Stephan Sulke | News | Vom Jazz-Tonmeister zur eigenen Stimme - Stephan-Sulke-Box erschienen

Vom Jazz-Tonmeister zur eigenen Stimme – Stephan-Sulke-Box erschienen

Auf Streife im Netz - Stephan Sulke
07.07.2018
Gibt man auf dem Musikportal Discogs den Namen Stephan Sulke ein, so werden einem nicht nur die Alben angezeigt, die der Sänger und Songwriter unter eigenem Namen aufgenommen hat, sondern auch Alben von Jazz-Größen wie Gary Burton, Herbie Mann, Jean-Luc Ponty, Les McCann, Gato Barbieri, Oliver Nelson und anderen. Handelt es sich dabei um einen Programmierfehler der Webpage? Keinesfalls, eher um ein Vielen unbekanntes Detail aus der an Ungewöhnlichem nicht gerade armen Karriere Stephan Sulkes.
Bevor er Mitte der 70er Jahre als deutschsprachiger Sänger bekannt wurde, betrieb Stephan Sulke nämlich ein hochmodernes Tonstudio im Keller des Casino von Montreux, Austragungsort des Montreux Jazzfestivals. Da lag es nah, in enger Zusammenarbeit mit dem legendären Festivalleiter Claude Nobs, die Konzerte der Superstars mitzuschneiden, die sich auf dem Festival die Klinke in die Hand gaben. So kam es, dass Sulke Tonmeister von Livealben wurde, von denen heute einige Klassiker-Status genießen.
In seiner Autobiografie erinnert sich Sulke in seiner typisch pointierten Schreibe unter anderem an das Jahr 1971 und sein Treffen mit dem legendären Bigband-Leader Oliver Nelson: “Atlantic Records hatte ihre besten Leute nach Montreux geschickt. Aretha Franklin, die Sängerin, war da. Und Oliver Nelson, ein genialer Arrangeur, war eben aus Los Angeles eingetroffen. Er knallte mir sein fröhliches, afrikanisches Lachen ins Gesicht und sagte, er brauche ein Orchester, und Musik müsse er auch noch schreiben. An dem Abend waren Eddie Cleanhead  Vinson und Gato Barbieri da. Zwei Saxophonisten. Der erste, ein schwarzer Bluesmann, der andere, ein Argentinier, mit klugen, traurigen Augen und immer einem Sombrero auf dem Kopf. Da waren die Studiomusiker von Atlantic Records. Da waren Jazzmusiker aus England, aus Deutschland, aus Frankreich, aus Schweden, aus Amerika. Oliver Nelson brachte all diese Menschen auf sein Notenpapier. Um acht Uhr hätte das Konzert beginnen sollen. Um elf Uhr fing es an. Oliver musste seine Musik fertigschreiben. Und was für Musik. Nicht der Kram, der sich auf der Autobahn durch die Laufbandsendungen quält. Der schrieb Dissonanzen, dass dir die Ohren schräg standen. Der schrieb Bläsersätze, dass sich die besten Trompeter der Welt wie Lehrlinge vorkamen. Der schrieb Rhythmen, dass sich ein Schlagzeuger wünschte, er wäre mit sechs Händen zur Welt gekommen. Elf Uhr. Der Saal brodelte. Zwanzig Musiker, die nie miteinander gespielt hatten, donnerten zwei Stunden lang Melodien, Harmonien und Rhythmus unter der Hand dieses Könners auf ein begeistertes Publikum. Um sechs Uhr morgens saß ich mit Oliver Nelson alleine am Mischpult, und wir machten eine Sicherheitskopie von einem einmaligen Konzert…” 
Stephan Sulkes Tonmeisterschaffen in Montreux endete kurz darauf in einem großen Feuer, als das Casino 1971 einem spektakulären Brand zum Opfer fiel (Deep Purple schrieben über darüber ihren Hit “Smoke On The Water”). Sulke verlegte seine Studiotätigkeit erst nach London und eröffnete 1974 ein Tonstudio in Genf. Ganz frisch ist jetzt eine 5-CD-Box mit dem Titel “Stephan Sulke – Die Box 1976–1986” erschienen. Darauf finden sich natürlich nicht die vielen Jazzaufnahmen, bei denen er am Regler saß. Stattdessen ist die Box die erste Zusammenstellung der Karriere als Sänger und Songwriter, die Sulke Mitte der 70er Jahre mit Riesenerfolg begann und in der man oft noch Spuren seiner Arbeit mit Jazzmusikern findet. Für Viele ist Sulke einer der großen Liedermacher des Landes, für Andere der einzige deutschsprachige Chansonsänger. Schlager hat er allerdings auch geschrieben: zum Beispiel “Uschi”, einen Titel, der 1982 wochenlang in den Charts war, oder den Ohrwurm “Du machst mir noch mein Herz kaputt”, dem man im Radio jahrelang nicht entkommen konnte.
Die Pop-Songs des Multi-Instrumentalisten Sulke sind stets ungewöhnlich gut komponiert und arrangiert, komplexe Harmonien verweisen auf seine Jazzerfahrung. Bekannte Jazzmusiker wie die Bassisten Wolfgang Schmid und Eberhard Weber oder die Schlagzeuger Curt Bong und Stuff Combe sind Dauergäste auf seinen Alben. “Die Box 1976–1986” versammelt jetzt erstmals die ersten zehn Alben Sulkes in einem kompakten Set. Nach vielen Best-of-CDs ist dies die erste ausführliche Werkschau des Künstlers.

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