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Bossa- und MPB-Klassiker

04.06.2004
Auf Aloysio de Oliveiras Elenco-Label erschienen zwischen 1963 und 1968 zahlreiche Klassiker der Bossa Nova und frühen MPB. Siebzehn Alben werden jetzt in Deutschland wieder- oder erstveröffentlicht.
Während João und Astrud Gilberto, Antônio Carlos Jobim, Baden Powell, Vinícius de Moraes, Nara Leão, Sérgio Mendes und einige andere Künstler den Bossa-Nova-Fans in aller Welt bestens bekannt sind, ist der Name eines Mannes, der viele Fäden hinter (und manche auch vor) den Kulissen zog, außerhalb Brasiliens nur wirklichen Insidern geläufig. Dabei war der 1995 im Alter von 80 Jahren in Los Angeles verstorbene Aloysio de Oliveira über viele Jahrzehnte wirklich eine der einflußreichsten Persönlichkeiten der brasilianischen Musikszene.
Schon als 17jähriger gab der spätere Produzent, Sänger, Gitarrist und Songwriter sein Plattendebüt als Mitglied der populären Bando da Lua. Als Carmen Miranda, Brasiliens erster musikalischer Exportstar, 1939 zum ersten Mal auf Tournee durch die USA ging, bestand sie darauf, von Aloysio de Oliveira (mit dem sie zeitweilig eine Affäre hatte) und der Bando da Lua begleitet zu werden. Der Erfolg war so umwerfend, daß sich die Sängerin und ihre Kompagnons gleich ganz in den USA niederließen. In den kommenden sechs Jahren begleiteten Aloysio und die Bando da Lua die “Brazilian Bombshell” (wie Carmen in den USA genannt wurde) bei zahlreichen Konzertreisen durch die Vereinigten Staaten und nahmen mit ihr die Musik für acht ihrer Hollywood-Filme auf. Aloysio schrieb in den 40er Jahren außerdem noch Soundtracks für den Trickfilmer Walt Disney und war auch an der Schaffung der damals sehr populären Figur Zé Carioca, einem Papagei, beteiligt. Erst als Carmen Miranda 1955 starb, kehrte Aloysio nach Brasilien zurück und heuerte zunächst bei dem Label EMI als künstlerischer Direktor und Produzent an.
Eine der frühesten Platten, die er für die EMI produzierte, war 1959 João Gilbertos “Chega De Saudade”. Dieses legendäre Album gilt bekanntlich als die erste Bossa-Nova-Platte überhaupt. 1963 heiratete Aloysio de Oliveira die Sängerin Sylvia Telles (die, wenn sie nicht schon 1966 im Alter von nur 32 Jahren einen tödlichen Autounfall gehabt hätte, heute sicherlich genauso bekannt wäre wie Astrud Gilberto) und gründete sein eigenes Label Elenco, auf dem er bis 1968 historisch und musikalisch äußerst bedeutsame Alben herausbrachte. Nachdem er das Elenco-Label dann aber aus finanziellen Gründen hatte aufgeben müssen, ging Aloysio einmal mehr in die USA, wo er u.a. Platten brasilianischer Künstler (Djavan) und brasilianische Alben amerikanischer Künstler (Sarah Vaughan) produzierte.
Zu den bekanntesten Songs, zu denen Aloysio de Oliveira Texte beigesteuert hatte, gehören Antônio Carlos Jobims “Dindi”, “Só tinha de ser com você”, “Inútil paisagem” und “Eu preciso de você” sowie der Klassiker “Tico-Tico (No fubá)”, der u.a. von Carmen Miranda, Frank Sinatra, Charlie Parker und Ray Conniff in der ganzen Welt bekannt gemacht wurde.
In einer CD-Reihe werden jetzt siebzehn der Alben, die zwischen 1963 und 1968 unter der Regie von Aloysio de Oliveira für Elenco eingespielten wurden, in limitierter Auflage wiederveröffentlicht. Es handelt sich dabei um Klassiker der Bossa-Nova- und frühen MPB-Ära, von denen viel entweder nie zuvor oder nur vor langer Zeit in Deutschland erhältlich waren. Die Alben dokumentieren Aufnahmen von und mit Sylvia Telles, Edu Lobo, Nara Leão, Tom Jobim, Vinícius de Moraes, Baden Powell, Maria Bethânia, Dorival Caymmi, Sérgio Mendes, Maysa, Roberto Menescal, dem Tamba Trio, Lúcio Alves, Odete Lara, Sérgio Ricardo, Aracy de Almeida, Sidney Miller, Ciro Monteiro und dem Quinteto Villa-Lobos. Sämtliche Einspielungen wurden anhand der Originaltonbänder mit 96 kHz/24 bit neu gemastered. Für Musikfans, die die brasilianische Szene jener Jahre etwas besser kennenlernen wollen, sind diese Originalalben ein absolutes Muß.
Nara Leão:
Nara
Aufnahmedatum: 1964
Vinícius de Moraes & Odette Lara:
Vinícius & Odette Lara
Aufnahmedatum: 1963
Sidney Miller:
Sidney Miller
Aufnahmedatum: 1967
Roberto Menescal & Seu Conjunto:
Surf Board
Aufnahmedatum: 1967
Antônio Carlos Jobim:
Antônio Carlos Jobim
Aufnahmedatum: 1963

