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Madeleine Peyroux – Careless Love

01.10.2004
Als Madeleine Peyroux 1996 mit ihrem Debütalbum “Dreamland” wie aus dem Nichts auf der Szene auftauchte, wurde sie mit einem wahren Sturzbach überschäumender Rezensionen begrüßt. Die meisten Kritiker schwärmten von ihrer Rauch- und Whiskey-verhangenen Stimme, die oft mit der Billie Holidays verglichen wurde. Andere wunderten sich, daß jemand in einem solchen Alter es schaffte, die Klassiker von Holiday, Bessie Smith und Patsy Cline so überzeugend vorzutragen, daß sie so klangen, als wären sie eigens für Peyroux geschrieben worden. Und das US-Nachrichtenmagazin Time meinte, daß Peyroux mit “Dreamland” in jenem Jahr das aufregendste Debütalbum einer Sängerin abgeliefert habe.
Die in Athens/Georgia geborene Madeleine Peyroux war 1987 mit ihrer Mutter, die bei einer internationalen Bankfirma arbeitete, von Brooklyn nach Paris gezogen. Dort lernte sie zwei Jahre später eine Gruppe von amerikanischen Straßenmusikern kennen, für die sie anfangs aus Spaß mit dem Hut herumging und bei der sie etwas später auch gelegentlich als Sängerin einsprang. 1990, da war sie erst 16 Jahre alt, sang sie bei einer anderen Straßenmusikerband – The Lost Wandering Blues & Jazz Band – vor und erhielt ihr erstes “Engagement”. Drei Jahre lang tourte sie mit dieser Band und einem Repertoire aus Jazzklassikern der 30er Jahre durch ganz Europa, dann begann sie ihre Solokarriere als Straßenmusikerin. Bei einem ihrer Auftritte entdeckte sie schließlich Yves Beauvais von Atlantic Records, nahm die damals 22jährige für das Label unter Vertrag und produzierte “Dreamland”. Neben Peyroux' reifer Stimme überraschte auch die hochkarätige Besetzung des Albums mit Saxophonist James Carter, Trompeter Marcus Printup, Pianist Cyrus Chestnut, den Gitarristen Vernon Reid und Marc Ribot, Geigerin Regina Carter, Bassist Greg Cohen sowie den Schlagzeugern Leon Parker und Kenny Wollesen.
 
Gerade noch eine unbekannte Straßenmusikerin, befand sich Madeleine Peyroux urplötzlich auf der Schnellstraße zu Erfolg und Ruhm. Schon bald trat sie bei großen Jazzfestivals und im Rahmen der Lilith-Fair-Konzerttourneen auf oder spielte im Vorprogramm von Größen wie Sarah McLachlan und Cesária Évora, während sich “Dreamland” weltweit über 200.000 Mal verkaufte. “Es war großartig”, erinnert sich Peyroux. “Ich hatte die Gelegenheit mit fantastischen Musikern aufzutreten, und ich lernte Nina Simone persönlich kennen. Ich hätte ewig so weitermachen können, entschied mich aber irgendwann dazu, auf die Bremse zu treten und eine Auszeit zu nehmen.”
 
Acht Jahre sind seit der Veröffentlichung verstrichen. Acht Jahre, in denen nur einzelne Tracks der jungen Sängerin auf Soundtracks, Compilations und einem Montreux-Live-Album aus dem Jahre 2002 erschienen. Daß aus dieser Auszeit acht Jahre ohne ein neues Album wurden, war so nicht geplant. Peyroux wurde ein Opfer der Sparmaßnahmen bei den Plattenfirmen. Dennoch hörte sie nicht auf zu singen. In all diesen Jahren trat sie regelmäßig in Clubs in Los Angeles, New Orleans, New York und Westeuropa auf und agierte ansonsten, ohne über die Ungerechtigkeit der Welt zu lamentieren, sogar wieder als Straßenmusikerin.
 
Nun gibt es mit “Careless Love” endlich ein zweites Album der nunmehr 30jährigen. Eine so lange Zeit zwischen der Veröffentlichung des ersten und zweiten Albums verstreichen zu lassen ist wirklich ausgesprochen ungewöhnlich. Andererseits ist Madeleine Peyroux auch alles andere als eine gewöhnliche Künstlerin. Um dies zu erkennen, genügt es, sich ihr neues Album ein einziges Mal anzuhören. Mit der Mischung aus akustischem Blues, Jazz, Country-Balladen und Popmusik gelang es Peyroux, ein Album zu machen, das zugleich ein echter Klassiker und absolut zeitgenössisch ist. Produziert wurde es von dem Bassisten Larry Klein, der viel mit Sängerinnen wie Joni Mitchell (mit der auch zwölf Jahre lang verheiratet war), Tracy Chapman, Holly Cole und Shawn Colvin zusammenarbeitete, aber auch mit Sängern wie Peter Gabriel, Robbie Robertson und Don Henley. Das Album enthält nicht nur alte Standards wie W.C. Handys bluesiges Titelstück, das in den 20er Jahren durch Bessie Smith weltbekannt wurde, sondern auch zeitgenössische Songs wie das folkige “Between The Bars” von Elliott Smith, das dieser erstmals 1997 auf seinem Album “Either/Or” vorstellte. Darüber hinaus besticht Peyroux mit Coverversionen von Hank Williams' “Weary Blues” und Leonard Cohens “Dance Me To The End Of Love”.
 
