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Auf die Freiheit – Daniel Barenboim begeistert das Publikum in der Waldbühne mit Beethoven

Daniel Barenboim, Michael Barenboim, West-Eastern Divan Orchestra
© Monika Rittershaus
21.08.2019
Daniel Barenboims Waldbühnenkonzerte sind eine feste Größe im Berliner Kulturleben. Jahr für Jahr pilgern Heerscharen von Musikbegeisterten zu der attraktiven Freilichtbühne am westlichen Rand des Olympiaparks, um den leidenschaftlichen Darbietungen des Stardirigenten und seines West-Eastern Divan Orchestra zu lauschen. So auch am Samstagabend, als sich die Zuschauerränge früh schon zu füllen begannen und der Maestro um 19 Uhr voller Tatendrang die Bühne betrat. Was dann folgte, war eine wahre Demonstration überragender Interpretationskunst. 
Daniel Barenboim konzentrierte sich ausschließlich auf Beethoven, dessen 250. Geburtstag die Klassikwelt im kommenden Jahr feiert. Aus dem weitverzweigten Œuvre des romantischen Vollenders der Wiener Klassik hatte er sich mit der Egmont-Ouvertüre, dem Violinkonzert in D-Dur und der Sinfonie Nr. 7 in A-Dur hochkomplexe Kompositionen erwählt, die das Publikum aufs Äußerste forderten. 
Die Rechnung ging auf. Die Zuhörerschaft wollte gefordert werden, wie der nicht enden wollende, frenetische Beifall am Ende des Konzerts eindrucksvoll bezeugte. Das Geheimnis des Erfolgs lag aber auch in Beethovens Musik begründet. Sie bot mit ihrer leidenschaftlichen Impulsivität im Wechsel mit ergreifenden lyrischen Stimmungen viel Unterhaltung.

Geist der Freiheit

Den Auftakt bildete die Ouvertüre zu Egmont op. 84 (1809), die wie kaum ein anderes Werk von Beethoven für die gewaltige Hochspannung in seinem Komponieren steht. Die Ouvertüre ist vom Geist der Freiheit beseelt. Goethes “Egmont” handelt von einem Grafen, der den niederländischen Widerstand gegen die spanische Herrschaft im 16. Jahrhundert anführt. Zu Beethovens Zeit drängte sich der Gedanke an die Unabhängigkeit der Völker auf, die sich der napoleonischen Besatzung entgegenstemmten. Das West-Eastern Divan Orchestra unterstrich die freiheitliche Message der Egmont-Ouvertüre mit einer furiosen Interpretation. Selten hat man den Vorwärtsdrang in diesem Werk so stark gespürt wie an diesem Samstagabend in der Waldbühne. 
Worte wie Frieden oder Freiheit sind für das beliebte multikulturelle Orchester keine abstrakten Leerformeln. Die mehrheitlich israelischen und arabischen Musikerinnen und Musiker, die Daniel Barenboim gemeinsam mit dem Literaturwissenschaftler Edward Said vor nunmehr 20 Jahren zusammenführte, um dem Friedensprozess im Nahen Osten künstlerisch Nachdruck zu verleihen, wissen aus eigener Anschauung, wie schmerzhaft eine von Zwang und Gewalt dominierte Gesellschaft ist. Umso glühender ist ihr Verlangen nach Freiheit, das sie bei ihrem Auftritt in der Waldbühne musikalisch zum Ausdruck brachten.  

Vater und Sohn

Nach der Egmont-Ouvertüre erklang das für seine poetischen Stimmungen bekannte Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61 (1806). An der Solo-Geige war Barenboims Sohn Michael zu erleben, der das Publikum mit seinem ebenso geschliffenen wie zartfühlenden Spiel verzauberte. Michael Barenboim stieß bereits im Alter von 14 Jahren zum Orchester des West-östlichen Divans und ist heute gefragter Solist. Mit einem nachdenklich anmutenden Satz aus einer Bach-Sonate in entließ er das Publikum die Pause. Vater und Sohn umarmten sich nach der Aufführung.
Den krönenden Abschluss markierte Beethovens Sinfonie Nr. 7 in A-Dur op. 61 (1806), die alles zu bieten hat, was romantische Orchestermusik ausmacht: Kraft, Pathos, Gefühl, Poesie, überraschende Wendungen, philosophischen Tiefsinn und entfesselte Tanzlust. Das West-Eastern Divan Orchestra schöpfte aus dem Vollen. Beethovens Klangekstasen stiegen in den Berliner Himmel auf, wo sie großzügigere Aufnahme zu finden schienen als in der engen Umgrenzung eines Konzertsaals. Vielleicht gehören manche Werke von Beethoven an eine Freilichtbühne. Das Publikum jedenfalls genoss die ungezwungene Atmosphäre, bedankte sich ungewöhnlich lang bei den Künstlern und verließ sichtlich bewegt das Gelände.
Daniel Barenboim ist zu Gast im Deutsche Grammophon Podcast “Lass uns über Klassik reden” zu erleben.

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