Die Höchstwertung von fünf Sternen erhielt dieses Album 1963 in dem ameriknaischen Jazzmagazin Down Beat und für Antônio Carlos Jobim bedeutete es den großen Durchbruch in den USA. Mehr noch: Die exzellente Besenarbeit des Schlagzeugers Edison Machado lehrte viele seiner großartigen amerikanischen Kollegen endlich, wie der wirkliche (der ebenso ökonomische wie unwiderstehliche) Bossa-Rhythmus zu spielen war. Das Repertoire: Ein Dutzend Klassiker der Bossa Nova, die allesamt in der ganzen Welt zu Hits wurden.
Edu Lobo:
Cantiga De Longe
Aufnahmedatum: 1970

1969 ging Edu Lobo nach Los Angeles, um dort die Kunst des Arrangierens und Orchestrierens zu zu studieren. Zwischen seinen theoretischen Studien fand er hier und da aber auch noch Zeit, das eine oder andere Album aufzunehmen, bei denen sich seine großartigen Fortschritte in immer komplexeren Werken widerspiegelten. Eines dieser Alben war “Cantiga De Longe”, auf dem ihn u.a. der Pianist und Flötist Hermeto Paschoal, der Percussionist Airto Moreira und die Sängerin Wanda Sá begleiteten. Und das ferne Brasilien schien auf einmal sehr viel näher zu sein.
Sylvia Telles, Edu Lobo, Tamba Trio & Quinteto Villa-Lobos:
Reencontro
Aufnahmedatum: 1966

Die unvergeßlichen Sylvia Telles mit ihren romantischen Bossas, Edu Lobo mit seinen eigenwilligen Songs, das vor Energie und Kreativität wie immer sprühende Tamba Trio und das ebenso humorige wie gediegene Quinteto Villa-Lobos – alle zusammen auf der Bühne des Teatro Santa Rosa in Rio vereint, zeigten sie 1966, das die Gegensätze in der Popularmusik durchaus harmonisch miteinander leben können. Der vom Quinteto Villa-Lobos pfiffig gespielte Marsch “Marcha, soldado” war eine Anspielung auf das brasilianische Militärregime, das solche Scherze damals gerade noch tolerierte.
Roberto Menescal & Seu Conjunto:
A Bossa Nova
Aufnahmedatum: 1967
Edu Lobo & Maria Bethânia:
Edu E Bethânia
Aufnahmedatum: 1966

