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Lisa Marie Presley – Now What Biografie (german)

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17.05.2005
LISA MARIE PRESLEY

“Now What”

Lisa Marie Presley rockt sich auf ihrem neuen Album die Seele aus dem Leib. Die berühmte Tochter des King of Rock’n'Roll strahlt auf “Now What” ein Selbstbewusstsein aus, das auf ihrem Debüt aus dem Jahr 2003 bei weitem nicht so ausgeprägt war. Schon der Titel ihres Erstlings, “To Whom It May Concern”, hatte den Gedanken nahe gelegt, dass sie sich selbst nicht sicher war, an wen ihre Musik adressiert war. Bis dahin hatte die heute 37-jährige eben auch noch keine Schlagzeilen als Musikerin gemacht. Ganz auf die Musikerin eingestellt hatten sich die Medien offensichtlich noch nicht, sodass sich Lisa Marie Presley immer wieder sehr persönlichen Fragen ausgeliefert sah. Die Turbulenzen in ihrem Privatleben, insbesondere die gescheiterten Ehen mit Michael Jackson und Nicholas Cage, waren nach wie vor ein gefundenes Fressen für die Medien. Dabei konnte es schon als kleine Sensation gelten, dass die Verkäufe ihres Debütalbums in den USA Gold erzielten.

Doch dann geschah etwas noch Außergewöhnlicheres: Bei ihrem ersten Konzert, bei dem Lisa Marie Presley als Headliner auftrat, im Stone Pony in Asbury Park, New Jersey, lagen ihr die Fans zu Füßen. “Ich wusste überhaupt nicht, dass ich Fans hatte”, sagt sie im Rückblick auf diesen unglaublichen Abend. “Es war eine ausverkaufte Show, was mich schon tief berührte. Und dann merkte ich, dass das Publikum alle meine Songs mitsingen konnten. Jesus, sie kannten wirklich jeden Song und wenn ich mir mal nicht sicher im Text war, halfen sie mir aus. Ich spürte zum ersten Mal diese Energie, wenn man Menschen bewegen kann.” Im Laufe der folgenden Tournee stellte Lisa Marie Presley fest, dass sich diese Erfahrung Abend für Abend wiederholte. “Das hat mich völlig neu inspiriert. Darum geht es ja auch eigentlich – und nicht darum, dass ich überall Rede und Antwort stehe und überall präsent bin. Das war mein Ziel als Musikliebhaberin: Musik zu veröffentlichen in der Hoffnung, dass sie von Menschen gehört wird, denen diese Musik auch irgendwie weiterhilft.”

Diesen Funkenflug von Inspiration und die absolute Hingabe an die Musik spürt man bei “Now What” an nahezu jeder Stelle, vom resolut rockenden Opener “I’ll Figure It Out”, der das Wieso, Weshalb und Warum dieses Albums erklärt, bis hin zum abschließenden Titelsong, einer optimistischen Ballade, die dem allgegenwärtigen Zynismus ebenso die Stirn bietet wie dem nagenden Gefühl von Verlust. Denn “Now What” ist eine Sammlung von kraftvollen und sehr persönlichen Songs. Neu gewonnene Freundschaften, wie etwa zu Linda Perry, Co-Autorin von fünf Songs, oder zu Pink, ihrer Duettpartnerin bei “Shine”, haben an den Aufnahmen ebenso starken Einfluss gehabt wie die Trauer um einen nahe stehenden Freund. Punk-Ikone Johnny Ramone, einer von Lisas engsten Freunden, starb während der Aufnahmen zu ihrem neuen Album. “When You Go”, eine Ballade, die sie gemeinsam mit dem kalifornischen Songwriter Gus Black schrieb, ist genauso ihrem verstorbenen Freund gewidmet wie die Coverversion des Ramones-Songs “Here Today”, die den Epilog des Albums bildet. Weitere musikalische Liebesbezeugungen sind “Thanx”, inspiriert von ihrem Freundeskreis, sowie “Raven”, eine bewegende Hommage an ihre Mutter Priscilla Presley. Dass sie aber auch ihrer Wut freien Lauf lassen kann demonstriert sie mit der formidablen Coverversion von Don Henleys Rockklassiker “Dirty Laundry”, die zugleich die erste Single des Albums ist, und mit dem zornigen Rocksong “Idiot”, bei dem der ehemalige Sex-Pistols-Gitarrist Steve Jones gastiert.

