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Eine Frage der Ehre

07.02.2007
Als der junge Pietro Mascagni seinen Einakter “Cavalleria Rusticana” bei einem Wettbewerb des Verlegers Sonzogno einreichte, rechnete er nicht wirklich damit, als Gewinner daraus hervorzugehen. Aber wie es das Glück so wollte, trafen seine einprägsamen Melodien und die straffe, emotionale Handlung den Geist der Zeit und als das Werk dann am 17. Mai 1890 in Rom uraufgeführt wurde, lag dem Newcomer die neuheitsverliebte Opernwelt zu Füßen. Seitdem ist die “Cavalleria” ein Klassiker des Repertoires, der nicht von seiner Strahlkraft verloren hat. Und er reizt selbst Stars wie den italienischen Tenor Andrea Bocelli, es mit einer neuen und vitalen Interpretation des bewährten Stoffes zu versuchen. Mit herausragendem Ergebnis, wie die bereits im Juli 2002 entstandene Aufnahme des Verismo-Klassikers beweist.
In der “Cavalleria Rusticana” geht er leidenschaftlich und tragisch zu. Da stellt der junge Bauer Turiddu seiner früheren Verlobten Lola nach, die jedoch, so wie er selbst, inzwischen anderweitig verheiratet ist. Die einstige Liebe bricht wieder durch, der Ehemann Alfio allerdings ist alles andere als begeistert von der heimliche Liaison. Wie es in Süditalien so üblich ist, folgt ein Zweikampf um die Ehre, der mit Turiddus Tod endet, was aber letztendlich überall nur gebrochene Herzen hinterlässt. Pietro Mascagni (1863–1945) hatte es geschafft, mit diesem Einakter das Publikum in Rom zu faszinieren, und darüber hinaus eine neue Form der Operndarbietung im Verständnis der Menschen zu etablieren. Denn das nach einer Vorlage von Giovanni Verga entstandene Werk stellte nicht mehr die konventionellen Themen der vergangenen Bühnenjahrzehnte wie Ehebruch, Verführung etc. in den gehobenen Kreisen der Gesellschaft dar, sondern griff sich seinen Stoff aus dem täglichen Leben der einfachen Leute, ein Motiv-Komplex, der als Verismo in die Stilkunde einging. Für Mascagni jedenfalls war es ein immenser Erfolg. Bald nach der Premiere 1890 landete das Stück in Spielplänen berühmter Opernhäuser, nur sollte es das einzige bleiben, mit dem der Komponist wirklich Erfolg hatte, auch wenn Nachfolger wie “L’Amico Fritz” (1891) durchaus akzeptiert wurden.

Für Andrea Bocelli ist es nicht das erste Mal, dass er an prominenter Stelle mit Werken des Verismo-Begründers in Berührung kam. Das Jahr 2001 beispielsweise startete mit einem Gastspiel in Verona in “L’Amico Fritz” (gefolgt von einer umjubelten Aufführung des Verdi-Requiems in München an der Seite von Renée Fleming). Obwohl einer der erfolgreichsten Künstler des klassischen Kultursegments, der an der Seite von Star-Kollegen wie Celine Dion oder Luciano Pavarotti einem Millionenpublikum bekannt wurde, lässt es sich der Tenor aus dem italienischen Städtchen Lajatico in der Nähe von Pisa nicht nehmen, mit den klassischen Rollen des Repertoires wie eben dem unglücklich liebenden Bauern Turiddu zu brillieren. Die Aufnahmen zur “Cavalleria Rusticana” entstanden im Sommer 2002 am Teatro Massimo Bellini und Catania und brachten Bocelli mit hervorragenden Kollegen zusammen. Die Rolle der Santuzza hatte Paoletta Marrocu übernommen, Elena Belfiore sang die Lucia und Stefan Antonucci den Widersacher Alfio. Am Pult des Orchestra e Coro del Teatro Massimo Bellini di Catania stand Steven Mercurio und so konnte eine rundum ausgewogene und geschmackvolle Einspielung des berühmten Klassikers entstehen, die einmal mehr dokumentiert, dass Bocelli zu den herausragenden Künstlern seines Fachs gehört, dessen klare, reine Stimmen die Menschen zu fesseln versteht.

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