Als Edu Lobo 1966 dieses Album aufnahm, hatte er schon mehrere Song-Festivals gewonnen sowie diverse Hitparaden-Erfolge verzeichnet und versuchte gerade mit Kompositionen für Film, Theater und Ballett neue Wege zu beschreiten. Maria Bethânia wiederum befand sich ziemlich am Anfang ihrer Karriere und suchte erst noch ihren eigenen romantischen Stil, für den sie heute in der ganzen Welt bekannt ist. Der Carioca und die Bahianerin ergänzten sich hier auf perfekte Weise.
Maysa:
Maysa
Aufnahmedatum: 1964
Sérgio Ricardo:
Um Senhor Talento
Aufnahmedatum: 1963
Odette Lara
Contrastes
Aufnahmedatum: 1966
Vinícius de Moraes, Baden Powell & Ciro Monteiro:
De Vinícius E Baden Especialmente Para Ciro Monteiro
Aufnahmedatum: 1965

Es war ein Zufall, der Baden Powell und Vinícius de Moraes irgendwann Mitte der 60er in Paris zusammenführte. Und wie es bei brasilianischen Musikern jener Zeit üblich war, kam man schnell auf Samba zu sprechen. “Wenn man sich fern von Brasilien befindet, überkommt einen unweigerlich die Lust, Samba zu spielen”, meinte Vinícius damals erklärend. Aber die beiden Protagonisten unterhielten sich auch noch über einen gemeinsamen Freund, den Samba-Sänger Ciro Monteiro. Und so beschlossen sie, ihm ein ganzes Album mit eigenen neuen Samba- und Bossa-Kompositionen zu widmen und Monteiro auch zur Aufnahme ins Studio zu bitten. Die Samba-Puristen rümpften zwar die Nase über Monteiros hier dokumentierten Flirt mit der Bossa Nova, aber das Album wurde trotzdem ein Klassiker.
Vinícius de Moraes, Dorival Caymmi, Quarteto em Cy & Conjunto de Oscar Castro Neves:
Vinícius & Caymmi No Zum Zum (Ao Vivo)
Aufnahmedatum: 1965

In den Jahren 1964 und 1965 sorgten Vinícius de Moraes, Dorival Caymmi, das Gesangsensemble Quarteto em Cy und die Band von Oscar Castro Neves mit gemeinsamen Auftritten im Nachtclub Zum Zum in Copacabana über Monate für ein restlos ausverkauftes Haus. Wobei man anmerken muß, daß das Zum Zum nur wenig größer war, als eine Streichholzschachtel. Da der Club aufgrund seiner bescheidenen Größe nicht die Möglichkeit bot, dort eine Live-Aufnahme zu machen, zogen die Künstler eines Tages kurzerhand ins Studio Rio Som um und nahmen dort das gesamte Programm ihrer Show so auf, als würden sie es live präsentieren. Natürlich ohne störendes Cocktail-Glas-Geklimper und Dazwischengehuste.
Aracy de Almeida
Samba É Aracy De Almeida
Aufnahmedatum: 1966

Aracy de Almeida, die den Samba lange Zeit wie kaum eine andere Sängerin verkörperte, präsentierte sich auf dieser Platte in einem für sie unüblichen musikalischen Kontext. Begleitet wurde sie von dem exzellenten Ensemble des Gitarristen, Sängers und Songwriters Roberto Menescal. Aracy zeigt sich hier von einer Vielseitigkeit, die man ihr nicht zugetraut hatte. Das Ergebnis war eine der euphorischsten Platten ihrer gesamten Karriere.
Lúcio Alves:
Balançamba
Aufnahmedatum: 1963
Sérgio Mendes Trio:
Bossa Nova York
Aufnahmedatum: 1964

Bevor Sérgio Mendes mit seinem Ensemble Brasil ’66 weltweit Erfolg hatte, arbeitete er mit diversen anderen Formationen. Eine dieser war das Sérgio Mendes Trio (mit Sérgio am Klavier, Tião Neto am Kontrabaß und Chiquinho am Schlagzeug), das für diese Platteneinspielung durch so illuster Gäste wie Antônio Carlos Jobim (Akustikgitarre), Phil Woods (Altsax), Art Farmer (Flügelhorn) und Hubert Laws (Flöte) verstärkt wurde. Man schrieb das Jahr 1964, die Musik der Stunde war in New York der sogenannte Samba-Jazz und “Bossa Nova York” machte Sérgio

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