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Biografie: Both Sides Of The Gun

30.01.2006

“BOTH SIDES OF THE GUN”

Heutzutage gibt es nur noch wenig Künstler und Performer, deren Anspruch ans Musikmachen so freigeistig und offen ist wie der von Ben Harper – von Funk-geladenen Rhythmen über rootsy Wohnzimmer-Blues bis hin schüttelnden Gitarren-Riffs.

Gelegentlich wurde er dafür angegriffen, zu eklektisch zu sein – in seinem eigenen Interesse. Seine Rockfans wünschten sich, er würde ein durchgängiges Rockalbum machen. Jene, die ihn für seine zarteren akustischen Momente schätzen, fragen sich gern, warum er nicht mal eine klassische Singer-/Songwriter-Platte macht. Seine Blues-Entourage sehnt sich stärker nach seiner berühmten Slide Guitar. Ben Harpers Lösung für dieses Problem ist es immer gewesen, seine unterschiedlichen musikalischen Stile zu mixen und verbinden – als ein stetiger Versuch, jedem ein Stückchen davon zu geben, was ihn zufrieden stellt.

Auf “Both Sides of the Gun”, seinem sechsten Solo-Studioalbum, überrascht er uns nun mit einer etwas anderen Lösung. “Es ist vor allem etwas mehr als eine Stunde Musik, die es wert ist, gehört zu werden. Es geht darum, meine Arbeit – oder auch den Größenwahn meiner Karrieremitte – nicht künstlich zu beschneiden”, bringt er es auf den Punkt. “Die einfache Wahrheit ist, dass die Extreme mit diesen Songs stärker polarisieren, als sie es je zuvor getan haben. Die eine Hälfte ist so spontan, offen und roh wie alles, was ich je gemacht habe; die andere Hälfte ist so introspektiv und persönlich, wie ich auch als Mensch bin. Ganz offensichtlich passen sie nicht auf eine Platte zusammen. Die Musik verlangte, die Teile voneinander zu trennen.” Nun ist es also ein Doppelalbum; die eine Hälfte fasst sein härteres, stärker Groove-orientiertes Material zusammen, die zweite ist die Bühne für seine gefühlvolle, zurückgelehnte Seite. Und doch ist dies kein konventionelles Doppelalbum – allein schon, weil alle 18 Song theoretisch auf einen einzelnen Silberling gepasst hätten. Tatsächlich nennt Harper selbst diese Platte nicht ‚Doppelalbum', sondern vielmehr “eine Platte, die zwei grundverschiedene Bewegungen beinhaltet.”

Harper wuchs auf in Claremount, ungefähr eine Stunde Autofahrt entfernt von Los Angeles, und ein Besuch in dem Musik Store, den seine Familie dort besitzt, hilft enorm, sich ein perspektivisches Bild von seiner einzigartigen Mixtur aus Folk, Blues, Soul, R’n'B, Funk, Gospel, Reggae und Rock zu machen. Das Folk Music Centre and Museum – wie der geschichtsträchtige Ort heißt – wurde ursprünglich gegründet von seinem Großvater und ist nichts anderes als Aladdins Höhle voller Instrumente aus allen Teilen der Welt – und war zugleich Ben Harpers Spielplatz. Während andere in seinem Alter mit Fahrrädern um die Häuser zogen oder Flugzeugmodelle zusammen klebten, spielte Harper mit klassischen Gitarren – um jetzt nicht die Berge an afrikanischen Trommeln, chinesischen Tempelglöckchen oder indischen Flöten zu nennen, die auch heute noch das Folk Centre schier überquellen lassen. “Wenn man sich in dem Store umschaut, dann sieht man, was mich zu dem gemacht hat, der ich heute bin”, grübelt er. “Leute sagen immer wieder, es sei so verrückt, dass ich mich musikalisch quer über die gesamte Landkarte bewege. Für mich ist es eher verrückt, dass das alle anderen nicht tun, denn in dieser Umgebung wuchs ich nun mal auf. Es ist mein Geburtsrecht.”

