es sehr viel mehr ist, als bloß die Summe seiner Teile. Gerade Songs wie “Ich halte meine Welt fest”, mit seinen jubilierenden Mandolinen-Klängen und den verzerrten Gitarren im Finale, deren Feedback — wie, um die textliche Aussage zu widerlegen — am Arrangement zu sägen scheint, bis es droht, auseinanderzubrechen, oder das Abschiedslied “2004”, das zwar eigentlich der gemeinsamen Heimat Gießen gilt, aber auch als zwischenmenschliches Beziehungs-Resümee gelesen werden kann, und ganz besonders das schwerelose “Hallo Hallo” — ein Duett von Eva mit Daniel Schaub von der Band Jack Beauregard, das sich von zarten, fast minimalistisch verträumten Indie-Electronic-Klängen, zu einer hypnotischen Hymne an den Moment aufschwingt, bringen auch abseits der offenkundigen Singles jenes traumwandlerische Changieren zwischen Loslassen und Festhalten zum Ausdruck, das den Sehnsuchts-Pop von Juli mehr als alles andere ausmacht und den Hörer in diesen angenehmen Schwebezustand zwischen Euphorie und Melancholie versetzt, in dem er auch nach dem letzten Ton des Albums mit wippenden Füßen, einem Lächeln auf den Lippen und einer Träne im Knopfloch verharrt.
Ziemlich genau zehn Jahre nachdem sie sich mit “Perfekte Welle” aus dem Stand heraus in den Charts-Olymp katapultierten, beweisen Juli mit “Insel”, dass sie sich immer noch mit jedem neuen Album selbst übertreffen können.         

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