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Alphaville – Catching Rays On Giant (Bio 2010)

Alphaville - 2017
10.09.2010
„We must have played for more than twenty years – we must have thought that we´re immortal.” Alphaville blicken zurück nach vorn. “Carry Your Flag“ heißt der Schlüsselsong, in dem die Berliner Band die eigene Vergangenheit, ihr Verhältnis zu den Fans und dem Älterwerden im internationalen Musikgeschäft reflektiert. „It seems to me that we are changing, there ain’t no limit to imagination”. Ein beherztes Weitermachen der Klangpioniere der elektronischen Popmusik nach 26 Jahren Bandgeschichte. Mit ihrem achten regulären Studioalbum „Catching Rays On Giant“ kehren Alphaville zurück ins Rampenlicht. Die Flagge wird weitergetragen.

„Es ist ein Neustart, was die Produktionsbedingungen angeht“, sagt Sänger und Songschreiber Marian Gold. „Schließlich konnten wir auf umfangreiches Material zurückgreifen. Eine ideale Konstellation, die sich für eine Band normalerweise nur einmal ergibt:vor dem ersten Album. Insofern ist `Catching Rays On Giant` die musikalische Bilanz der vergangenen sechs Jahre.“ Ein Comeback; obwohl Alphaville seit ihrem letzten Studioalbum Salvation kontinuierlich weitergemacht haben. Mit gefeierten Tourneen von Salt Lake City bis Singapur, von Russland bis Südafrika, mit den opulenten Sammlereditionen „Dreamscapes“ (1999) und “Crazyshow” (2003), einem Live Album (2000) und weiteren Veröffentlichungen auf dem eigenen Internet-Label. Dazu internationale Festivals und nicht zuletzt ein phänomenaler Gig zum 25jährigen Bandjubiläum in der tschechischen Hauptstadt Prag im Winter 2009. „Gerade im Ausland müssen wir uns mit den Gespenstern der Vergangenheit nicht herumschlagen. Unsere Musik ist dort wichtiger, nicht das längst vergessene Image aus den achtziger Jahren“, beschreibt Marian Gold den Status von Alphaville auf der internationalen Pop-Landkarte.

Auf „Catching Rays On Giant“ haben Alphaville ihre komplexen Forschungsreisen durch die analogen und digitalen Soundwelten in 14 Songs komprimiert. Die eindringlich-emotionale Single-Auskopplung „I Die For You Today“ steht für diese neue Energie. „Wir haben Ballast abgeworfen und sehr intuitiv gearbeitet“, so Marian Gold. „Schnelle Entscheidungen mussten her. Kein langes Herumexperimentieren. Der Druck, wieder in streng terminierten Produktionsprozessen arbeiten zu müssen, hat uns gut getan.“ Am Anfang standen Golds biografische Fragmente. Es sind seine Geschichten, Typen und Reflexionen, welche die Themenwelt von Alphaville schon immer geprägt haben. „Miracle Healing“ schildert eine biografische Episode vom weltweiten Tourbetrieb aus dem karibischen Port of Spain. „Eternally Yours“ greift Themen der berühmten Sonette von William Shakespeare auf und spielt mit deren sexueller Ambivalenz. Und im hymnischen „Call Me“ setzt sich Gold mit der manchmal problematischen Beziehung zwischen Popstar und Fan auseinander. „Dieses oft manische Wechselspiel zwischen Wahrheit und Lüge, brachialen Gefühlen und hoffnungslosen Illusionen ist absolut faszinierend. Im Guten wie im Bösen.“ Zusammen mit den musikalischen Entwürfen, die Gold zusammen mit Keyboarder Martin Lister komponierte, entstand auf diese Weise ein neues Grundgerüst: In sich versunkene Stücke wie das monumentale „A Handful Of Darkness“ wechseln sich ab mit vorwärts stürmenden Tracks wie „Song For No One (But Myself)“. Der Uptempo-Song „Gravitation Breakdown” verweist auf das Intro des legendären Cure-Songs „Into The Trees“. „Heaven On Earth“ blendet verführerisch aus der Realität und der Krimi „The Things I Didn´t Do“ erinnert an die überschwängliche Stimmung der Sciccors Sisters. Die Dynamik der Gefühle bestimmt die Alphaville-Aura der Jetztzeit.

