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Der lange Arm des Papstes

Cecilia Bartoli
09.09.2005
Die Oper, so wie überhaupt jede Form der Bühnendarstellung, war für die Kirche ein Dorn im Auge, bot sie doch die Möglichkeit für die Schauspieler, im Namen der Kunst und Unterhaltung Charaktere und Handlungen darzustellen, die dem Moral- und Verhaltenskodex der Geistlichkeit widersprachen. Insbesondere in Rom, wo das christlich-katholische Oberhaupt residierte, hatte das fatale Auswirkungen auf die Arbeit der dort lebenden Komponisten. Die Sopranistin Cecilia Bartoli spürte daher den musikalischen Folgen der Verbote nach und stellte mit Opera Proibita ein ungewöhnliches Programm zusammen, das dem Zeitgeist ihrer Heimatstadt im frühen 18.Jahrhundert auf der Spur ist.
Bereits wenige Wochen nach dem Tod von Michelangelo 1564 ließ die päpstliche Obrigkeit die gewagten Darstellungen seines “Jüngsten Gerichts” in der Sixtinischen Kapelle übermalen. Die Angst des Klerus vor der Verlotterung der Sitten gerade in der Stadt Rom führte aber noch zu weit mehr Restriktionen. So wurde 1588 verfügt, dass auf der Bühne keine Frauen mehr spielen dürften, um Anzüglichkeiten zu vermeiden. Diese Regelung erwies sich allerdings als Eigentor, denn die darauf folgenden Kastraten übten in ihrer sexuellen Ambiguität mindestens ebenso viel erotisierende Faszination auf das Publikum aus. Im Laufe der Jahre wurden jedenfalls die Zügel noch fester angezogen, so dass an der Schwelle zum 18.Jahrhundert auch die Oper praktisch verboten war. In heiligen Jahren wie anno 1700 etwa durften gar keine Bühnenstücke aufgeführt werden – mit Ausnahme von Oratorien, die als sakrale Form galten und nicht unter die Zensur fielen, auch wenn sie formal im Ablauf von Arien und Rezitativen den szenisch erweiterten Opern durchaus ähnelten. Jedenfalls mussten sich Komponisten und Darsteller auf unverfängliche biblische Stoffe beschränken und sie machten es mit Bravour.

Als die Star-Sopranistin Cecilia Bartoli, die bereits mit den erfolgreichen Programm-Alben zu Antonio Vivali, Antonio Salieri und Christoph Willibald Gluck Feingefühl für die Seitenlinien des Repertoires bewiesen hat, sich mit Kompositionen aus dem Rom des frühen 18. Jahrhunderts befasste, musste sie feststellen, dass es eine immenses Potential an wunderbarer Musik dieser Jahre gibt, das den Rahmen einer CD vollkommen sprengen würden.

Baroli beschränkte sich daher auf drei der arriviertesten und spannendsten Komponisten dieser Zeit: den jungen Georg Friedrich Händel (1685–1759) aus Halle, der als virtuoser Organist und Komponist zwischen 1706 und 1709 in Rom sein Auskommen suchte, seinen illustren Kollegen Allesandro Scarlatti (1660 – 1725) aus Palermo, der regelmäßig in der Tiberstadt zu Gast war, und Antonio Caldara (1671 – 1736), der von 1708 an sich mit Unterbrechungen bis 1715 in der Stadt aufhielt. Fünfzehn repräsentative Arien dieser Ära wählte Bartoli aus, Stücke aus Händels “Trionfo del Tempo e del Disinganno” oder dem “Oratorio per la Resurrezione di Nostro Signor Gesù Cristo”, aus Scarlattis “Il Giardino di Rose” oder auch Caldaras “Il Martitio di Santa Caterina”. Als kompetenter Begleiter und inhaltlicher Berater stand ihr Marc Minkowski zur Seite, der zum einen selbst ein akribischer Musikwissenschaftler, zum anderen ein ausgezeichneter Dirigent ist, und dessen Ensemble ‘Les Musiciens du Louvre – Grenoble’ zu den versierten und international renommierten Spezialisten der historisch orientierten Aufführungspraxis zählt.

Gemeinsam gelang es ihnen mit der idealen Mischung aus interpretatorischer Distanz und emotionaler Nähe, sich diesen selten gespielten und gesungenen Juwelen des Barocks zu nähern. So konnte ein weiterer Meilenstein in der Diskografie der umtriebigen und innovativen Sopranistin entstehen, der wie schon die Vorgänger-Alben voller musikalischer Überraschungen selbst für die Kenner der Materie steckt.

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