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Frank Turner, Biografie 2015

Frank Turner 2018
21.08.2015
Frank Turner ist sich des Phänomens der Zeit durchaus bewusst. Er weiß, dass die Tage und Monate, die wie im Flug vergehen, sein Werk prägen. Immerhin ist es schon einige Jahre her, seit der Barde sich vom ‘Jungen, der das niemals könnte’ zum ‘Mann, der es gerade getan hat’ gemausert hat; es ist Jahre her, seit sein Name erstmalig ganz oben auf den Tickets stand, die ihrem Besitzer Zutritt zur Wembley Arena oder zur Royal Albert Hall gewährten; und ebenso ist es etliche Jahre her, dass es irgendjemanden überrascht hätte, ihn im Radio zu hören.
Natürlich ist ein solcher Aufstieg Anlass zur Freude, und es wäre zu einfach, die Gründe dafür als vorhersehbar zu bezeichnen. Andererseits ist der nachdenkliche Songwriter auch vorsichtig: Denn wenn man zu sehr darauf aus ist, irgendwo Fuß zu fassen, kann man, ohne es zu merken, seine Ecken und Kanten verlieren.
Als es also Ende 2014 an der Zeit war, ein neues Album aufzunehmen, schnappte Frank sich seine Songskizzen und überlegte, was er damit machen könnte.
“Das ist mein sechstes Album, was ja an sich keine besonders aufregende Zahl ist”, erklärt er. “Aber in letzter Zeit hatte ich viel über Debütalben nachgedacht. Wenn eine Band ihr Debütalbum aufnimmt, dann stürmen sie ein Studio und spielen mehr oder weniger ihr komplettes Liveset durch. Das ist erfrischend und man spürt eine Begeisterung, die den meisten Bands im Laufe der Zeit oft abhanden kommt. Ich wollte eine Platte machen, die sich wieder jung und ungestüm anhört, die nach Pisse und Essig klingt. Das hängt auch damit zusammen, dass meiner Meinung nach keines unserer bisherigen Alben es wirklich schafft die Atmosphäre unserer Konzerte rüber zu bringen. Deshalb kam ich auf die Idee, die neuen Lieder über einen längeren Zeitraum live zu spielen und daran zu feilen, und im Anschluss das Album ziemlich zügig aufzunehmen.”  
Genau das haben Frank Turner und die Sleeping Souls, seine äußerst geschmeidige Backingband, getan: Sie ackerten fast ununterbrochen, während sich eine Nacht nach der anderen über den Proberaumkomplex im ländlichen Oxfordshire senkte. Wie immer kam es vor allem darauf an, das in Franks Kopf existierende Album in etwas zu verwandeln, das andere Leute in seinem Umfeld unterstützen wollen würden. Der Schlüssel dafür lag in den Händen des Produzenten Butch Walker. Er ist selbst ein bekannter Singer-Songwriter und als Techniker taucht sein Name in den Credits von so unterschiedlichen Künstlern wie Katy Perry, Hot Hot Heat, Pink und Fall Out Boy auf. Aber es war vor allem die Herangehensweise des Amerikaners, die Frank Turner interessierte. Er schaffte es, Songs die im Lärm des Proberaums entstanden waren, ohne Kompromisse für das Studio fit zu machen.
Butch Walker verstand dies beinahe instinktiv. So wie Produzent Nick Lowe in den 1970ern zu Elvis Costello gesagt hatte, ‘Dieser Song hat vier Akkorde, was ist das verdammte Problem?’, so erkannte auch Walker, dass er die Musiker nur spielen lassen musste, während er sich selbst bereit hielt, um zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Knopf zu drücken.
Und so geschah es.
“Im Dezember flog ich mit den Sleeping Souls nach Nashville”, berichtet Turner. “Im Gepäck hatten wir einige kampferprobte Songs und so hatten wir das Album in nur neun Tagen im Kasten. Es ist fast komplett live gespielt. Ich bin ein bisschen stolz darauf, dass auch fast alle Vocals direkt und ohne Nachjustierung aufgenommen wurden. Das Album klingt genauso, wie ich es mir gewünscht hatte.”
Wenn Tape Deck Heart, das 2013 erschienene fünfte Album von Frank Turner & The Sleeping Souls, eher kathartisch war, und den Schmerz eines noch frischen, persönlichen Versagens verarbeitete, dann erlebt man auf Positive Songs For Negative People einen Mann, der sich wieder in Position bringt. Schon der zweite Song, Get Better, zeigt einen Charakter, der sich nicht mal unbedingt für seine Fehler zu schämen scheint.