Die guten Erfahrungen, die Lisa Marie Presley bei den Aufnahmen ihres Debütalbums mit dem Produzenten Eric Rosse gemacht hatte, führten zu dem Entschluss, dessen bewährten Fähigkeiten auch für “Now What” zu vertrauen. Als musikalischer Direktor betreute der Gitarrist Michael Lockwood die Aufnahmen und die Abmischung. Etwas schwieriger gestaltete sich die Mitwirkung anderer Songwriter. “Man schlug mir vor, mit jemandem zu arbeiten, der fürs Radio geschrieben hat. Ich war brüskiert und habe keinen Hehl aus meiner Aversion gemacht. Ich hätte mich keinem ‘Song-Doktor’ anvertraut und würde eher darauf verzichten, im Radio gespielt zu werden.” Als sie erfuhr, dass Linda Perry gerne mit ihr arbeiten würde, reagierte sie zunächst skeptisch. Dabei hat sich die ehemalige Frontfrau von Four Non-Blondes in den letzten Jahren einen glänzenden Namen als Autorin von Christina Aguilera, Pink und Gwen Stefani gemacht. Schließlich erklärte sich Presley bereit, Perry bei einer Party zu treffen, um sie kennen zu lernen.

“Wir kamen direkt glänzend miteinander aus”, erzählt Lisa Marie. Ich mochte sie auf Anhieb und spielte ihr vor, was ich bis dahin geschrieben hatte. Dann gingen wir ins Studio und machten uns daran, weitere Songs zu schreiben. Das ging schnell und machte Spaß. Sie schien ein wenig überrascht zu sein, dass ich hartnäckig darauf bestand, alle meine Songtexte selbst zu schreiben. Und sie war verblüfft, dass ich über den Texten brütete und hockte wie eine Maus über einem Stück Käse."

Die Zusammenarbeit zwischen den beiden eigensinnigen Frauen brachte am Ende einige der stärksten Songs hervor, die Lisa Marie Presley bis dato aufgenommen hat: hoch melodiös einerseits, absolut kraftvoll andererseits. Der mit einem an Nirvana erinnernden Basslauf ausgestattete Opener “I’ll Figure It Out” zählt ebenso dazu wie das sentimentale “Thanx” (Lisas erste scherzhafte Reaktion auf Lindas Komposition: “Was ist denn mit dir los? Du kannst ja richtig aufbauende Songs schreiben.”). Das krasse Gegenteil dazu ist “Idiot”, ein Song, zu dem Lisa sagt: “Es ist ja schön, metaphernreich und poetisch zu schreiben, aber manchmal macht es Spaß, einfach aus kurzer Distanz zwischen die Augen zu zielen.” Die entsprechende Wirkung verfehlt dieser Song denn auch nicht. Mit Vollgas Richtung Rockaway Beach. Ein wahrer Wellenbrecher.

Der Gastauftritt von Pink ergab sich fast von selbst. Normalerweise taucht Pink, die eng mit Linda Perry befreundet ist, nicht im Studio auf, wenn diese mit einer anderen Künstlerin arbeitet. Aber Perry und Presley nötigten sie geradezu, im Studio vorbeizuschauen. Presley arbeitete gerade an einem neuen Song und jedes Mal, wenn sie die Melodie summte, summte Pink mit. “Am nächsten Tag stand dann der Songtext und ich rief Pink an und sagte ihr, ich könne den Song nicht singen, ohne ihre Stimme dabei zu hören. Irgendwie trifft der Song auf uns beide zu. Sie ist wie eine konspirative Partnerin. Es gibt eine gute Verbindung zwischen uns. Unabsichtlich ist ein Song entstanden, der exakt auf unser Leben zutrifft, obwohl mir dies überhaupt nicht bewusst war, als ich ihn schrieb. Er ist so persönlich, dass er schon prophetisch ist.” Und so klingen denn auch die beiden Stimmen auf “Shine” wie geschaffen füreinander. Ein besonders strahlender Big-Pop-Moment des Albums.

