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Laing, Wechselt die Beleuchtung, 2014

Laing - 2014
04.09.2014

1. Akt: Zurück aus dem Paradies

Schon auf ihrem letztjährigen Debütalbum “Paradies Naiv” haben Laing mit besonderem Vergnügen Feldforschungen am lebenden Objekt betrieben: Bisweilen unerhört entlarvende Stücke über Frau und Mann, Mann und Frau samt ihrer Marotten und all ihrer kleinen und großen Komödien und Tragödien. Mit ihrem zweiten Album “Wechselt die Beleuchtung” werfen Laing nun ein völlig neues Licht auf den emotionalen Makrokosmos und seine unterschiedlichen Protagonisten. Mit ihrem Edelmetall-ausgezeichneten Top 10-Hit “Morgens immer müde” aus dem ebenso hemmungslos gefeierten Longplay-Erstling “Paradies Naiv” haben Laing die deutschsprachige Musiklandschaft im vergangenen Jahr erst so richtig auf links, und dann wieder zurück auf Kante gezogen: Mit ihrer Multimedia-Performance aus Bühnenchoreographie und dem außergewöhnlichen Crossover aus Minimal-Elektro, Pop und R’n'B, verbunden mit einer einzigartig filigranen Sprachästhetik demonstrierte das Berliner Damenquartett eine Art von Neuer Deutscher Unverkrampftheit, die Laing in der Folgezeit ausverkaufte Konzerthäuser sowie eine absolute Ausnahmestellung innerhalb der heimischen Szene bescherte. Ein Status, den Leadsängerin, Songwriterin und Produzentin Nicola Rost gemeinsam mit ihren Sängerinnen Johanna Marschall und Neuzugang Larissa Pesch sowie der Tänzerin und Choreographin Marisa Akeny nun noch weiter ausbaut.

2. Akt: Muskeln und Schwächen

Nach ihrem spektakulär stilsicheren Erstling schlägt Frontfrau Nicola Rost mit ihrer Band nun das viel beschworene “nächste Kapitel” auf. Von vorne. Wieder auf Anfang. Leeres Blatt Papier, leerer Bildschirm. Kein Ballast; mehr als genug Platz für tausend neue Ideen. Und die Gelegenheit, die Perspektive zu ändern. Geblieben ist diese ganz besonders heftige Detailverliebtheit, mit der Nicola Rost die Gefühlswelt um sich herum bis in die kleinste Doppelchromosomenfaser seziert, mit der deutschen Sprache und den Hormonen jongliert und am Ende doch irgendwie alles auf den gleichen Nenner bekommt: Dass sich das Leben liebend gern von seiner kompliziertesten Seite zeigt und Eins immer noch die einsamste Zahl bleibt. Laing leben vom Kontrast, dem Clash, den Ecken und Kanten; textlich wie auch musikalisch. Gebrochener Charme mit zackigem Beat und messerscharf geschliffenen Lyrics ohne Kindersicherung. Was sich auf “Paradies Naiv” oftmals silhouettenhaft und verschwommen präsentierte, das hat auf “Wechselt die Beleuchtung” konkrete Formen angenommen “Ich finde es spannend, die Betrachtungsweise zu ändern”, so Nicola Rost über den Metapher schwangeren Albumtitel. “Wenn man die Beleuchtung wechselt, erscheinen viele Dinge in einem anderen Licht. Man kann selbst negativen Gefühlen wie Kummer und Herzschmerz einen gewissen Reiz abgewinnen, während man Positives wie Freude oder Verliebtheit völlig überraschend in einer ungünstigen Farbe wahrnimmt. Dieses Wechselspiel aus Licht und Dunkel macht die ganze Sache doch im Grunde erst spannend.” Reize, mit denen Laing auf “Wechselt die Beleuchtung” ganz und gar nicht geizen. Immer auf der Suche nach Spannung, nach dem geschickten Bruch und dem Wesentlichen. Das weglassen, was überflüssig ist. Extreme Gefühlszustände zwischen Euphorie, Hysterie und Tristesse, die man in mal hochdramatische, mal unverschämt freizügige, mal ganz entspannt vor sich hinfließende Hybridpopkleider verpackt. Laing teasern Vorurteile, manipulieren mit Unschuldsengelblick die gängigen Mechanismen der deutschen Sprache, brechen mal eben im Vorbeischlendern mit sämtlichen Konventionen und Erwartungshaltungen. Und sie stellen eiskalt lächelnd die Geschlechterrollen auf den Kopf. Wobei sich doch jeder irgendwann in Laings exemplarischen Sozialstudien wieder findet. “Meine Songs handeln nicht immer nur von Liebesbeziehungen zwischen Mann und Frau, sondern auch von Freundschaft. Mich interessieren die verschiedenen Verhältnisse untereinander. Die Gründe, wie sich Leute in bestimmten Situationen verhalten. Wir alle haben eines gemeinsam: Die Sehnsucht nach Halt. Sehnsucht nach Zweisamkeit. Und manchmal auch nach ein wenig Einsamkeit.”

