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Erich Kästner

Volle Länge Emil: Der Kästner-Klassiker ungekürzt

29.03.2001
Der Kästner-Klassiker “Emil und die Detektive” ist mittlerweile in 34 Sprachen übersetzt. Jetzt gibt’s den Kinderkrimi zum ersten Mal ungekürzt auf CD.
Gute Schüler sollen nicht schlafen. Aber manchmal helfen die bewährten Mittel nicht. Wie ins Bein kneifen. Emil Tischbein, Kästners grandiose Erfindung eines 10-jährigen Mustersohns von 1928, fährt allein nach Berlin und teilt sein Zugabteil mit einem Ganoven. Das weiß Emil zwar noch nicht, aber er ist misstrauisch: Jetzt bloß nicht einschlafen. Ob er sonst das Geld für Großmutter sicher nach Berlin bringt? Natürlich schläft Emil ein und selbstverständlich ist der nette Herr von gegenüber ein ganz ausgefuchster Dieb. Und Emil nimmt die Verfolgung auf. So beginnt der große Erich-Kästner-Klassiker, der vor 73 Jahren vormachte, was die Kinderliteratur revolutionierte: Zum ersten Mal werden mit Emil, Pony Hütchen und den gewieften Detektiven selbständige Kinderfiguren geschaffen. Keine Schablone aus der Sicht der Erwachsenen, sondern einfallsreiche Menschen, eigenständig und keineswegs nur gehorsam. Kästner schrieb einen Großstadtroman in Alltagssprache, in der Augenhöhe der Kinder, ohne billige Anbiederung. Das Berlin der Dreißigerjahre wird so lebendig wie das Gewusel am Bahnhof Zoo. Der Ton klingt heute noch so echt, dass auch Kids des 21. Jahrhunderts klar wird: Emil, Gustav und der Rest der Bande sprechen wie sie selbst. Schnodderig, salopp, mit Wörtern, die “in” sind. Und die Story geriet Kästner mindestens so komisch wie spannend.
 
Kein Wunder also, dass “Emil” ein weiteres Mal verfilmt wurde. Nach der ersten Kino-Version von 1931, für die der junge Billy Wilder das Drehbuch lieferte, und einer mittelmäßigen Filmfassung von 1954 nun eine komplette neue Version: Nicht mehr Gustav mit der Hupe steht Emil zur Seite, sondern das Girlie Pony Hütchen führt die Gang an. Emil selbst ist ja ein Junge aus den neuen Bundesländern, ein echter Provinzheini, dessen Friseusen-Mami durch einen arbeitslosen Vater ersetzt ist. Und der Ganove Grundeis – gespielt von Jürgen Vogel mit rotem Koffer, roten Schuhen und zu Stroh gebleichten Haaren – steigt natürlich im noblen “Adlon” ab.
 
Alles anders also. Deshalb muss man vor dem ersten Kinobesuch unbedingt noch einmal in Kästners Original schmökern. Sonst trauen sich die altmodischen Bilder, die schräge Mischung, die Kästners eigene Erzählung erzeugt, nicht mehr an die Oberfläche. Also zum hauseigenen Buch mit dem Titelbild – nur zwei haarscharfe Schatten teilen das Meer in Gelb – greifen. Oder: Gut zuhören. Denn jetzt liegt als Neueinspielung zum ersten Mal ungekürzt Kästners Kinderkrimi nach der Buchausgabe von 1928 vor. Author’s Cut statt Director’s Cut.
 
Ganze drei CDs füllt die Lesung von Hans-Jürgen Schatz – das macht drei Stunden ungeschmälertes Kästner-Vergnügen für Kinder und Erwachsene. Denn für Kästner war der Fall ganz klar: “Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch. Lasst euch die Kindheit nicht austreiben!” Oder packt an wie Emil, der sich ja doch als ganz Ausgeschlafener erweist: Erst pennt er, dann rennt er, dann schlägt er zu.

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