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Auf der Suche nach einem neuen Ausdruck

© Prophet And Poet/Flickr
28.07.2016
Wie lassen sich Gefühle in Musik übersetzen, wie wird Emotion zum fühlbaren, bewegenden Klang? Das Streben nach maximalem Ausdruck ist eine der stärksten Triebfedern überhaupt für die Entstehung neuer Werke und motiviert die Komponisten bis heute. Auf der Suche nach dem unmittelbaren musikalischen Ausdruck hat sich in den letzten Jahrzehnten unter dem Begriff der “Neo-Klassik” eine neue Strömung herausgebildet. Erst fand sie in den Hinterzimmern und Nischen des Klassikbetriebs statt, auf kleinen Bühnen, in spontanen Sessions und an privaten Mischpulten. Mittlerweile jedoch erobern die Vorreiter der Neo-Klassik wie Ólafur Arnalds, Max Richter oder Jóhann Jóhannsson zunehmend auch die großen Bühnen der Klassikszene und das mit gutem Grund. Erfrischend unvoreingenommen ist ihr Zugang zur Musik, mitreißend und packend direkt oft das kompositorische Ergebnis.
Und doch: Es gab eine Zeit, in der ähnlich suggestiv und dramatisch gearbeitet wurde und das Ringen um persönlichen Ausdruck seinen Anfang nahm. Eine Spurensuche im 19. Jahrhundert…

Wagners “Tristan” – ein schaurig-schönes Klangdenkmal für die Liebe

“In des Wonnemeeres wogendem Schwall, in des Welt-Atems wehendem All – ertrinken – versinken – unbewusst – höchste Lust!” Wer Pathos schätzt, wird bei Richard Wagners Oper “Tristan und Isolde” reichlich bedient. Es gibt kaum ein Werk, das die abendländische Musiklandschaft derart emotional aufgerüttelt hat und tatsächlich ist sie seither nie mehr wirklich zur Ruhe Gekommen. In Wagners “Tristan” ist das Gefühl Programm und wird “der Welt holdesten Wahn” – der Liebe – mit einem kolossartigen Werk ein schaurig-schönes Monument gesetzt. Das Verlangen, der Schmerz und die Liebeslust sind darin als düster-verwegene, alles bestimmende Urkraft des menschlichen Lebens erfahrbar und die Tonsprache Wagners übersetzt das ewige Sehnen des Menschen meisterhaft und denkbar plastisch in Musik. Exzessiv und überwältigend wird die Musik an ihre Grenzen getrieben, chromatisch dicht gesetzt und scheinbar endlos ansteigend werden die Melodielinien zum gewaltigen Klangstrom, der nie verebbt und unersättlich dahinrauscht. Die besondere Harmonik, welche stets die Auflösung herbeisehnt, gipfelt bei Wagners gewaltigem Opus im berühmten Tristan-Akkord, der mit der Kombination der Töne f, h, dis und gis die tonale Instabilität wie die emotionale Suche auf die Spitze treibt.

Von Berlioz bis Strauss: Die Tondichtungen als Meilensteine sinfonischer Dramatik

Prägte Wagner das 19. Jahrhundert als Meister der mitunter überreizten, dennoch packend emotionalen Klangdarstellung, so schufen Komponisten wie Hector Berlioz und Richard Strauss mit ihren Tondichtungen weitere Meilensteine auf dem Weg in die musikalische Moderne. Wurzelnd in der Tradition seiner Zeit und doch das Neue suchend, war es Hector Berlioz, der mit seiner “Symphonie fantastique op.14”, der “Episode aus dem Leben eines Künstlers” eines der wichtigsten Stücke der Romantik komponierte. Bis dahin hatte es eine vergleichbare Darstellung außermusikalischer Inhalte in sinfonischer Musik nicht gegeben, nun aber sprach Berlioz selbst von einem “musikalischen Drama” und erzählte in seiner Programmmusik, die am 5. Dezember 1830 uraufgeführt wurde, leitmotivisch gearbeitet, bildhaft und direkt eine Geschichte. Neben Berlioz war es einige Jahrzehnte später Richard Strauss, dem als prominenter Schöpfer beeindruckender Tondichtungen wie “Also sprach Zarathustra” oder der “Alpensinfonie” der Spagat zwischen Althergebrachtem und dem revolutionärem Spiel mit neuen Ideen gelang. Psychologisch dicht und extrem expressiv wurde das Gefühl hier einmal mehr in Klang übersetzt und die Intention des Komponisten direkt erlebbar.
Die Suche nach dem neuen Ausdruck jedoch dauert bis heute an…

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