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Ernest Hemingway

Leben als Kampf

21.05.2004
Zu Spanien hatte Ernest Hemingway ein besonderes Verhältnis. Bereits nach den ersten Jahren als Bohemien in Paris hatte er längere Zeit dort verbracht und kehrte während des Bürgerkrieges 1937 als Kriegsberichterstatter dorthin zurück. Mit Künstlern wie Picasso teilte er seine eigenartige Begeisterung für den Stierkampf als Grenzsituation menschlichen Erfahrens. Und in “Der Unbesiegte” machte er daraus eine Parabel auf die Unzulänglichkeit der Existenz, für die selbst der Kampf keine Erlösung bedeutet.
Während des ersten Weltkrieges war Ernest Hemingway Sanitätsfahrer in Italien. Er wurde schwer verwundet und bekam das menschliche Elend der Katastrophe aus nächster Nähe mit. Eine Folge dieser Erlebnisse war sein persönlicher, stellenweise lakonischer Schreibstil, mit der er in den zwanziger Jahren begann, die Ereignisse zu reflektieren. Im Kreis amerikanischer Literaten in Paris, die Gertrude Stein um sich gesammelt hatte, zählte er daraufhin zu den wichtigsten Vertretern der “Lost Generation”, die ihre Jugend und Unschuld an den Krieg verloren hat. Dabei ging es ihm – und vielen anderen, die in der Zwischenkriegszeit künstlerisch aktiv waren – um die Grenzwerterfahrung des menschlichen Seins, die es möglich machte, über die irdenen Fesseln des Daseins hinauszureichen. Dabei kam dem Moment der Konfrontation mit dem Tod, der als extremste Erfahrung den Blick über den Tellerrand des Bewusstseins hinaus öffnen könnte, eine besondere Bedeutung zu. Auch wenn das Modell alt war (es reichte bis in die Todessehnsucht der schwarzen Romantik, ja sogar bis zum “Sturm und Drang” zurück), war es noch immer nicht ausgereizt und so drehten sich viele Geschichten Hemingways um diesem Kampf an der Schwelle zum Jenseits.
 
Der “Unbesiegte” macht da keine Ausnahme. Erstmals 1927 in dem Sammelband “Man Without Women” erschienen, erzählt er die Geschichte des gealterten Matadors Manuel, der noch einmal einem Stier gegenübertreten will. Er bekommt eine Chance, wenn auch unter widrigen Bedingungen, schafft es sogar eine gute Mannschaft zusammenzustellen, sieht sich dann aber mit einem Tier konfrontiert, das sich als unerwartet stark erweist. Zwar gelingt es Manuel, sein Opfer nach allen Regeln der Kunst zu schikanieren. Als er jedoch zum tödlichen Hieb ansetzen will, verfehlt er die kritischen Stelle. Nach einem rasenden Gemetzel gelingt es ihm zwar schließlich, den Stier zu töten. Doch auch er selbst wird verletzt aus dem Ring getragen. Offen bleibt, ob Manuel seinen Kampf überlebt. Klar wird jedoch, dass seine Ära als Matador beendet ist. Hemingway legt dabei besonders Wert auf die Ausgestaltung der inneren Erlebnisse der Hauptfigur. Seine Kompetenz, sein Instinkt werden in ausführlichen Gedankenschilderungen im Angesicht der natürlichen Urgewalt des Stieres beschrieben. Letztendlich nützen die alten Tugenden seiner Zunft Manuel jedoch nichts, denn die Zeit und das Umfeld sind gegen ihn. Der Mann, der sich beweist, endet als tragische Gestalt auf dem Operationstisch, ausgeliefert und verwirrt.
 
Neben dem “Unbesiegten” sind auf der Hörbuch-Doppel-CD noch sechs weitere, wesentlich kürzere Geschichten zu erleben. Sie entstammen der Zeit zwischen 1925 und 1938 und gehören wie “Die Killer” zu den prägnantesten Short Stories des Autors. Der hörbucherfahrene Schauspieler Christoph Bantzer liest sie klar und reflektiert, vermeidet überschwängliche Emphase, ohne dabei die Emotion auszuklammern. So werden die Figuren zu Charakteren, denen die Lakonik der Texte ohne Ironie beigegeben wird. Das ist im Sinne Hemingways und daher eine ausgezeichnete Umsetzung des Stoffes, die noch dazu im Rahmen der eloquence-Reihe zu erschwinglichen Konditionen zu erwerben ist.
 
Weitere Literatur-CDs finden Sie unter www.dg-literatur.de

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