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Michael Degen

Aus dem Keller: Michael Degen

14.02.2001
Nein, aufschreiben wollte Michael Degen seine Geschichte eigentlich nicht: “Och nöö, nicht noch so 'ne Schauspielerbiographie.” Unlust allein genügt aber nicht, denn dann kommt es doch ganz anders.
Dass Michael Degen, der an allen großen deutschsprachigen Bühnen gespielt hat und mit Fernsehrollen wie “Die Bombe”, “Geschwister Oppermann”, “Diese Drombuschs”, “Auto Fritze”,"Geheime Reichssache" oder “Die ungehorsame Frau” populär geworden ist, seine Geschichte doch zu Papier brachte, ist einem Zufall zu verdanken: der Begegnung mit der deutschstämmigen US-Autorin Laura Waco in Bettina Böttingers Talkrunde “B. trifft…” Zwei Gäste, die nicht voneinander wissen, sind zu einem gemeinsamen Thema eingeladen – in diesem Fall ihre jüdische Herkunft und Kindheit. Michael Degen, der 1932 in Chemnitz geboren wurde, hatte seine zum Teil im Berliner Untergrund verbracht. Versteckt von Freunden, aber auch von völlig Fremden. Laura Waco hat zeitlebens darunter gelitten, dass ihre Eltern das Vernichtungslager Auschwitz, dem sie auf wundersame Weise entkommen waren, zu Hause niemals zum Thema machten.
 
In der Talkshow entdeckten der Schauspieler und die Schriftstellerin viele Parallelen ihrer Biographien. Und Michael Degen, der seine Geschichte bis dahin nur seiner Familie und wenigen Freunden erzählt hatte, berichtete zum ersten Mal öffentlich über seine Jugend. Als nach der Sendung der Econ-Verlag anfragte, ob er seine Geschichte nicht aufschreiben wolle, sagte Degen spontan zu und dann gab’s kein Zurück. “Ich konnte gar nicht so schnell schreiben, wie die Bilder hochkamen. Ich sah die Menschen wieder vor mir, denen wir unser Leben verdanken: Lona, die frühere Geschäftpartnerin meines Vaters, die, als er den Laden für Trikotagen nicht mehr führen durfte, ganz selbstverständlich weiterhin die Einnahmen mit uns teilte. Die Nationalsozialistinnen Erna und ihre Schwester Käthe, die uns gleich zweimal das Leben retteten. Den Kommunisten Hotze, der uns aus politischer Überzeugung versteckte oder seine Schwägerin Martchen, die uns aus purer Menschlichkeit half. Sie alle haben für uns ihr Leben riskiert.”
Ihnen wollte er mit seinem Buch ein Denkmal setzen. Er erzählt aus der Sicht des Jungen, für den das Leben im Untergrund oft mehr Abenteuerspiel als Lebensbedrohung ist. “Die Gestalten werden durch das charakterisiert, was Tucholsky ‚goldenes Herz und goldene Schnauze’ genannt hat; Sentimentalität kommt nicht vor, Pathos ist ausgeklammert. So wird der Erzählfluss spannend gehalten und furios vorangetrieben”, schrieb Günter Kunert in “Die Welt”. Für die Deutsche Grammophon hat Michael Degen eine Hörspiel-Fassung eingerichtet und gelesen.

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