Roedelius & Kasar | News | Stromaufwärts zur Quelle – das neue Album "Einfluss" von Hans-Joachim Roedelius und Arnold Kasar

Stromaufwärts zur Quelle – das neue Album “Einfluss” von Hans-Joachim Roedelius und Arnold Kasar

Hans-Joachim Roedelius, Arnold Kasar
© Sebastian Böcking
20.06.2017
“Krautrock, Ambient, Experimental, New Age, Neoklassik, Pop, Elektro, Psychedelic, Trance, Kosmische Musik… Bei Hans-Joachim Roedelius purzeln die Musikstile, Bandnamen und Geräusche so munter durcheinander, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll”, resümierte der Berliner Tagesspiegel anlässlich seines 80. Geburtstags vor drei Jahren. Immer wieder hat “der letzte kosmische Kauz, der nimmermüde durch den Weltraum segelt und niemals landen will” (Tagesspiegel), sich neue musikalische Weggefährten gesucht. Sein jüngstes Werk “Einfluss” ist eine Sammlung elektronisch untermalter Piano-Motive, die er mit dem Berliner Elektronik-Produzenten und Pianist Arnold Kasar aufgenommen hat.

Eigenen Angaben nach spielte Roedelius am Anfang seiner Karriere die Hörer “ohnmächtig”

Es waren die wilden anarchischen 1968er, eine Zeit des Aufbruchs und der Befreiung. Mit Kasar ist ihm nun ein unglaublich feinfühliges, minimalistisches, filigranes, apollinisches Album gelungen, in dem kein Ton zu viel ist. Ein Album, das man seinen Kindern beim zu Bett gehen vorspielen möchte.
“Einfluss” mag wie ein Konzept-Album klingen, ist aber aus dem Moment heraus entstanden, erklärte Arnold Kasar vor einigen Wochen bei einer Präsentation. Andererseits war das ganze auch kein Zufall, denn wer glaube schon an Zufälle. Im Umfeld des Sonarkollektivs wurde Kasar in den 1990ern als Teil der jungen, coolen Berliner Elektronikszene bekannt. Als diese Bewegung Wellen schlug, hatte Roedelius ein Comeback: Fachzeitschriften wie The Wire und Uncut bejubelten ihn als musikalischen Mentoren der Einstürzenden Neubauten, von Pole, The Orb, Aphex Twin und DJ Spooky. Mit seiner legendären ersten Band Cluster ging Roedelius wieder auf Tournee.

Roedelius nannte Kasar einen herausfordernden Kollaborateur

So richtig lernten sich Roedelius und Kasar vor fünf Jahren kennen, nachdem Roedelius begeistert Kasars Solo-Album “The Piano Has Been Smoking” gehört hatte und sich bei ihm meldete. Die 19 weitgehend improvisierten Stücke von “Einfluss” entstanden im letzten Oktober bei verschiedenen Studiosessions im Schwarzwald. Roedelius nannte Kasar einen herausfordernden Kollaborateur, der ihn an seine Grenzen brachte, und dabei {ganz subtil} die Möglichkeiten des Klanggestaltens ausschöpfte: das Piano wurde mit Filz präpariert, um es noch entrückter klingen zu lassen, einzelne Saiten schlägt Kasar mit einem Metallstück an, was einen beckenähnlichen Klang erzeugt. Mal ist die elektronische Einbettung ganz kosmetisch, dann wetterleuchten vereinzelte Moog-Sounds hindurch. “Einfluss” ist ein Album mit einer schimmernden Aura. Ein Album zum oft Anhören, Eintauchen und immer wieder Neues entdecken.
“Einfluss” trägt “natürliche Reminiszenzen an musikalisch bereits Erreichtes”, kommentierte Roedelius.
Hier komprimiert sich jahrzehntelange Klangerfahrung zu leichten luftigen Miniaturen: traumverloren im kosmischen Raum, spacig wie bei Vangelis, geheimnisvoll und tief, nachdenklich zögernd, einfach wie ein Kinderabzählreim und immer wieder melancholisch zurückblickend. Er habe sein ganzes Leben gebraucht, um bis hierher zu kommen, erklärte der Übervater der deutschen Ambient-Elektronik. “Einfluss” setzt seinem Lebenswerk das i-Tüpfelchen.