Letzter Akt: Alleine ins Bett

Nicola Rost erzählt die Geschichten, die allen irgendwann passieren. Nennt den Patient beim Namen. Vom “Karneval der Gefühle”, wenn mal wieder alles verrückt spielt. Von den Irrungen und Wirrungen, die durch das alltägliche Gefühlschaos führen und vom emotionalen Ausnahmezustand neurotischer Metropolensingles. Mal kess, mal cool. Zwischen großen Diven wie Zarah Leander oder Hildegard Knef, und der naiven Sexyness einer Audrey Hepburn in “Breakfast At Tiffany’s”. Immer aber irgendwie vertraut. So wie mit der ersten Single “Safari”, auf der sich Laing auf ausgedehnte Kuriositätenexkursion durch das Nachtleben begeben. In eine ganz ähnliche Kerbe schlägt man mit dem Bodybuilding-Track “Zeig deine Muskeln”; dem wohl ersten Popsong mit lateinischem Refrain. “Eine Art modernes Heldenepos. Wenn man ganz ehrlich ist, geht man nur ins Fitnessstudio, um Muskelpartien zu trainieren, die im Grunde absolut nutzlos sind und keinen anderen Sinn haben, als sexy auszusehen. Es hat schon etwas von Tierbeschau, aber insgeheim geht man selbst zum Training und steht ja auch irgendwie drauf…” Mit dem fast cartoonhaft überspitzten “Sei doch bitte wieder gut” hat das Quartett nach dem soundtechnischen Make-Over von Trude Herrs 60er Jahre-Schmonzette “Morgens immer müde” einen weiteren Schlagerklassiker zu neuem Leben reanimiert und Heintjes schnulzigen Entschuldigungssong nach typischer Laing-Manier zu einem zynischen R’n'B-Monster aufgepimpt. Ihr Fazit ziehen Nicola Rost und Co. schließlich mit dem augenzwinkernd “Das letzte Lied” betitelten Rausschmeißer. Alle Pointen verschossen, alle Tränen vergossen. Höchste Zeit, nach durchlittener Nacht wieder nach Hause zu gehen. Alleine. Danke schön, das war’s. “Ich zeige auf, wo’s weh tut. Es ist völlig normal, auch seine Schwächen offen zu legen. Ich finde es immer sympathisch, wenn ich zu hören bekomme, dass diese zwischenmenschlichen Katastrophen auch anderen Menschen passieren und man nicht alleine ist. Wenn es bei uns irgendeine Message gibt, dann die, dass wir alle die gleichen Probleme haben. Das kann einem wirklich Trost geben.”

Zeitgleich zum Albumrelease im September 2014 kündigen Laing auch ihre Rückkehr auf die Bühne an, die sie mit fünf Konzerten in bestuhlten Theaterhäusern feiern, in denen sie ihre neuen Songs in intimer Atmosphäre vorstellen werden.

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