Juan Diego Flórez | News | Der wahre Andalusier

Der wahre Andalusier

01.02.2006
Es gehört zu den großen Rätseln der Operngeschichte, warum “Il Barbiere di Siviglia” bei seiner Uraufführung am 20. Februar 1816 am römischen Teatro di Torre Argentina beim Publikum durchfiel. Jedenfalls erholte sich die Stimmung sehr schnell und aus dem Flop wurde Top. Bis heute ist die Geschichte von Almaviva oder der vergeblichen Vorsicht (wie der ursprüngliche Titel lautete) eines der meist gespielten Musikbühnenwerke überhaupt und wird mehr als jede andere Komposition mit ihrem Schöpfer Gioachino Rossini identifiziert. Mit gutem Grund, denn sie hat Witz und Tempo, Charme und ein Körnchen Wahrheit und nicht zuletzt eine Reihe von Paradepartien, die gerade jungen Stimm-Koryphäen wie Juan Diego Flórez gut zu Gesichte stehen.
Rossini war eher irritiert als frustriert. Kurz nach der missglückten Uraufführung schrieb er an seine Mutter: “Gestern Abend ging meine Oper in Szene, die gewaltig ausgezischt wurde. Was für Narreteien, was für ungewöhnliche Dinge geschehen in diesem Land der Gimpel! Ich sage Ihnen, dass die Musik trotz all dem sehr schön ist, und es werden bereits Wetten auf die zweite Vorstellung abgeschlossen, bei der man die Musik wird hören können – anders als letzte Nacht, denn da begann gleich ein furchtbarer Lärm, der die gesamte Vorstellung über währte”. Rossini war der Meinung, dass wohlmöglich eine Horde bezahlter Störenfriede der neidischen Konkurrenz dieses Desaster hatten herbeiführen können, eine Behauptung, die allerdings unbelegt blieb und darüber hinaus wenig wahrscheinlich sein dürfte. Wohlmöglich hatte er einfach Pech mit seinem Publikum, jedenfalls konnte er schon wenige Tage später Entwarnung geben. Im Brief vom 27. Februar 1816 erfuhr die Mutter: “Ich schrieb Ihnen, dass meine Oper ausgezischt wurde, und jetzt schreibe ich Ihnen, dass vorerwähnte einen glücklichen Erfolg gefunden hat, und zwar bei der zweiten Aufführung und allen anderen wurde das Werk nicht nur mit unsagbarer Begeisterung beklatscht, sondern ich musste mich auch fünf- oder sechsmal zeigen, um Beifall von einer ganz neuen Art zu empfangen, der mich vor Genugtuung weinen macht.” Es hatte also doch geklappt und tatsächlich begann von diesem Zeitpunkt an der Siegeszug des Barbiers durch die Welt der Opera buffa. Zunächst setzte der Erfolg in anderen italienischen Städten ein, gefolgt von London (1818), Paris, Wien, Lissabon (1819), München, Leipzig, Breslau, Brüssel, Amsterdam (1821) und zehn Jahre nach der Uraufführung sogar in New York.

Vieles wurde seitdem in das Libretto hineininterpretiert, angefangen bei verschiedenen erotischen Komponenten bis hin zu gesellschaftlichen Verschiebungen, die sich im Sieg der neuen Generation Almavivas über das Ancien Régime in Gestalt des ein wenig thumben (aber großartig burlesken) Bartolo manifestiert. Für die Inszenierung des Teatro Real in Madrid setzten Regisseur Emilio Sagi, Bühnenbildner Llorenc Corbella und die Kostümspezialistin Renata Schussheim auf den dezenten Gegensatz von Tradition und Moderne. Da ist zum einen das markante Spiel mit Farben, das vom Schwarz-Weiß-Effekt des Anfangs – eine Referenz an das harte kontrastreiche Licht des andalusischen Sommers – hin zur bunten Opulenz nach der Übergangsszene des Sturm setzt. Die Räume sind am herrschaftlichen 18.Jahrhundert orientiert, allerdings behutsam durch ungewöhnliche Perspektiven oder Dimensionen relativiert. Die Kostüme wiederum sind feudal bis futuristisch, besonders in der Schlusssequenz, wenn die Liebenden Almaviva und Rosina in grellem Pink erscheinen. Vor allem aber ist es das wunderbare Quartett der Solisten, das aus der musikalischen Vorlage einen klanglichen und optischen Genuss macht. Der peruanische Rossini-Tenor Juan Diego Flórez spielt den Grafen mit einer erfrischenden Leichtigkeit und Mischung aus Noblesse und Raffinesse. Der füllige Bruno Pratico mimt einen grandios komischen Bartolo, Maria Bayo stellt die schlaue Rosina mit spitzbübischer Cleverness dar und Pietro Spagnoli verleiht dem Figaro nicht nur die nötige Bauernschläue, sondern auch eine Portion Eitelkeit, die dessen Intrigenspiel erst wirklich stimmig macht. Gerahmt vom Orchester des Hauses unter der Leitung von Gianluigi Gelmetti ergibt das einen Barbiere von dem das Opera Magazine meinte: “Ein Vergnügen, von Anfang bis zum Schluss” und hinzufügte: “Viva Florez!”

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