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Suche nach dem globalen Groove – “Ninety Miles” von Stefon Harris, David Sánchez & Christian Scott

Stefon Harris, David Sánchez & Christian Scott © Devin De Haven
© Devin De Haven
15.06.2011
Kubanische Musik und Rhythmen haben auf Jazzmusiker stets eine große Anziehungskraft ausgeübt. Schon Ragtime-Pionier Jelly Roll Morton gab vielen seiner Kompositionen einen von der kubanischen Habanera abgelauschten “spanischen Hauch”. Daran änderte sich im Prinzip auch nichts, als sich in den frühen 1960er Jahren ein großer ideologischer Graben zwischen Kuba und den USA auftat. Die Faszination hielt an. Allerdings wurde der Austausch zwischen den Musikern beider Länder nun extrem erschwert und zeitweise unmöglich gemacht. Noch heute muss man erst einmal etliche bürokratische Hürden überwinden, wenn man ein Projekt wie “Ninety Miles” auf die Beine stellen möchte. Produzent John Burk investierte ein ganzes Jahr in die Vorbereitung dieses Albums, auf dem drei junge Stars der US-Jazzszene (Vibraphonist Stefon Harris, Tenorsaxophonist David Sánchez und Trompeter Christian Scott) auf die Ensembles zweier kubanischer Pianisten (Rember Duharte und Harold López-Nussa) treffen. Doch der Einsatz hat sich gelohnt: Denn trotz ihrer unterschiedlichen Backgrounds fanden die Protagonisten schnell zu einer gemeinsamen musikalischen Sprache und schlagen so eine Brücke zwischen den Kulturen Kubas und der USA.

Stefon Harris steuerte drei Kompositionen zum Repertoire von “Ninety Miles” bei: für “Black Action Figure” schrieb er ein völlig neues Arrangement, während er die beiden Nummern “And This Too Shall Pass” und “Brown Belle Blues” eigens für dieses Projekt komponierte. “Bevor ich mich ans Schreiben machte, hörte ich mir eine Reihe von Rembers Alben an, um etwas von seiner Energie für diesen Song einzufangen”, verrät Harris über “Brown Belle Blues”. “Dann krönte ich das Stück mit einer wirklich beseelten, bluesigen, fast schon gospelartigen Melodie, um all unsere Einflüsse zusammenzubringen.”

David Sánchez brachte zu den Sessions die Noten von “City Sunrise” mit. “Ich wollte es eigentlich für eines meiner eigenen Alben aufnehmen, aber es war für dieses Projekt wie geschaffen”, sagt Sánchez. “Es hat nicht nur einen kubanischen Klang, sondern enthält auch andere Elemente, die ihm eine Art globalen Groove verleihen.” Die zweite Nummer aus seiner Feder ist “The Forgotten Ones”, ein ruhigeres, subtileres Stück, das einen reizvollen Kontrast zu den meist sehr energiegeladenen anderen Nummern des Repertoires dieses Albums bietet.

Bei den beiden Sánchez-Nummern werden die drei amerikanischen Solisten von Harold López-Nussa und seiner Rhythmusgruppe unterstützt, die einen deutlich anderen Ansatz hat als das Ensemble um Rember Duharte. Jeder der beiden Pianisten steuerte auch zwei eigene Tracks bei, was diesen interkulturellen Austausch um so spannender machte.”Harold und Rember gehören derselben Generation an, haben aber komplett unterschiedliche Ansatzweisen”, merkt Sánchez an. “Rember ist stärker im afrikanischen Sound verwurzelt und in mancher Hinsicht etwas ungeschliffener. Aus dem Spiel von Harold [der französische Vorfahren hat] hört man mehr kubanische Einflüsse heraus und vielleicht auch etwas westeuropäische Klassik.”

Neben der regulären CD wird es in limitierter Auflage auch eine Edition von “Ninety Miles” geben, die zusätzlich eine DVD enthält. Diese bietet einem einen Vorgeschmack auf eine kommende Filmdokumentation mit demselben Titel, die während der Sessions auf Kuba gedreht wurde. Darüber hinaus gibt es auf der DVD noch zwei Mitschnitte von Live-Darbietungen der beiden Albumnummern “City Sunrise” und “La fiesta va”.

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