Patrick Wolf | Biografie

Patrick Wolf „The Magic Position“ 2007

Patrick Wolf ist vieles, aber kein Durchschnittstyp. Er ist 23 Jahre. Er kleidet sich exzentrisch, schaut auf Fotos aber immer schüchtern und introvertiert drein. Hier und da glitzert es in seinem Outfit, er ist mit auffälligem Schmuck behängt. Im Video zu „Accident and Emergency“ trägt er ein grünes Hemd mit Pailletten, darunter ein rotes T-Shirt. Seine Schuhe glänzen golden, die Socken sind bunt. So läuft er wirklich durch die Gegend, mal tritt er im Pullunder seines Großvaters auf, dann wieder im Kaninchenfellmantel oder im Jägerparka. Bei all dem Tand übersieht man fast, dass seine Haare hell orange leuchten. Ein Popstar eben.
Im Alter von sechs Jahren schwor sich Patrick Wolf, Violinist zu werden. Er hatte gerade ein Solo von Rachmaninoff im Radio gehört. „Es war so göttlich. In meinem kleinen Gehirn hatte ich nur noch einen Gedanken: Das will ich auch machen!“ Seine Eltern – die Mutter Malerin, der Vater Jazzmusiker – hatten ihn in die Klavierstunde geschickt, er mochte das Instrument nicht. Das Klavier fand er ungefähr so interessant und musikalisch, wie seinen Taschenrechner. Seine Eltern waren großzügig genug, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Er gab sich alle Mühe, für die Solovioline reichte es aber nie. Die zweite Geige war ihm zu wenig. Mit elf gab er desillusioniert auf und entschied, Popstar zu werden. Er begann, Lieder zu schreiben und experimentierte mit Kassettenrekordern und Synthesizern. „Einige Jahre lang machte ich vor allem Geräusche und schrie dazu sinnlose Texte.“ Er nahm alles auf und schickte die Kassetten an seine Lieblingsmusiker. „Ich schickte Björk ein Band. Ich hoffe, sie hat es nicht bekommen, denn es ist richtig schlimm. Ich bin gerade 13, noch vor dem Stimmbruch, und singe da über Geishas“.

Er blieb der klassischen Musik verbunden. Parallel zu seinen Klangexperimenten lernte er jedes Instrument, was ihm in die Hände fiel: Flöte, Ukulele, Akkordeon, Cembalo, Theremin. Denn er wollte nicht einer der Popstars sein, die ihre Lieder mit Klavier und Gitarre spielen, er wollte sie auf außergewöhnlichen Instrumenten vortragen, am liebsten auf der Harfe. Mit 16 verließ er die Schule und seine Eltern. „Ich suchte mir einen Typen mit einem Bus, packte meinen Atari-Computer, zwei Bontempi-Orgeln und einen Koffer mit Klamotten hinein und fuhr weg. Meine Harfe passte leider nicht in den Bus.“ Die Geschichten und Erlebnisse dieser Fahrt sind auf seinem ersten Album dokumentiert. Kurze Zeit darauf zog er in ein leerstehendes Haus in einem Londoner Vorort ein. Dort wohnte er alleine, genoss ein freies, wildes Laben und feierte ausgiebig. Stets komponierte er weiter und versuchte sich in verschiedenen Bands.

Ein kleines britisches Label veröffentlichte im Jahr 2003 sein erstes Album, „Lycanthropy“. Es erntete wohlwollende Kritiken, verkaufte sich aber kaum. Während der Aufnahmen studierte er ein Jahr lang Komposition am namhaften Londoner Trinity College of Music und spielte als Gastmusiker Violine bei Bands wie Chicks on Speed und The Hidden Cameras. In einer Hütte am Strand von Cornwall schrieb er die Stücke für sein zweites Album, bis er absolut pleite war. Er zog zurück zu seinen Eltern und nahm einen Job im benachbarten Pub an. Glücklicherweise bekam er ein paar Auftritte in Deutschland, konnte es sich leisten, wieder auszuziehen und „Wind in the Wires“ aufzunehmen. Die Kritiken waren wiederum gut, der Erfolg nahm langsam zu. Bloc Party nahmen ihn auf ihrer Tour 2005 ins Vorprogramm.

Zwölf Jahre und zwei kompromisslose Alben nach seiner Entscheidung erntet Patrick Wolf nun den Erfolg, den er verdient. Das neue Werk „The Magic Position“ könnte sich von seinen Vorgängern kaum deutlicher unterscheiden. Die beiden ersten Alben waren düster und nachdenklich, die entzückenden Lieder auf „The Magic Position“ klingen, als hätten David Bowie, Kate Bush und The Cure den Soundtrack für einen heißen, durchtanzten Sommer geschrieben. Oder so ähnlich. Schon die erste Single „Accident and Emergency” macht deutlich, wo es langgeht. Es ist eine furiose Mischung aus Technorhythmen, scheppernden Synthesizern, Kinderchören, Glockenspiel, Posaune und eindringlichem Gesang.