R.E.M. | Biografie

Biografie: The Best Of The IRS Years 82–87

R.E.M.
And I Feel Fine… The Best Of The I.R.S. Years 1982–1987 (Einzel- und Doppel-CD)
When The Light Is Mine… The Best Of The I.R.S. Years 1982–1987 (DVD)

“It’s the end of the world as we know it (and I feel fine)” – so lautet eine der bekanntesten Textzeilen von R.E.M., sie stammt von der gleichnamigen Single des Jahres 1987. “And I Feel Fine”, die in Klammern gesetzte Gefühlsbekundung aus dem endzeitlich gestimmten Klassiker, hat man nun als Titel für zwei Retrospektiven gewählt: eine Einzel-CD mit 21 Songs und eine Doppel-CD mit zusätzlich 21 teils noch nicht erschienenen Bonustracks.

“And I Feel Fine” – R.E.M. haben Gründe genug, sich im Jubiläumsjahr rundum wohl zu fühlen: Seit 25 Jahren im Geschäft, zählen sie schon enorm lang und beharrlich zu den populärsten und einflussreichsten Bands Amerikas. Im Sommer 1981 gaben Sänger Michael Stipe, Gitarrist Peter Buck, Bassist Mike Mills und Drummer Bill Berry mit “Radio Free Europe” ihre erste Single in einer Auflage von 1.000 Kopien heraus. Das Debüt avancierte prompt zum Lokalhit unter den Collegestudenten im Heimatstaat Georgia und wurde von der “Village Voice” sogar zur besten Independent-Single des Jahres gekürt. Nach diesem ersten Achtungserfolg auf regionaler Ebene buhlten mehrere Plattenfirmen um die Newcomer, die sich an der Uni kennen gelernt und ihre ersten Auftritte noch als Twisted Kites absolviert hatten. Das I.R.S.-Label von Miles Copeland (Bruder von Police-Schlagzeuger Stewart Copeland) bekam schließlich den Zuschlag. Fünf Jahre und ebenso viele Alben blieben R.E.M. dort unter Vertrag und schafften in dieser Zeit den Durchbruch vom Insidertipp zur weltweit umjubelten Rockband.

Mit ihrem gleichermaßen traditionellen wie modernen Sound zwischen Folk, Post-Punk und Garagenrock erspielten sich R.E.M. schnell eine treue Gefolgschaft, die von Jahr zu Jahr wuchs. Zunächst begeisterten die perlenden Gitarrenakkorde von Peter Buck und die kryptischen, schwer entzifferbaren Songtexte, die der charismatische Frontmann Michael Stipe anfangs noch etwas scheu ins Mikro murmelte, nur ihre Kommilitonen an der Universität von Athens, doch schon bald waren R.E.M. landesweit eine gefeierte Attraktion auf jedem Campus. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre kam dann auch der Rest der Welt auf den Geschmack.

Die aktuelle Retrospektive, zu der Rockjournalist Anthony DeCurtis Linernotes verfasste, versammelt das Beste aus den Anfangstagen 1982 bis 1987. So findet der Fan hier etwa “(Don’t Go Back To) Rockville”. Dieses Frühwerk aus der Feder von Mike Mills erzählt von einer Studentin, die von ihren Eltern nach Hause zurückgeholt wird, nachdem sie von ihren schlechten Zensuren erfahren haben. “Can’t Get There From Here” taucht tief in die Mythologie der Südstaaten ein, und mit “Fall On Me”, einem kritischen Statement über die vom sauren Regen verursachte Luftverschmutzung, liegt hier auch der erste dezidiert politische Titel in Michael Stipes Laufbahn als Texter vor. Ebenso umweltbewusst äußert er sich in “Cuyahoga”, einem Song über den gleichnamigen Fluss in Ohio, der 1969 wegen seiner hohen Schadstoffkonzentration Feuer fing. “Pretty Persuasion”, von vielen als die archetypische R.E.M.-Hymne schlechthin bezeichnet, ist ebenso mit von der Partie wie “So. Central Rain”, das seine Premiere in der “Late Night Show” von David Letterman noch ohne Titel erlebte.