Eine starke Präsenz auf dem Album strahlt auch Johnny Ramone aus, obwohl er gar nicht zu hören ist. Johnny hatte Lisa schon vor Jahren vorgeschlagen, “Here Today” für ein Ramones-Tribute-Album aufzunehmen, aber seinerzeit war es nicht dazu gekommen. Als Lisa sich letztes Jahr schließlich des Songs noch einmal annahm, hatte Johnny den Kampf gegen Krebs schon fast verloren. “Ich habe in den letzten Wochen seines Lebens viel Zeit mit ihm verbracht”, so Lisa. “Als er den Song für mich aussuchte, sagte er, Ramones-Songs klingen, als könne sie jeder singen. So einfach ist das nicht. Aber ich sagte ihm, du hast ihn für mich ausgesucht und es ist mir wichtig, dass ich ihn jetzt aufnehme. Und ich werde mich hüten, einen Song der Ramones zu verhunzen.” Eigentlich sollte Johnny mitspielen, aber sein Zustand verschlechterte sich und er starb genau an dem Tag, als Lisa mit der Aufnahme begann. Steve Jones ersetzte später seinen verstorbenen Freund an der Gitarre. Den fertigen Song spielte Presley der Witwe von Johnny vor. “Sie ist verdammt ehrlich”, so Lisa. “Und sie hat mir grünes Licht gegeben. Sonst hätte ich ihn auch nicht aufs Album genommen.”

Die Entscheidung, “Dirty Laundry” aufzunehmen, war ebenfalls nicht leicht, zeigt aber, dass Lisa den Mut hat, bei prekären Themen Öl ins Feuer zu gießen, zumal Don Henleys Song heute noch aktueller scheint als vor 20 Jahren. “Klar trifft der Song auch auf mich persönlich zu, aber ich will, dass er allgemeiner verstanden wird. Er lässt sich doch auf das öffentliche Leben besser denn je anwenden. Die Wirklichkeit zeigt, wie ungeheuerlich sensationslüstern alle geworden sind. Tatsache ist, dass es zum Entertainment gehört, den Untergang von anderen genüsslich zu beobachten und sich an deren dunkelsten Stunden zu weiden. Dieser Song beschreibt es optimal.” Die Neuauflage dieses Rockklassikers ist absolut überzeugend – eine Single mit Hit-Potential.

Einen weiteren sehr bewegenden Moment des Albums stellt “Raven” dar, das mit einer Kinderstimme endet. “Das bin ich mit drei Jahren”, erklärt Lisa. “Meine Mutter wollte damals, dass ich für meinen Dad ein Lied auf Band singe. So sang ich einfach ‚I Think I Love You' von der Partridge Family. Meine Mutter ärgerte sich und sagte: ‚Sing es doch richtig.' Ich schrieb ‚Raven' für meine Mom, wollte das aber eigentlich gar nicht aufs Album nehmen. Ich spielte den Song meiner Mutter im Auto vor und sie begann zu weinen. So dachte ich mir schließlich, dass ich auf so einen emotionalen Song nicht verzichten möchte.”

Dass auch die Fans auf die Songs von Lisa Marie Presley nicht verzichten möchten, zeigte sich gleich nach der Veröffentlichung des Albums in den USA. “Now What” schaffte auf Anhieb den Sprung in die Top Ten. Ein Indiz auch dafür, dass Lisa Marie Presley aus dem übermächtig scheinenden Schatten ihres Vaters herausgetreten ist. Mögen ihre markanten Gesichtszüge immer wieder zu nostalgischen Elvis-Déjà-vus verleiten, ihre rauchig-dynamische Stimme und ihre brillanten Songs zwischen glänzendem Pop und grollendem Rock positionieren sie als höchst eigenständige Künstlerin im Hier und Jetzt. Presley Prime Time!

Mai 2005

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