Neben diesen akustischen Folk-, Blues- und Country-Einflüssen und als ein schwarzer Teenager, der im Kalifornien der 80er Jahre groß wurde, war Harper in gleicher Weise beeinflusst durch die Rap- und HipHop-Szene von Los Angeles. Das Ergebnis war, dass es, als er 1990 sein Zuhause verließ und in die große Stadt zog, quasi keinen Musikstil und auch kein Genre gab, das er als Musiker nicht bereits verinnerlicht hätte.

Nachdem er 1993 einen Vertrag mit Virgin Records an Land ziehen konnte, erschien ein Jahr später sein Debütalbum “Welcome to the Cruel World”, das mit gefeierten Kritiken bedacht wurde. 1995 folgte “Fight for Your Mind”. Sein drittes Album, “The Will to Live”, erschien 1997 und stellte erstmals seine Band, the Innocent Criminals, dem Hörer näher vor. Wieder zwei Jahre später erschien “Burn to Shine”, und im Jahre 2001 “Live from Mar”, seine erste Liveplatte. Sein fünfter Studio-Aufenthalt kulminierte 2003 in dem Album “Diamonds on the Inside”; ein Jahr später folgte ihm “There Will Be a Light”, seine Album-Kollaboration mit den Blind Boys of Alabama. Mit jedem Album wuchs sowohl seine Fanbase als auch die Kühnheit seiner musikalischen Vision. Doch während seine Plattenverkäufe sich inzwischen jenseits der Zehn-Millionen-Marke bewegen, hat er sich selber gewissenhaft immer von der Welt der oberflächlichen Berühmtheiten distanziert – so sehr, dass die Times zum Zeitpunkt seines letzten Albums einen Artikel über ihn mit folgender Überschrift versah: “Der unsichtbare Superstar”.

Nun erscheint “Both Sides of the Gun” – ein Album, das Harper selber als das zufriedenstellendste und abgerundetste seiner Karriere beschreibt. Einer der Gründe dafür, sagt er, ist das, was er im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit den Veteranen der Blind Boys of Alabama lernte. “Mit ‚There Will Be a Light' hatte ich das Gefühl, klanglich und kreativ um eine neue Ecke zu blicken” beschreibt er. “Das sind Dinge, die man nur von Menschen erfährt, die ihre Leidenschaft schon seit über 50 Jahren betreiben. Es war, wie noch mal zur Schule gegangen zu sein, um noch mal ganz von vorne zu beginnen.”

Über die zwei Hälften des Albums sagt er: “Jede Sequenz und jeder Entwurf, den wir vor der Entscheidung für ein Doppelalbum machten, schien unfertig – immer fehlte etwas von dem einen oder es war zu viel von dem anderen. Nachdem ich nun schon so viele Platten mit den unterschiedlichsten Stilen gemacht habe – und nachdem ich die Kraft der Uniformität durch die Blind Boys kennen gelernt habe – schienen beide Hälften nur separiert jede für sich enorm viel Sinn zu machen, auch wenn die Methode höchst unkonventionell ist. Deshalb: kein Doppelalbum. Sondern: Seite A und Seite B. Und ich erbitte nun eure Hilfe zu sagen, welche was ist; denn für mich ist es immer wieder abhängig von der Zeit und dem Ort, in dem ich die Platte höre.”

“Both Sides of the Gun” wurde aufgenommen im Studio der Dust Brothers in LA über einen Zeitraum von drei Monaten. Harper erzählt: “Ich enterte das Boot Studio (es ist geschnitten wie ein Boot), ausschließlich mit den Instrumenten, Verstärkern und Effekten, von denen ich wusste, dass sie die besten Chancen haben, auch auf dem Album zu landen. Natürlich war es immer noch viel zu viel Kram – aber es tat gut, mein eigenes Haus einmal zu sehen ohne dieses ganze exzentrische Musikzeug.”

