In den USA und ihrer Heimat Kanada besitzt die Sängerin und Pianistin Diana Krall eine Popularität, wie sie normalerweise nur Popstars vorbehalten ist. 1993 trat sie mit ihrem Debüt “Stepping Out” ins Rampenlicht, und seitdem hat sie mit jedem ihrer bislang vier Alben einen gewaltigen Schritt nach vorne getan. Nun schickt sich Diana Krall an, mit ihrem fünften Album “When I Look In Your Eyes” auch Europa zu erobern.
Gegensätze ziehen sich an! Romantik spielt in der Musik der kanadischen Sängerin und Pianistin Diana Krall eine große Rolle. Die jedoch wird von einer höchst reizvollen Unnahbarkeit kontrastiert, die die Musikerin dank ihrer beherrschten, rauchigen Stimme verströmt. Der Zuhörer wird von Diana Krall magisch angezogen und gleichzeitig immer ein Stück auf Distanz gehalten. Das macht die Dame, die aus einer vergangenen Zeit zu stammen scheint, zu einer geheimnisvollen Frau und wird wohl der Grund sein, warum sie immer wieder als “Femme fatal” bezeichnet wird – was sie persönlich genauso lächerlich findet wie den Retro-Stempel, der ihrer Musik hin und wieder aufgedrückt wird.
Innerhalb von knapp sechs Jahren ist aus Diana Krall ein heller Stern am Entertainment-Himmel geworden: Nach ihrem “Stepping Out” betitelten 1993er Debüt vollzog sie mit ihrem Wechsel zu GRP und dem Album “Only Trust Your Heart” (1995) einen gewaltigen Karriereschritt. Die CD machte sie schlagartig bekannt. Für Impulse! folgten das dem Nat ‘King’ Cole Trio gewidmete “All For You” (1996) und schließlich “Love Scenes” (1997), ein Sensationserfolg (das erste Jazzalbum, das es in Kanada fertigbrachte, Platin zu erwirtschaften und das der Interpretin eine US-Grammy-Nominierung einbrachte). “Love Scenes” wurde weltweit so gut verkauft, daß Diana Krall inzwischen eine Art Popstar-Status besitzt. Der wird mit ihrer neuen Verve-CD “When I Look In Your Eyes” sicherlich noch unterstrichen.
Unwiderstehliche, ebenso nostalgische wie zeitlose Songs gibt Diana Krall hier zum besten: “Let’s Face The Music And Dance”, “I Can’t Give You Anything But Love”, “Let’s Fall In Love” und und und… Produziert wurde das Album, wie seine drei Vorgänger, von Tommy LiPuma, dem Produzenten legendärer Alben von solch unterschiedlichen Künstlern wie George Benson, Natalie Cole, McCoy Tyner und den Pointer Sisters. Tommy LiPuma ist seit kurzem A&R-Chef von Universal Jazz, Heimat der Labels Verve, Impulse! und GRP. Nach eigener Aussage hat Diana Krall ihm “unendlich viel zu verdanken”. Mit von der Partie waren bei dieser Aufnahme außerdem Dianas langzeitige Triogefährten Russell Malone (Gitarre) und Ben Wolff (Baß), aber auch Gäste wie John Clayton (Baß), Jeff Hamilton und Lewis Nash (beide Schlagzeug), sowie der Vibraphonist Larry Bunker. Eine Novität im Oeuvre der singenden Pianistin ist der Einsatz eines großen, aber dennoch dezent eingesetzten Orchesters.
“Eigentlich schwebte mir ein weiteres Trio- oder vielleicht ein Quartett-Album vor”, sagt Diana Krall. “Doch dann bekam ich einen Anruf von Johnny Mandel.” Den berühmten Orchester-Arrangeur hatte Diana Krall durch seine Zusammenarbeit mit Frank Sinatra, Michael Jackson, Peggy Lee, Manhattan Transfer, João Gilberto und unzähligen anderen schon lange schätzen gelernt. Nun sind seine Tonsetzer-Talente auch auf “When I Look In Your Eyes” verewigt. “Wir sind auf dieser CD nach wie vor ein improvisierendes Ensemble, dem sich das Orchester wie ein weiteres Instrument anschließt”, beschreibt Diana Krall den Sound ihres neuen Albums.
