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Eine akustische Entdeckungstour durch die 60-jährige Geschichte der Academy of St Martin in the Fields

Academy of St Martin in the Fields
© Decca
28.04.2020
Begonnen hatte alles 1959 in London am Trafalger Square, in der Kirche St Martin in the Fields, als die Stiftung der anglikanischen Gemeinde den Geiger Neville Marriner mit der Aufstellung eines kleinen Streichorchesters beauftragte. Marriner hatte bereits als 13-jähriger am Royal College of Music Geige studiert und spielte seit 1952 als Violinist beim Philharmonia Orchestra London und dem London Symphony Orchestra. Die Einladung der Gemeindestiftung kam ihm zu pass, denn bereits seit einem Jahr traf er sich regelmäßig mit einzelnen Kollegen seiner Streichergruppe in seinem Haus in Kensington, um gemeinsam Hausmusik zu spielen. Marriner leitete die kleine Gruppe von seinem Pult aus. Mit dem Umzug in die Kirche wurde aus der Hausmusikgemeinschaft  eines der bedeutendsten Kammerorchester  der Welt, die Academy of St Martin in the Fields, bestehend aus zunächst 15 Streichern: 12 Violinen, zwei Bratschen, Celli und einem Kontrabass. Sehr bald wurde das Ensemble erweitert, um sieben Blech-, vier Holzbläser und einen Paukisten – allesamt hochkarätige Spieler, Mitgliedern des LSO, prominenter Quartette, jeder in der Lage, auch solistisch zu spielen. Zudem riet ihm Pierre Monteux, der damalige Chef des LSO, vom Geigen- auf das Dirigentenpult zu wechseln. Die großartigen spieltechnischen und musikalischen Voraussetzungen der “Academy” ermöglichten Marriner, wortwörtlich “Kammermusik im großen Stil” zu musizieren. Denn genau das war sein Ansatz: Barockmusik, nicht auf alten Instrumenten, aber in der gleichen, historisch überlieferten, meistens kleinen Besetzung. Das daraus entstehende durchsichtige Klangbild, die große Flexibilität und scheinbare Leichtigkeit des Musizierens sind bis heute ein Markenzeichen dieses Orchesters, dessen musikalischer Leiter Neville Marriner mehr als 50 Jahre war, bis 2011. Sein Nachfolger wurde der amerikanische Geiger Joshua Bell.  

13 Goldene Schallplatten und ein “Oscar”

Heute ist die “Academy” eines der meistgehörten Kammerorchester der Welt mit der sagenhaften Anzahl mehr als 500 Aufnahmen. Fast schon Kultstatus erreichte der Soundtrack zu Milos Formans Film “Amadeus”, der allein 13 Goldene Schallplatten gewann. Die Aufnahme der Filmmusik zu “Der englische Patient” kam mit einem “Oscar” zu besonderen Ehren.   
Anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Academy of St Martin in the Fields erscheint nun bei Decca eine hochwertige, 60 CDs umfassende Edition, deren Produzenten vor der schwierigen Aufgabe standen, aus der riesigen Diskografie der Academy bei Decca bzw. Philips eine Auswahl zu treffen, in der sich sowohl ihre beeindruckende Repertoirebreite als auch die prägenden Interpreten widerspiegeln, die der Academy verbunden sind: von Gründer Neville Mariner zur Konzertmeisterin Iona Brown, von Joshua Bell bis Murray Perahia und Julia Fischer.
1969 erhielt das Orchester seine erste “Goldene” für die Aufnahme von Vivaldis “Four Seasons” – neben der “vergoldeten” enthält diese Box auch eine 10 Jahre später entstandene Aufnahme, diesmal geleitet von der Konzertmeisterin und Solistin Iona Brown. Aufs Feinste zu erleben ist die Praxis des kammermusikalischen Musizierens auch bei den Aufnahmen der Violinkonzerte Johann Sebastian Bachs – Julia Fischer spielte nicht nur die Solovioline, sondern leitete die Aufnahme auch vom Pult aus. 

Nicht nur Barock

Vor allem durch den großen Erfolg der frühen Jahre verband man den Namen der “Academy” meist mit barocker Musik. Marriner jedoch hatte den musikalischen Horizont seines Orchesters im Laufe der Jahre erweitert. Auf Vivaldi, Händel, Bach, Telemann und Gluck folgten Haydn, Mozart Beethoven. Vom Barock in die Klassik, über die Romantik – bei der 1990 entstandenen Aufnahme der beiden Klarinettenkonzerte und des Concertinos für Klarinette von Carl Maria von Weber spielte Marriners Sohn Andrew das Soloinstrument – bis in die Moderne.
Etliche Aufnahmen in dieser Box erscheinen zum ersten Mal auf CD, wie etwa das eher selten gespielte Concertino für Trompete, Streicher und Basso continuo Es-Dur von Johann Georg Albrechtsberger oder Gustav Mahlers “Lieder eines fahrenden Gesellen” mit dem Tenor Robert Tear. Überraschend auch Malcolm Williamsons Kinderoper “The Happy Prince”. Williamson hatte sie 1964 auf der Grundlage von Oscar Wildes Kurzgeschichte in nur sechs Wochen komponiert.  
Begleitet wird die anregende und spannende akustische Entdeckungstour durch die 60-jährige Geschichte des Orchesters von dem umfangreichen Booklet mit Erinnerungen von aktuellen und ehemaligen Spielern, Faksimiles aus Academy-Archiven und viele Fotografien aus Decca- und Philips-Archiven. Dazu enthält es Textbeiträge aus der Feder von Lady Marriner, von Joshua Bell und vom Diskografen der Academy Philip Stuart, der aus erster Hand von der Genese dieses legendären Ensembles berichtet.

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