Der Nucleus von Alphaville entstand bereits Ende der siebziger Jahre an der Berliner Hochschule der Künste, wo die Urfomation mit Marian Gold, Bernd Lloyd und Frank Mertens kurzer Hand beschlossen hatte, statt Bilder oder Skulpturen lieber Musik zu produzieren: „Wir waren absolute Anfänger ohne jede Erfahrung. Nach dem Do-It-Yourself-Geist des Punk haben wir unsere Drum-Sequenzen auf einer Zweispur-Maschine geloopt. Es gab ja keinen Drummer! Somit mussten wir auf diese frühe Sampling-Form zurückgreifen, bevor der Begriff `Sampling` überhaupt existierte“, erinnert sich Marian Gold. Geniale Dilettanten, die nach ihrem Umzug ins westfälische Münster mit „Big in Japan“ und „Forever Young“ aus dem Stand zwei Welthits veröffentlichten. Millionen schwere Titel, die ihnen – mittlerweile wieder zurück in Berlin – den Status der Studioband mit größtmöglicher künstlerischer Freiheit einbrachte. „Wir haben unser Dasein im Elfenbeinturm genossen, alles ausprobiert und auf den stetigen musikalischen Wandel gesetzt.“

Der Berliner Ur-Elektroniker Klaus Schulze produzierte 1989 ihr drittes Album „The Breathtaking Blue“ und ist seitdem enger künstlerischer Weggefährte für Marian Gold geblieben. Unter dem Titel „Songlines“ setzte die Band auf eine filmische Umsetzung ihrer Songs, indem sie die zehn Titel des Albums angesehenen Regisseuren zur freien Interpretation überließen. Darunter befanden sich Koryphäen wie Godfrey Reggio (Koyaanisqatsi), Alex Proyas (The Crow, I Robot) und die Gebrüder Lauenstein, deren Beitrag für Alphaville noch im gleichen Jahr in Hollywood mit einem Oscar als bester Kurzfilm prämiert wurde. Während in den Techno-Clubs der Hauptstadt die frühen Synthie-Pop-Ideen in harte Techno-Grooves transformiert wurden, bastelten Alphaville an eigenen Entwürfen. „Ich hab die Entwicklung des Techno sehr neugierig verfolgt“, sagt Marian Gold. „das war spannend am Anfang, eine Art Neuerfindung des Rock`n`Roll. Doch als Band hielten wir Abstand. Uns interessierten mehr die Leinwände in den Kinos und in unseren Köpfen als die Tanzflächen in den Discos.“

Seit Mitte der neunziger Jahre touren Alphaville kreuz und quer über den Globus, während mit Ricky Echolette und Bernhard Lloyd 1996 die letzten Mitglieder der frühen Formation von Bord gehen. Ihre Positionen nehmen seitdem die Briten Martin Lister (Keyboards) und David Goodes  (Gitarre) ein, dazu kommt der Hannoveraner Jakob Kiersch am Schlagzeug. 1997 erscheint mit dem Album „Salvation“ eine Rückbesinnung auf klassische Alphaville-Songs. 2000 folgt das Live Album „Starck Naked“ und 2003 schließlich die überbordende Webproduktion „Crazyshow“, bei der die weltweite Fangemeinde die Entstehung eines  neuen Albums von den ersten embryonalen Anfängen bis zur endgültigen Fertigstellung live im Internet verfolgen konnte. „Seitdem haben wir unseren Sound vorangetrieben, jede Menge neuer Stücke geschrieben und sind bestimmt 20 mal um den Erdball gedüst“, resümiert Marian Gold. Ein neues Kapitel der Alphaville-Story beginnt.

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