Roedelius & Kasar | News | Barfuss auf der Bühne – Roedelius und Kasar spielten live im Foyer des Universal-Gebäudes

Barfuss auf der Bühne – Roedelius und Kasar spielten live im Foyer des Universal-Gebäudes

Hans-Joachim Roedelius, Arnold Kasar
© Stefan Höderath
23.05.2017
Im Juni veröffentlichen die beiden Pianisten und Produzenten ein gemeinsames Album mit dem Titel “Einfluss”, und ihr Label Deutsche Grammophon hatte vorab zu einer Frage-Antwort-Session mit anschließendem Live-Konzert eingeladen. Auf der Bühne: zwei Klaviere nebst diversem elektronischen Equipment. Bei 29° Außentemperatur füllte sich der Raum bis auf den letzten Stehplatz.
Die Moderation übernahm der Journalist Max Dax, der Roedelius “einen der wichtigsten Musiker”, nannte, “die je aus diesem Land gekommen sind”, einen Pionier, der Musikgeschichte geschrieben hat. 1967 gründete Roedelius am Halleschen Ufer, fünf Kilometer westlich vom Ort des Konzerts, das Zodiak Free Arts Lab: “die Kreativzelle, die West-Berlin damals zur Hauptstadt des Krautrocks und der Kosmischen Musik machte”. Seine Bands Cluster und Harmonia beeinflussten David Bowie und Brian Eno, parallel mit Kraftwerk stellten sie die Weichen zum Techno.
Nie hat sich Roedelius auf seinem Legendenstatus ausgeruht, sondern immer die Nähe zu jungen Elektronik-Künstlern gesucht, neben Burt Friedman nun auch mit Arnold Kasar kollaboriert, der seit den 1990er-Jahren an der Grenze zwischen elektronischer Tanzmusik und Jazz agiert, bei Micatone und Nylon wie auch im Verbund mit dem Berliner Sonar Kollektiv.
2012 lernten die beiden sich kennen. Roedelius – angetan von Kasars Album “The Piano Has Been Smoking” – lud diesen dazu ein, auf seinem More-Or-Less-Festival in Österreich aufzutreten: “Er hat mich abgeholt, barfuss im Auto sitzend”, erzählte Kasar. Barfuss, beziehungsweise in Flip-Flops ist Roedelius auch zu dieser Live-Session gekommen. Ganz informell in Jeans und weißem kragenlosem Hemd nimmt der 84-Jährige am Klavier Platz, Rücken an Rücken mit Kasar. Der Hörer fragt sich, wie sie ohne Augenkontakt miteinander improvisieren werden, auch die Musik von “Einfluss” entstand frei aus dem Moment heraus.
Aus der Stille kommen die Klänge wie von selbst. Aus stehenden elektronischen Tönen schälen sich einzelne Piano-Motive wie in einem Gespräch heraus. Nach einer Weile erkennt man die unterschiedlichen Anschläge, Kasars eher luftig, Roedelius' eher getragen, motivisch ergänzen sie sich nahtlos. Die sonst so emsigen Kuriere und Empfangsdamen im Foyer blicken einen langen Moment entrückt in Richtung Bühne, hier scheint die Zeit stillzustehen. Roedelius und Kasar finden nun in den rollenden Groove des Albumstücks “Rolling”, das bereits vorab im Netz veröffentlicht worden ist, steuern weiter in einen spontan gesampleten Minimal-Groove, der mit gehaltenen Sequenzer-Tönen ausklingt. Tosender Applaus und glückliche Gesichter im Publikum, das waren vierzig Minuten lebende deutsche Electronica-Geschichte.
“Einfluss” erscheint am 23. Juni bei Deutsche Grammophon. Ab sofort steht das Album zur Vorbestellung bereit.
Fotos der Albumpräsentation bei Universal Music Berlin finden Sie hier.