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Christian Scott – Rewind That

16.08.2006
Junge Talente vom Schlage eines Christian Scott sind genau das, was der Jazz heutzutage braucht. Der 22jährige Trompeter präsentiert beim Label Concord Jazz mit “Rewind That” ein Debütalbum, das die ganze Szene – von Musikerkollegen über Journalisten bis hin zu den Jazzfans – aufhorchen lassen wird. Anstatt, wie es so viele sogenannte “junge Löwen” seit den frühen 90er Jahren tun, die Spielweisen des Bebop neu aufzuwärmen, überrascht Scott auf seinem ersten Album unter eigenem Namen mit einem smarten und fantastisch groovenden Repertoire, das bis auf zwei Ausnahmen (den bluesigen Miles-Davis-Klassiker “So What” und Donald Harrisons “Paradise Found”) aus selbstkomponierten Stücken besteht, und einem elektrischen und zugleich elektrisierenden Sextett, zu dem sich bei vier Stücken als Gast außerdem der Altsaxophist Donald Harrison gesellt. Den mittlerweile in New York lebenden Berklee-Absolventen darf man getrost als das größte Trompetentalent seit Roy Hargrove bezeichnen.
Christian Scott scheint ein geborener Musiker zu sein. Obwohl er erst 22 Jahre alt ist, verfügt er bereits über den Ton und das musikalische Selbstbewußtsein eines wirklich großen Trompeters. Er meidet Clichés und Effekthascherei und gibt stattdessen ausdrucksvoller Sensibilität den Vorzug. Und er ist bereit mit den Regeln zu brechen, wenn es in seinen Augen musikalisch sinnvoll ist. Als gebürtiger New Orleanser repräsentiert Scott die jüngste Generation der Trompetentradition der Crescent City, die einst durch die Legenden King Oliver und Louis Armstrong begründet wurde und für die heute u.a. die Namen von Wynton Marsalis, Terence Blanchard und Nicholas Payton bürgen.

“Ich habe mir vorgenommen, meinen eigenen Stil zu finden, um das, was mich in meinem Inneren bewegt, ausdrücken zu können. Ich mache mir keine Gedanken darüber, wieviele Bebop-Licks ich spielen kann”, sagt Scott mit Überzeugung. Den Rücken stärkt ihm dabei sein Onkel, der exzellente Altsaxophonist Donald Harrison, in dessen Band Christian erstmals mit 16 Jahren spielte. “Donald hat mir klargemacht, wie wichtig es ist, einen eigenen, unverkennbaren Ton zu entwickeln. Er gab mir auch den Tip, nicht zuviele Aufnahmen anderer zeitgenössischer Trompeter anzuhören, um gar nicht erst in die Versuchung zu geraten, so wie diese klingen zu wollen.”

So bemühte sich Christian Scott also zu einer eigenen bestechenden Stimme auf der Trompete zu finden: Er verfügt über einen rauchigen Ton, der sehr viel mehr mit der Art, wie Ben Webster Tenorsax spielte, gemein hat, als mit dem schneidenden, fanfarenartigen Ton, den die Trompete üblicherweise hervorbringt. “An diesem Ton habe ich zwei Jahre lang konzentriert gearbeitet”, gesteht Scott, der von dem Trompetenveteranen Clark Terry in einige technische Geheimnisse eingeweiht wurde. “Offensichtlich hatte Clifford Brown es geschafft, einen solchen Ton auf seiner Trompete zu spielen. Leider gibt es davon keine Aufnahmen. Statt kalte Luft in das Instrument zu blasen, preßte Clifford warme Luft aus seinem Zwerchfell hinein, um einen rauchigeren Ton zu erzeugen. Mir gefällt das, weil die Trompete so eher wie eine menschliche Stimme klingt.”

Obwohl Scott nahezu alle großartigen Trompeter der Jazzgeschichte als seine Vorbilder bezeichnet, hebt er Miles Davis als seinen Haupteinfluß hervor. “Miles begann als Bebopper, entschied sich eines Tages aber, eine andere musikalische Richtung einzuschlagen und sich bei seinem Spiel nicht so zu exponieren”, meint Scott. “Er beschloß, sein eigenes Spiel zu edieren, um nur die Essenz seiner Gedanken mitzuteilen. Das, was er nicht spielte, war genauso großartig wie das, was er spielte. Ich sah kürzlich ein Video von ihm, und man konnte es in seinem Gesicht ablesen, daß er jede Note, die er spielte, abwog.”

Begleitet wird Christian Scott auf seinem Debütalbum von dem Gitarristen Matt Stevens (“Matt ist ein Ass”, schwärmt Scott. “Bei neun von zehn Kompositionen, die ich schreibe, habe ich seine Gitarre im Kopf.”), dem Tenorsaxophonisten Walter Smith III, Zaccai Curtis an Fender Rhodes und Wurlitzer, Bassist Luques Curtis und Schlagzeuger Thomas Pridgen (“Er spielt wie ein 1983 geborener Art Blakey. Er ist ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht. Er gibt ständig Gas. Und genau das brauche ich.”).

Neun der elf Kompositionen von “Rewind That” sind, wie bereits erwähnt, Originale aus der Feder Christian Scotts. “Ich wurde von allen Seiten bedrängt ein konventionelles Jazzalbum mit Standards zu machen”, läßt der Trompeter wissen. “Aber das wäre für mich ungefähr so, als wenn man ein Rendezvous mit einer neuen Frau hätte und dabei versuchen würde, sich so zu benehmen wie ihr letzter Freund. Man muß bei einer solchen Gelegenheit doch zeigen, daß man etwas Besonderes, Einzigartiges ist.”

Und daß er besonders und einzigartig ist, beweist Christian Scott auf “Rewind That” vom ersten bis zum letzten Ton.

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