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Oper von unten

26.10.2005
Es gibt Leute, die meinen, Opern seien nichts für Kinder. Alles falsch, sagen die anderen, sie würden nur falsch präsentiert. Die Wahrheit liegt wohl, wie so oft, in der Mitte. Natürlich eignet sich nicht jeder Stoff (vor allem nicht jede Inszenierung) unmittelbar für die heranwachsende Psyche und nicht jede Musik ist auf den ersten Blick eingängig genug, um sich von selbst zu erschließen. Auf der anderen Seite gibt es kaum aufmerksamere Hörer als Kinder. Und begeistertere, die eine einmal geweckte Passion ihr Leben lang mit sich tragen. So dachte sich auch die Deutsche Grammophon, eine Reihe müsste geschaffen werden, die die Oper für Kinderohren interessant und transparent macht. Es entstand der “Holzwurm der Oper” und mit ihm eine ebenso unterhaltsame wie aufschlussreiche Einführungsreihe in die hehren Gefilde der hohen Kunst.
Bis allerdings aus dem Gedanken ein konkretes Ergebnis wurde, musste einiges an Vorarbeit geleistet werden. Der Autor Stefan Siegert, der mit der Konzeption der Reihe beauftragt worden war, sah sich dabei vor einer kniffeligen Fragestellung: “Als die Deutsche Grammophon mir Anfang der 90er Jahre das Projekt eines CD-Opernführers für Kinder anbot, war klar: Das ging nur mit jemandem, der Kompetenz mit Leidenschaft verband, kraft Lebensgeschichte und Lebensführung glaubhaft war für Kinder, jemand, dem der Zeigefinger schon aus anatomischen Gründen nicht zu Gebote stand, ein lustiger, gern etwas schrulliger Kerl, der zugleich eine Autorität war. Eine freilich übermenschliche Mischung. Also wechselte ich auf der Suche nach meinem Helden bald von den Menschen ins Tierreich: Vom Phantom der Oper zu deren Holzwurm war es nicht weit.” Und da er nun nicht nur aus der historischen Distanz agieren, sondern im Gegenteil möglichst nah am Geschehen und am Entstehungsprozess eines Werkes teilhaben sollte, musste das Leben des kunstbeflissenen Insekts mal eben weit über das menschlichen Maß gedehnt werden. Räumliche Veränderungen ließen sich über Holztransporte plausibel machen, die den Wurm einfach mit sich nahmen. Und da eine rein beobachtende monologische Figur nicht viel Möglichkeiten zur Diskussion und Veränderung hatte, wurde ihr in Gestalt der Motte “Mottadella” eine Partnerin zur Seite gestellt. Schließlich tauchte im Laufe der Zeit auch noch ein Vetter aus der Schweiz auf, der Bücherwurm Tobias Bohrer, ein Spezialist in Librettofragen.

Siegert hatte es geschafft. Er hatte ein Szenario entworfen, das den hohen Anforderungen gewachsen war. “Der Holzwurm startete 1991 mit ‘Figaro’ und ‘Don Giovanni’, weil sich Mozarts Todestag zum 200. Mal jährte. 2006 feiert die Welt seinen 250. Geburtstag, und der Holzwurm veröffentlicht mit dem ‘Idomeneo’ die fünfte Oper des Geburtstagskinds. Sie gilt als schwierig. Eine Serie voll steifer Helden und unerbittlicher Götter. ‘Nichts für Kinder’, sagte man mir. Das war schon so bei den vier Holzwurm-CDs mit Wagners ‘Ring’. Es stimmt hier wie dort nicht. Im ‘Ring’ gibt es Riesen und Drachen, Ritter, Zwerge und einen verfluchten Schatz. Im ‘Idomeneo’ ein Gelübde, ein Ungeheuer, zwei schreckliche Stürme und einen zwar traurigen, aber sehr mutigen Prinzen. In beiden Fällen grandiose Musik. Wenn das nichts für Kinder ist!”

Es wird aber nicht die einzige Holzwurm-CD dieses Herbstes bleiben. Denn neben Mozart steht Engelbert Humperdincks “Hänsel und Gretel” auf dem Programm, eine Oper, die überhaupt als klassischer Einstieg in die Bühnenwelt des Singspiels gilt. Sie war 1891/92 entstanden, nachdem einige vom Komponisten vertonte Märchen-Lieder in privaten Aufführungen derart gefeiert wurden, dass er sich entschloss, daraus eine tatsächlich Bühnenfassung zu entwickeln (Uraufführung am 23. Dezember 1893 in Weimar). Wieder werden der Holzwurm und seine Freunde mit allerlei Kommentaren, Dialogen, Collagen und Geschichten dem Werk auf die Schliche kommen. Und wieder gibt es von frechen Kindern bis bösen Hexen eine Menge zu entdecken.

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