Sabine Kuegler | News | Das letzte Abenteuer

Sabine Kuegler

Das letzte Abenteuer

04.03.2005
Es ist einer der romantischen Träume der westlichen Kultur: Aufwachsen im Dschungel, im Angesicht der Ungeheuerlichkeit der Natur auf der Basis der abendländischen Tradition. Sabine Kuegler hat dieses Leben erlebt, als Kind deutscher Sprachforscher in West Papua. Sie hat erfahren, wie nahe Schönheit und Verderben, Zivilisation und Wahnsinn beieinander liegen. Und sie hat die Geschichte ihrer Kindheit aufgeschrieben, vorgelesen. Sie war das Dschungelkind, das Mädchen zwischen den Welten und ist es genau genommen bis heute geblieben.
Der Schock waren nicht die vermeintlich Wilden im Urwald, sondern die eigenartig entfremdeten Menschen der neuen Heimat, in die Sabine Kuegler sich als 17jährige einfinden musste: “Man nennt uns TCK (Third Culture Kids), Kinder, die zwischen zwei Kulturen aufgewachsen sind. Es gibt leichtere Fälle, Kinder, die nur ein paar Jahre in einer anderen Kultur gelebt haben, und extremere Fälle, Kinder die ihre ganze Kindheit in einer komplett anderen Welt verbracht haben. So ein Fall bin ich. Ich bin in der Steinzeit aufgewachsen, und innerhalb von vierundzwanzig Stunden wurde ich mit den Errungenschaften der modernen Welt konfrontiert. Wie wird man damit fertig? Als ich nach Europa kam, war nur wenig über die Probleme von TCK bekannt. Es gab noch keine Bücher oder Seminare, die mir erklären konnten, was mit mir passieren würde. Ich stand allein in einer Welt, die nicht nur äußerlich anders war, sondern auch innerlich, in ihrer ganzen Denkweise”. Kuegler litt, an der Entfremdung der Zivilisation von ihren Grundlagen, an der Oberflächlichkeit, am Unverständnis ihrer Umwelt. Sie hatte das Unmittelbarste erlebt, war mit Gefahren und Schönheiten konfrontiert worden, die sie als natürlich akzeptiert und die ihr Verständnis von der Welt geprägt hatte. Was ist schon ein Beamter eines Meldeamtes zum Beispiel im Vergleich zu einer faustgroßen bunten Spinne im Urwald, die man dabei beobachten kann, wie sie einen kompletten Busch einspinnt, einen Vogel fängt, ihn verspeist. Oder im Vergleich zu Ohri, dem Fayu-Jungen, der das blonde Mädchen als seine Schwester betrachtete und alles, wirklich alles für sie gemacht hätte.

Kuegler entschied sich zu schreiben. Sie erzählt die beeindruckende Geschichte ihrer Kindheit und Jugend, als sie mit fünf Jahren gemeinsam mit ihrer Familie in den Dschungel zu einem eben erst entdeckten Stamm zog und zum Bestandteil deren Dorflebens wurden. Es sind Erlebnisse einer Heranwachsenden, die in kindlicher Neugier die Wildnis um sich herum erforscht, ein Teil von ihr wird und in dieser Atmosphäre nahezu ohne den Schnickschnack ihrer deutschen Herkunft auskommt. Erstaunliches kann sie berichten, von den kleinen Details des Überlebens bis hin zu zentralen Momenten, als ihr Vater in einem Anfall von Wut und Hilflosigkeit seinen Instinkten folgt und mit einer Deus ex machina-Geste eine Jahrhunderte alte Stammesfehde beendet. Manches klingt wie ein Abenteuerroman, manches wie eine Ahnung einer anderen Welt, getragen von der Sehnsucht nach Ursprünglichkeit, die jenseits des Dschungels lange verloren gegangen ist. Kuegler erzählt ihre Geschichte und sie liest sie selbst für die Hörbuchversion. Manchmal wirkt ihre Stimme brüchig, der Duktus kommt kaum merklich ins Stocken. Mancher Schauspieler hätte es wohlmöglich flüssiger gelesen – doch darum geht es nicht. Dschungelkind ist ein Dokument, eine beeindruckende, bewegende Autobiografie eines Menschen, der mehr erlebt und gesehen hat, als die meisten sich vorstellen können. Ein ergreifendes Hörbuch, beseelt von einer Kraft, die bis zum letzten Wort zu fesseln versteht.

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