Über die Aufnahmen erzählt er: “Es tat gut, sich mal wieder ausführlich auf die Drums zu konzentrieren. Schließlich waren sie mein erstes Instrument, und schon lange hatte ich nach einer Gelegenheit gesucht, mich ihnen wieder einmal ausgiebig zu widmen. Ebenso lernte ich wieder einmal den Moment kennen, wenn mir alles über den Kopf wächst. Und ich freute mich schon lange darauf, einmal mit Streicher-Quintetten und -Sextetten zu arbeiten, und dieses Album gab mir endlich Gelegenheit dazu. Tatsächlich vermute ich, dass ich vom Prinzip her ein Klassik-Musiker bin, der irgendwie der Slide Guitar in die Falle ging.”

Beginnend mit dem Titelsong zieht sich ein kraftvolles politisches und soziales Bewusstsein durch viele der neuen Songs. “Es ist eine anklagende Platte”, gesteht Harper. “Ich fühle eine Dringlichkeit, aufzustehen und einen Schritt nach vorne zu treten. Gerechtigkeit existiert in Amerika nur für jene, die sie sich leisten können. Wenn du Recht schon nicht durch gute politische und soziale Strukturen erfahren kannst, so sehe ich es als meine Pflicht, sie dir wenigstens ein kleines Stück weit durch meine Musik zu geben.”

Die größte Wut hört man vielleicht in “Black Rain” über die Zustände in New Orleans, einem Song, der ganz spontan geschrieben und aufgenommen wurde am Tag, nachdem Hurrikan Katrina die Stadt zerstört hatte. “Wenn Amerika je ein Zeichen gebraucht hat um zu kapieren, wie wenig sich die Regierung um die eigenen Bewohner schert: Hier war es”, sagt er. “Es hat mich in Angst und Schrecken versetzt, und es war Zeit zu handeln. Wir legten den Song, an dem wir gerade arbeiteten, sofort zur Seite, und was man jetzt auf Band hört, ist pure Wut und Abscheu. Wir spielten die Drum-Spuren ein, riefen die Streicher an und schrieben die Lyrics noch am selben Tag.”

Gleichwohl beschäftigten sich Harpers politischste Songs immer schon zuerst mit der Farbe der Hoffnung, und dieses Credo setzt sich nun fort in dem Song “I Believe In a Better Way”. “Es war immer schon Teil meines Selbstverständnisses, die Dinge positiv zu sehen, unabhängig davon, wie dunkel die Stunde gerade ist”, erklärt er. “Die Grundlage meines Glaubens basiert auf einer besseren Koexistenz aller Spezies – und darum geht es auch in diesem Song.”

Nicht alles auf diesem Album ist so Message-geladen. “Get It Like You Like It” zum Beispiel ist ein unverhohlener Stones-Rocker. “Die Stones wurden eingezwängt in eine Blues-Spielzeugkiste. Jetzt bediene ich mich ihrer”, sagt Harper. “The Way You Found Me” ist ein Stückchen cooler Jazz, und “Serve Your Soul” ist ein typisch Groove-geladenes Harper-Meisterstück, von dem er sagt, dass er es kaum erwarten kann, ihn live zu spielen. Auf der zweiten Platte zeugen Songs wie “Happy Ever After In Your Eyes”, “Morning Yearning” und “Waiting For You” von seiner brillanten Fähigkeit, über die Belange des Herzens zu schreiben, wo Piano und Streicher sein virtuoses Gitarrenspiel ergänzen.

“Both Sides of the Gun” zeigt Harper in Bewegung und erzählt von seiner überzeugten und entspanntesten Art, Musik zu machen. “Als ich dieses Album machte, fühlte es sich zum ersten Mal so natürlich an im Studio zu sein, wie ich es immer auch auf der Bühne erlebe”, sagt er. “Wie ich es sehe, waren die ersten fünf Alben Experimente, und wir können uns glücklich schätzen, dass viele dieser freigeistigen Ideen überzeugend funktioniert haben. Ich habe aber den Eindruck, dass dies das Album ist, wo alles zusammengeführt wird, was ich bisher gelernt habe.”

“BOTH SIDES OF THE GUN” wird veröffentlicht auf am 17. März 2006

Kontakt:

Volker Banasiak
Virgin Music
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Tel: +49 30 52003 517
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