Einer der herausragenden Songs dieses Albums ist jedoch das schwüle “Don’t Wait Too Long”, eine originelle Swing-Nummer, die Peyroux gemeinsam mit Larry Klein und Jesse Harris komponierte. Der Songwriter Harris, der vor kurzem sein zweites Verve-Album “While The Music Lasts” veröffentlichte, wurde durch seine Zusammenarbeit mit Shooting-Star Norah Jones bekannt, zu deren sensationellem Erfolgsalbum er u.a. das als Song des Jahres mit einem Grammy prämierte Stück “Don’t Know Why” beisteuerte. Peyroux und Harris kennen sich schon seit ein paar Jahren. “Ich habe Jesse kennengelernt, als ich nach der Veröffentlichung von ‘Dreamland’ auf Tournee war”, erzählt die Sängerin. “Wir haben damals ein bißchen miteinander gearbeitet, uns dann aber wieder aus den Augen verloren. Kurz bevor er seinen Grammy erhielt, liefen wir uns in New York wieder über den Weg und schrieben auf einer Parkbank im Central Park zusammen diesen Song.” Für die Aufnahme wurde das Stück, das wie eine Reflexion über Peyroux' bisherige Karriere wirkt, von Klein noch ein wenig überarbeitet. In dem Song heißt es “Sometimes you’ve got to lose it all, before you find your way.”
 
Daß Madeleine Peyroux mit “Careless Love” ihren Weg gefunden hat, steht außer Frage. Die lange Aufnahmepause scheint der Sängerin nicht geschadet, sondern im Gegenteil sogar genutzt zu haben: sie wirkt noch wesentlich konzentrierter und energischer als auf “Dreamland”. In enger Kooperation mit Larry Klein begann Peyroux im Dezember letzten Jahres in Kalifornien die Vorarbeiten für “Careless Love”. Nachdem die beiden das Repertoire festgelegt hatten, gingen sie mit so hervorragenden Sessionmusikern wie dem Gitarristen Dean Parks, Organist Larry Golding, Bassist David Piltch (u.a. Blood, Sweat & Tears, k.d. Lang, Holly Cole) und Schlagzeuger Jay Bellerose (u.a. Melissa Etheridge, Suzanne Vega, Duncan Sheik) ins Tonstudio. “Allerdings mußte mich Larry vorher noch davon überzeugen, daß ich die Songs von Leonard Cohen und Bob Dylan wirklich auf meine eigene Art und Weise interpretieren könnte”, erinnert sich Peyroux. “Er hat eine sehr persönliche Beziehung zu diesen Stücken, und bei mir ist das nicht anders.”
 
Eine persönliche Beziehung hat Peyroux natürlich auch zur französischen Kultur. Auf “Dreamland” hatte sie mit Edith Piafs “La vie en rose” schon einen Chanson-Klassiker im Repertoire gehabt. Diesmal bringt sie eine fesselnde Version von “J’ai deux amours”, einem Song, mit dem die nach Frankreich ausgewanderte Amerikanerin Josephine Baker nach dem zweiten Weltkrieg die dort stationierten amerikanischen Truppen unterhalten hatte. Josephine Baker verkörperte dieses Lied deshalb so gut, weil sie die damalige Allianz zwischen den USA und Frankreich repräsentierte. “Das Lied ist sehr symbolisch, und es scheint mir wichtig, es gerade in den heutigen Zeiten, in denen die internationalen Beziehungen nicht die besten sind, noch einmal in Erinnerung zu bringen.”
 
Wie eingangs schon erwähnt, wurde bei allen Rezensionen von Madeleine Peyroux' Debütalbum “Dreamland” auf die verblüffende Ähnlichkeit mit Billie Holiday hingewiesen. “Wie Billie Holiday”, schrieb beispielsweise Time, “hat Peyroux eine bittersüße, nach gebrochenem Herzen klingende Altstimme; sie zieht die Töne in die Länge und und schlittert plötzlich an ihnen herab, sie findet Emotionen eher im Langsamen, Traurigen, Verblassenden, denn im plakativen stimmlichen Gefühlsausbruch.” Aufmerksamen Hörern indes entging auch nicht, daß sich Peyroux bei aller stimmlichen Ähnlichkeit mit Holiday von dieser auch eindeutig unterschied. Der Pianist Cyrus Chesnut, der die Sängerin auf “Dreamland” begleitete, sagte damals: “Sie hat eine eigene Geschichte zu erzählen: mit ihrer Stimme, ihrem Herzen, ihrem Geist.” Und diese Geschichte erzählt Madeleine Peyroux nun auf “Carless Love” endlich weiter.

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