“I’ve got no new tricks,” singt er, “and I’m up on bricks, but, me, I’m a machine and I was built to last.”
An dieser Stelle liegt der Autor allerdings nur teilweise richtig: Auf seinem sechsten Album hat Frank Turner durchaus neue Tricks auf Lager. Positive Songs For Negative People hat zwar die Reinheit und Zielstrebigkeit eines Debütalbums, aber es klingt nicht gerade nach jemandem, der hier sein erstes Rodeo erlebt.
Eingerahmt wird Positive Songs… von zwei Akustiksongs: Es beginnt mit The Angel Islington, einer Liebeserklärung an Nordlondon, aus der klar hervorgeht, dass selbst ein Mensch mit mehr Stempeln im Pass als ein Reisejournalist einen Ort braucht, den er zu Hause nennt, und Freunde, die sich für ihn als Menschen interessieren und nicht für das, womit er sein Geld verdient.
Der letzte Track Song For Josh ist ein Trauerlied für einen Freund – einen Mann, der das Security Team im berühmten 9:30 Club in Washington leitete und seinem Leben selbst ein Ende setzte. Der Song ist bewegend, sensibel und perfekt gesungen; er beschäftigt sich mit Verlust, Liebe und Reue. Die Tatsache, dass er im Beisein von Freunden und Familie des Verstorbenen live in dem Club, wo Josh gearbeitet hatte, aufgenommen wurde, macht die Aufnahme nur noch schmerzhafter. Song For Josh zeigt die Kraft der Musik und die Kraft der Freundschaft und ist einfach nur wunderschön.
“Nicht lange nach Joshs Tod führte uns eine Tour nach DC”, erinnert sich Frank an die Entscheidung, den Song an genau diesem Ort aufzunehmen. “Ich hatte den Song schon einige Male gespielt, aber plötzlich entstand die Idee, ihn in Washington DC aufzunehmen, und so trafen wir die nötigen Vorbereitungen. Ich hatte nur einen Versuch. Unter keinen Umständen hätte ich ihn zweimal bei einem Konzert gespielt. Die Generalprobe beim Soundcheck hatte ich ein bisschen vergeigt. Entsprechend nervös war ich vor dem Auftritt. Aber die Götter – oder vielleicht war es Josh – standen mir bei und ich spielte ihn so gut wie noch nie zuvor.”
Abgesehen von diesen beiden Songs, halfen die Sleeping Souls natürlich den passenden Sound  für jedes Stück zu kreieren: rau und harmonisch, leicht und kraftvoll; und manchmal prügeln sie einfach drauf los. Die Songs sind mal verspielt (Love Forty Down), mal klug (Mittens), und manchmal geht es um nicht weniger als Leben und Tod (Demons, Out Of Breath).  Die Lieder begegnen den negativen Momenten des Lebens mit innerer Stärke. Die Krönung des Ganzen ist ein Duett mit der Sängerin Esmé Patterson aus Denver, die in dem Song Silent Key die Rolle der Grundschullehrerin Christa MacAuliffe übernimmt, die 1986 in der Challenger-Katastrophe ums Leben kam.
Der Titel Positive Songs For Negative People war zunächst nur Franks Antwort auf die Frage eines Freundes, wie er seine Musik beschreiben würde. Das Gefühl, das die 12 Songs vermitteln, ist, dass er – und wir – alles schaffen können. Trotz, oder vielleicht wegen, der vielen Schwierigkeiten und Fallstricke, die mit diesem Album verbunden sind, verbreitet es eine positive Energie.
“In gewisser Weise finde ich, dass dieses Album alles auf den Punkt bringt. Es ist eine Zusammenfassung und das Ergebnis der letzten Alben,” so der Künstler.
Vor Positive Songs… hat Frank Turner bereits fünf weitere Alben aufgenommen: Sleep Is For The Week, Love, Ire and Song, Poetry Of The Deed, England Keep My Bones und Tape Deck Heart. Aufgewachsen ist Frank Turner in Winchester, einer Kleinstadt im Süden Englands. Mittlerweile wird seine Post in Holloway, im Norden Londons, zugestellt. Die nächsten 18 Monate plant er allerdings auf Tour zu sein. Vielleicht sogar den Rest seines Lebens.

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