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Charlie Haden – The Best Of Quartet West

31.10.2007
Charlie Hadens Quartet West war unbestritten eines der feinsten, elegantesten und in sich geschlossensten Jazzensembles der gesamten 80er und 90er Jahre. Mit der Compilation “The Best Of Quartet West” kann man die vierzehn Jahre, in denen dieses Quartett die Musikwelt bezauberte, noch einmal Revue passieren lassen. Die ausgewählten zwölf Songs nehmen einen mit auf eine atemberaubend schöne Reise in das Los Angeles der 40er und 50er Jahre. Der Blick in die Vergangenheit gelang dem Quartet West mit viel Liebe für Nostalgie und Sinn für Authentizität. Daß dabei manches schwärmerisch verklärt wirken mag, lag nicht etwa an der Sentimentalität der vier Protagonisten, sondern am legendären Mythos Hollywoods, der in diesem musikalischen Bilderreigen eine zentrale Rolle spielte.
Als der Bassist Charlie Haden Mitte der achtziger Jahre von New York nach Kalifornien zurückkehrte, wollte er mit einer neuen Band gleich wieder in der Musikszene von Los Angeles Fuß fassen. Zu seinen Partnern erwählte er damals den Pianisten Alan Broadbent und den Schlagzeuger Paul Motian. Da Motian aber in New York zuhause war, wurde er schon bald durch den in Los Angeles ansässigen Billy Higgins ersetzt, für den wenig später wiederum Larance Marable in die Band einstieg. Zum Quartet West wurde das Ensemble durch Ernie Watts komplettiert, einen der meistbeschäftigten Saxophonisten in den kalifornischen Aufnahmestudios. Das musikalische Konzept der neuen Band verdankte Haden seiner Ehefrau Ruth, die ihn für die Idee einer nostalgischen Rückbesinnung auf die 40er und 50er Jahre der Filmmetropole Los Angeles begeistern konnte.
 
In den vierzehn Jahren, die das Quartet West existierte, nahm es sechs Alben auf, die bei Kritik und Publikum allesamt große Aufmerksamkeit erregten. Sein gefeiertes Debütalbum spielte das Quartet West im Dezember 1986 noch mit Billy Higgins ein. Beim 1988 erschienenen Zweitwerk “In Angel City” hatte auf dem Schlagzeughocker dann bereits der weniger bekannte, aber nicht minder exzellente Larance Marable Platz genommen, der dem Quartett bis zu seiner Auflösung 1999 treublieb. In der ersten Hälfte der 90er Jahre lancierte das Quartet West seine beiden erfolgreichsten Alben: 1992 erschien zunächst das für einen Grammy nominierte und mit dem Jahrespreis der Deutschen Schallplattenkritik bedachte Album “Haunted Heart” und 1994 “Always Say Goodbye”, das von den Kritikern des amerikanischen Jazzmagazins Down Beat zum besten und von seinen Lesern zum zweitbesten Album des Jahres gekürt wurde. Auf diesen beiden Alben wurden geschickt historische Jazzaufnahmen von Jo Stafford, Jeri Southern, Billie Holiday, Coleman Hawkins, Duke Ellington, Django Reinhardt und Chet Baker mit den Einspielungen des Quartet West gekoppelt. Verstärkt durch Streichorchester spielte das Quartet West dann seine beiden letzten Alben ein: 1996 “This Is The Hour” und 1999 schließlich “The Art Of The Song”, auf dem außerdem Shirley Horn und Bill Henderson als Gastvokalisten zu hören waren.
 
“…wenn wir zusammenkommen, bringen wir unsere gesamte Erfahrung ein”, erklärte Charlie Haden einst das Erfolgsrezept des Quartet West. “Es herrscht eine Art Telepathie, die ihren Ursprung in dem Respekt hat, den jeder der Kreativität der anderen entgegenbringt, und in der Fähigkeit, den anderen zuzuhören. Wir haben alle eine Vielfalt musikalischer Genres als Background. Larance spielte mit Charlie Parker und Bud Powell, Ernie hat mit jedem von den Rolling Stones bis zu Lee Ritenour zusammengearbeitet, und Alan hat mit Woody Herman gespielt und für ihn arrangiert. Mit jedem Album, das wir machen, kommen wir uns sowohl menschlich als auch musikalisch näher. Das Quartett möchte ein Gefühl der Hoffnung geben, und es soll die Leute auf vergessene Künstler wie Jeri Southern oder unbekanntes Material, das mich einst inspiriert hat, aufmerksam machen. Mir bietet es zudem eine Möglichkeit, an Orten zu sein, an denen ich in Wirklichkeit nicht sein konnte, etwa bei Aufnahmesessions von Duke Ellington oder Django Reinhardt. Ich denke, die Leute werden von Nostalgie, Melancholie, Schönheit und Tiefe angezogen, von allen Dingen, die sie von dem Wahnsinn und der Gewalt wegführen, die momentan die Welt beherrschen.”
 
Die romantischen Bilder und Erinnerungen des glamourösen Los Angeles der 40er und 50er Jahre, die das Quartet West zu der Musik seiner sechs brillanten Alben inspirierte, wurden auf sehr individuelle Art in faszinierende Aufnahmen umgesetzt. Daß sich ausgerechnet der Avantgardist und Free-Jazz-Pionier Charlie Haden mit seinem Quartet West zum führenden Repräsentanten eines entspannten und melodiösen, aber künstlerisch überaus anspruchsvollen West-Coast-Jazz mauserte, überraschte damals die ganz Jazzwelt. Und begeistert einen auch heute noch, wenn man die Highlights jener Jahre auf dieser wunderbaren Compilation hört.

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