Eine besondere Bedeutung in der R.E.M.-Historie kommt “The One I Love” zu. Der Riesenhit vom fünften und letzten I.R.S.-Album “Document”, der der Band endgültig den internationalen Durchbruch bescherte, handelt eigentlich von einem verletzten Liebhaber, der mit seiner untreuen Ex-Freundin abrechnet. Aufgrund der Zeile “this one goes out to the one I love” wurde der Song jedoch häufig fälschlich als romantische Liebeserklärung gedeutet. Deswegen kommt es immer wieder vor, dass sich Radiohörer “The One I Love” als musikalischen Gruß für ihre Lieben wünschen. “Meine Sachen waren schon immer offen für unterschiedliche Interpretationen”, merkte Stipe lapidar zu diesem Missverständnis an.

Neben allen Hits der frühen Jahre enthält die collector’s edition auf Doppel-CD zahlreiche Raritäten und bislang unbekannte Einspielungen, die im Booklet von der Band selbst in Anmerkungen und Anekdoten kommentiert werden. Jäger und Sammler dürfen sich auf Demos von “Gardening At Night”, “Mystery To Me” und “Hyena” sowie Alternativversionen von “Finest Worksong”, “Radio Free Europe” und “Just A Touch” freuen. Dazu kommen der Session-Outtake “Bad Day” und diverse Livemitschnitte (“Life And How You Live It”, “Ages Of You”, “We Walk” usw.). Ein Schmankerl stellt darüber hinaus die Frühfassung von “All The Right Friends” dar, dessen Endfassung auf dem Soundtrack zum Tom-Cruise-Kinoknüller “Vanilla Sky” erschien. Mit “Superman” schließlich hat man auch eine Coverversion in die Trackliste mit aufgenommen. Das Original stammt vom texanischen Quintett The Clique, und die R.E.M.-Bearbeitung ist allein deswegen schon bemerkenswert, weil Bassmann Mike Mills hier als Leadsänger debütierte.

Die Hälfte der insgesamt 21 Archivschätze wird nun erstmals veröffentlicht. Zum 25-jährigen Jubiläum ihrer Tonträgerkarriere beschenken Stipe & Co. die Zuhörer also nicht nur mit ihren Klassikern, sondern auch mit jeder Menge Sammlerstücken. Bei so vielen wunderbaren Überraschungen werden sich die Fans von R.E.M. gern anschließen und ebenfalls begeistert ausrufen: “And I Feel Fine”.

Freude kommt bestimmt auch auf, wenn die Fans die mehr als zwei Stunden lange DVD “When The Light Is Mine… The Best Of The I.R.S. Years 1982–1987” sehen, die wie die beiden Albumretrospektiven von den vier R.E.M.-Musikern selbst zusammengestellt wurde und die frühesten filmischen Arbeiten der US-Formation versammelt. Da wären zunächst einmal alle elf Musikvideos der I.R.S.-Ära zu nennen, darunter der Clip zu “Wolves, Lower”, der hiermit erstmals kommerziell veröffentlicht wird. In diesem und anderen Promofilmen, teilweise unter der Regie von James Herbert gedreht, wird deutlich, dass R.E.M. in den frühen Achtzigern nicht nur die Rockszene mit neuen Sounds, sondern auch das Videogenre mit frischen visuellen Ideen bereichert haben.

Die DVD wartet zudem mit allerlei Extras und Besonderheiten auf – etwa die Hälfte des Materials war bis dato nicht im Handel erhältlich. Auftritte in den UK-Fernsehsendungen “The Tube” und “The Old Grey Whistle Test” gehören ebenso dazu wie Interviews für die MTV-Show “The Cutting Edge”, “Swan Swan H” aus dem Dokumentarstreifen “Athens, GA – Inside/Out” und James Herberts 20-Minuten-Film “Left Of Reckoning”.

Im US-Bundesstaat Georgia begann vor einem Vierteljahrhundert die Karriere von Michael Stipe, Peter Buck, Mike Mills und Bill Berry, und dort erlebt sie im Jubiläumsjahr 2006 auch einen besonderen Höhepunkt: Am 16. September werden R.E.M. in einer feierlichen Veranstaltung in die Georgia Music Hall Of Fame aufgenommen. Damit wird der Band eine Ehre zuteil, die zuvor bereits so namhafte Künstler wie Ray Charles, James Brown, Little Richard und Otis Redding erfahren haben. Georgia würdigt mit dieser Auszeichnung herausragende Leistungen im Bereich der Musik. Nach allen Verdiensten, die sich R.E.M. in den vergangenen 25 Jahren um die Weiterentwicklung und Erneuerung der Rockmusik erworben haben, kommt diese Ehrung keine Minute zu früh.

August 2006