“When I Look In Your Eyes” ist Diana Kralls bislang reifstes Statement: es vereint Eleganz und frechen Witz (etwa in Michael Franks' Nudisten-Hymne “Popsicle Toes”), kühnen Swing und sanfte Bossa-Wellen, Virtuosität und Reduktion. Wie gesagt: Gegensätze ziehen sich an.
Die bislang so blendend verlaufende Karriere der Kanadierin baut auf den Resultaten harter Arbeit und weniger auf Zufällen auf: Im zarten Alter von vier Jahren erhielt Diana Krall bereits klassischen Klavierunterricht. Doch bald schon verdankte sie ihr Repertoire nicht mehr nur Mozart und Co. Später, als Mitglied der High-School-Jazzband im heimatlichen Nanaimo (British Columbia) durchlief sie eine Art Grundausbildung in Sachen Jazz. Die junge Frau machte sich in dem Orchester so gut, daß ihr verschiedene kleine Gigs in lokalen Salons und Restaurants angeboten wurden. Ein Stipendium des “Vancouver Jazz Fests” führte sie schließlich an das berühmte Berklee College of Music in Boston.
Nach ihren dortigen Studien ging sie zurück nach British Columbia, wo die Baß-Legende Ray Brown bei einem Konzert auf die Talente der jungen Frau aufmerksam wurde. Die beiden schlossen Freundschaft und Ray Brown war stolz, sich fortan Dianas Kralls Mentor nennen zu können (als ihre zweite musikalische Vaterfigur muß man Pianist Jimmy Rowles ansehen, bei dem sie in Los Angeles studierte). Erst kürzlich erschien die Ray Brown-CD “Some Of My Best Friends Are…The Singers”, auf der Diana Krall neben Kevin Mahogany oder Nancy King zu hören ist. Live stand sie mit dem Projekt auch in Deutschland auf der Bühne, etwa während der Jazzwoche Burghausen.
Auch sonst zeigte sich die Wahl-New-Yorkerin in letzter Zeit reichlich aktiv: Gleich in zwei Folgen konnte man sie bei der auf RTL ausgestrahlten Serie “Melrose Place” sehen (natürlich in der Rolle einer Sängerin). Zum Film “At First Sight” trug sie drei Titel bei und flimmerte sogar in einer kleinen Rolle über die Leinwand (mittlerweile flattern ihr regelmäßig Rollenangebote ins Haus). Mit Clint Eastwood hat sie bereits mehrfach gearbeitet. Nach einem Beitrag zum Soundtrack von “Midnight In The Garden Of Good And Evil” ist Diana Krall jetzt auch in der Schlußsequenz seines neuen Thrillers “True Crime – Ein wahres Verbrechen” mit dem Titel “Why Should I Care” zu hören – sensationellerweise eine Komposition von Regisseur und Hauptdarsteller Eastwood selbst! Zu diesem Titel gibt es auch einen Videoclip, bei dem es sich Dirty Harry nicht nehmen ließ selbst Regie zu führen.
Außerdem wurde Diana von der irischen Kultgruppe The Chieftains neben Joni Mitchell und Bonnie Raitt eingeladen, für das Album “Tears Of Stone” Weisen von der grünen Insel zu interpretieren. Und schließlich wird sie auf dem neuen Album der legendären Sängerin Rosemary Clooney (George Clooneys Tante) zu erleben sein, mit der sie ein Duett intonierte.
Diana Kralls Hauptaufmerksamkeit gilt derzeit allerdings ganz und gar “When I Look In Your Eyes”, einem Album, das bestens dazu geeignet ist, Dianas Popularität noch weiter zu steigern und sie zu dem zu machen, was jeder von ihr so meisterlich interpretierte Song bereits ist: ein Klassiker.